SGB-Kicker: "It´s no magik"

Von der Straßengang zum Fußballprofi: Hans Nunoo Sarpei (27) im Portrait

Hans Nunoo Sarpei ist seit dieser Saison beim Fußball-Regionalligisten SG Barockstadt Fulda-Lehnerz
Fotos: Maurice Schumacher und Hans-Hubertus Braune

17.12.2025 / FULDA - Es gibt zwei Momente, die das bisherige Fußballer-Leben von Hans Nunoo Sarpei prägen. Sie zaubern dem sympathischen Kerl aus Ghana ein strahlendes Lächeln ins Gesicht. Der eine ist erst ein paar Tage her. Im letzten Spiel vor der Winterpause geht es mit seinem Team der SG Barockstadt Fulda-Lehnerz zum wichtigen Auswärtsspiel nach Balingen.



"Das war ein ganz spezieller Tag für mich. Ich hatte ein besonderes Gefühl, das habe ich nicht verstanden. Das ganze Spiel war ich glücklich", sagt der 27-jährige Fußballprofi. Übrigens: Sein Spitzname sei Kriegerkönig" - deshalb auch das "k" in "magik".

Vielleicht spiegelt dieses Duell am Rande der Schwäbischen Alb so ein wenig die Laufbahn des Ghanaer wider. Wie so viele Jungs in seiner Heimat hat er nur eines im Sinn: Kicken. Auf der Straße, mit der Gang. Die Kumpels waren seine Familie, seine Eltern hatten sich getrennt. Da war Hans Nunoo noch klein. Der ehemalige Schalker Bundesligaprofi Hans Sarpei ist übrigens sein Onkel. Kontakt zu ihm hat er nicht, dafür zu dessen Bruder Edward, er lebt im Rheinland.

Training war für den Jungen damals allerdings kein Thema. "Ich wollte einfach nur mit meinen Freunden spielen, bin auf der Straße aufgewachsen. Wir lebten in den Tag und waren sehr glücklich, weil wir gemacht haben, was wir wollten", erzählt Sarpei im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch. Die Älteren fragten ihn immer wieder, wieso er nicht im Verein spielen will? Sein Talent fällt auf, in der Schulmannschaft war er auch ohne Training Kapitän. Dann stand das Spiel der Spiele an. Vorletzter Spieltag mit der Schulmannschaft. Als Zweiter ging es zum Ersten. Ein Sieg, dann würde am letzten Spieltag ein Punkt zur Meisterschaft reichen.

Dreierpack macht ihn glücklich

Sein Schulmannschaftstrainer fragt ihn täglich, selbst morgens um fünf Uhr versucht er, ihn zu überreden. "Komm ins Training. Bitte", erzählt Sarpei. In der Woche vor dem Duell hat er es dann doch gemacht. Morgens individuell, mittags mit der Mannschaft von Montag bis Donnerstag, Freitag eine Einheit und dann kam der Sonntag, das Spiel. Es sollte sein Moment werden - der Erste. Hans Nunoo spielt auf der Sechser-Position. Sie gewinnen 3:0 und Sarpei macht alle drei Tore. Besser geht es nicht. Er ist der Held. "Alle haben mir gratuliert, ich war glücklich. Aber alle Leute dachten, dass es nur Glück war", sagt Sarpei. Sein Trainer aber schaut ihm in die Augen und sagt: "It´s no magik. Ich weiß es, Du hast für dieses Spiel gearbeitet."

Er ist gerade einmal 13 oder 14 Jahre - ganz genau weiß er es spontan nicht. Auf jeden Fall gerade mal ein Jugendlicher. Dieses Spiel, dieser Sieg verändert ihn. Heute trägt er ein auffälliges und gut sichtbares Tattoo: "It´s no magik". Und er trägt zwei Ohrringe, jeweils mit einem Kreuz. Der katholische Glaube prägt sein Leben. Da ist er in Fulda ja genau richtig. Im hiesigen Dom war er allerdings noch nicht. Fußball steht an erster Stelle, dafür lebt er. Seine Ernährung passt er entsprechend an, Alkohol ist für ihn tabu.

"Ich bin den Leuten hier sehr, sehr dankbar. Das ist mir wichtig, zu sagen", wiederholt Sarpei mehrfach. Die SGB ist für ihn wie ein Neuanfang. Sein Weg vom großen Sieg mit der Schulmannschaft führt über einige Stationen und ist steinig. Die fußballerischen Erlebnisse sind nicht immer so schön.

In seiner Heimatstadt Accra beginnt er nun im Verein bei Accra Great Olympics und Liberty Professionals. In der Sommerpause entdeckt ein Scout aus Europa sein Talent. "Ich wurde zu unserem Präsidenten bestellt und mir wurde gesagt, ich müsse nach Italien gehen, ich hielt es erst für einen Spaß", erzählt Sarpei. Als er zur Botschaft gefahren wurde, wusste er, dass es tatsächlich Realität wurde. Mit 16 Jahre verlässt er seine Gang, seine Heimat in Ghana.

Probetraining bei Julian Nagelsmann

Von Hellas Verona aus folgte der Sprung nach Deutschland. Unter Julian Nagelsmann trainierte Sarpei bei der U19 der TSG Hoffenheim. Ebenso auf Schalke. Die TSG und der S04 wollten ihn verpflichten. Er war jedoch erst 17 und durfte aus Altersgründen noch keinen Profivertrag unterschreiben.

Jan Schindelmeiser holte ihn dann nach Stuttgart. Beim VfB spielte Sarpei drei Jahre mit Unterbrechungen und feierte unter Trainer Tayfun Torkut am 6. Oktober 2018 beim Auswärtsspiel in Hannover sein Bundesliga-Debüt. Nach einer Leihe in die Slowakei und zurück nach Stuttgart ging Sarpeis Reise weiter zum Zweitligisten Greuther Fürth. Dort absolvierte er 58 Spiele, stieg mit den Kleeblättern in die Bundesliga auf. Verletzungen warfen ihn in der Folge etwas zurück. In der Winterpause 2021/2022 verlässt er den Verein. Seine Erinnerungen an die Trennung sind nicht schön. Er ärgert sich noch heute, dass er gehen musste. Angeblich habe er zu viel Geld verlangt. Er fühlt sich missverstanden und ging nach Ingolstadt.

Im Frühjahr verletzte er sich, der FC Ingolstadt 04 stieg ab, Sarpei blieb und wurde Stammspieler. Im Sommer 2023 wurde sein Vertrag aufgelöst. Ein Rückschlag in seiner Laufbahn. Ein Mitspieler habe seine Mutter beleidigt, Rassismus habe im Raum gestanden. Ein erneutes Missverständnis, Sarpei ist enttäuscht, die Sache wurde aus seiner Sicht falsch dargestellt. Für ihn ging die Reise international weiter nach Finnland zum dortigen amtierenden Meister HJK Helsinki. Er kommt in Finnland auf 14 Spiele, sein Vertrag wurde im Herbst 2024 aufgelöst. "Ich wollte zurück nach Deutschland", sagt Sarpei.

"Die Barockstadt ist meine Bundesliga"

Jetzt also Osthessen, Regionalliga. "Ich wollte mein Leben neu starten. Ich habe Respekt, egal in welcher Liga. Die Barockstadt ist meine Bundesliga", sagt der Mittelfeldspieler. Er fühle sich sehr wohl. Der Trainer, die Kollegen, der Verein - für Hans Nunoo Sarpei passt es wieder.

In Balingen führt die SG Barockstadt mit 1:0. Dann gibt es Elfmeter für die Gastgeber. Das 1:1 in der Nachspielzeit. Sarpeis Team verspielt die Führung. "In dieser Zeit hatte ich was in meinem Kopf, ein anderes Gefühl und hatte den Glauben, dass wir das Spiel gewinnen", erzählt Sarpei. Im Video ist zu sehen, wie er nach dem 1:1 der Balinger zielstrebig den Ball aus dem Tor holt und auf den Mittelkreis legt. Es läuft ja schon die Nachspielzeit. Die 95. Minute Einwurf von Tobias Göbel, der Ball segelt in den Strafraum, wird abgewehrt. Hans Nunoo Sarpei fasst sich ein Herz, zieht aus der Distanz volley ab und trifft zum 2:1. Die SG Barockstadt Fulda-Lehnerz gewinnt das Duell in Balingen doch noch. Ein eminent wichtiger Sieg.

Sarpei ist der Matchwinner, so wie damals in der Schulmannschaft. Es ist der zweite besondere Moment in seiner Fußballerkarriere. Und das ausgerechnet am Geburtstag seiner Mama. Rund 5.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen ihnen. Und doch sind sie sich in diesen Tagen besonders nahe. Sie sieht das Tor ihres Sohnes im Video. "Sie hat sich riesig über mein Tor gefreut", erzählt Hans Nunoo mit glücklichem Gesicht. Es sind diese positiven Momente, die ihm die Kraft und den Glauben geben, weiterzuarbeiten. Schließlich ist Fußball sein Leben. Vielleicht beinhaltet seine Geschichte doch ein wenig "Magie". (Hans-Hubertus Braune) +++

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