OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (79)

Jemal Kassa: Gute Laune, afrikanische Musik, Hünfeld und Arsenal London

Ein Fußball-Künstler, wie er im Buche steht: Jemal Mohamedadem Kassa
Fotos: Carina Jirsch

08.11.2023 / FULDA - Es ist nicht überliefert, ob der Hünfelder SV einen Top-Zuschlag erhebt für seinen Spieler Jemal Kassa. Der dribbelt, dass es eine Freude ist, dem Ball-Künstler und Virtuosen im Spiel Eins-gegen-eins bei den Partien des Fußball-Hessenligisten zuzusehen. Nicht zuletzt deshalb ist Kassa (26), in Eritrea geboren, zu Gast im Osthessen|News-Sportgespräch. Im ersten Teil erklärt er, wie er die afrikanische Musik nach Hünfeld brachte. Wie er es geschafft hat, schon 15 Tore in 17 Spielen zu schießen. Was er vom kommenden Gegner KSV Baunatal hält. Und manches mehr.

Im Osthessen|News-Sportgespräch lassen wir immer Menschen aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 79 der Serie.

O|N: Dein Trainer Johannes Helmke sagt, Du hättest den Schalk im Nacken sitzen, seist für jeden Spaß gut und bringst die Mannschaft zum Lachen. Das sei halt eine Gabe. Können wir das so stehen lassen?

Jemal Kassa: Gute Frage. Ja, gute Laune steckt an. Ich bringe afrikanische Musik mit. Ein bisschen Tanzen. Meistens gehen die Mitspieler darauf ein. Am Anfang musste ich sie noch überzeugen. Jetzt machen die auch mit. Bis dahin hatten sie es noch gar nicht gekannt. Das kommt gut an. Bis jetzt habe ich auf jeden Fall noch keine schlechte Nachricht bekommen. Du fühlst Dich halt wohl. Meistens mache ich das vor dem Spiel. Wenn wir gewinnen, ja. Aber wenn wir verlieren, eher nicht.

O|N: 15 Tore hast Du geschossen, in 17 Spielen - keine schlechte Quote. Wie erklärst Du Dir diese Bilanz?


Kassa: Jetzt bin ich ja im zweiten Jahr in Hünfeld. Im ersten Jahr waren es elf. Da habe ich noch Rechtsaußen gespielt. Dieses Jahr hat mich der Trainer auf "die Zehn" gestellt. Es kann auch sein, dass es an der geänderten Position liegt. Bis jetzt läuft es gut.

O|N: Die Zehn ist doch prädestiniert für Dich. Siehst Du das auch so?

Kassa: Ja. Da fühle ich mich wohl. Der Weg zum Tor ist kürzer. Im letzten Jahr standen die Gegner oft auch sehr tief. Das ist jetzt anders. 

O|N: Du erinnerst Dich doch bestimmt an den 23. September? Es ist noch nicht so lange her ...

Kassa: Ja, das war an meinem 26. Geburtstag. Wir haben 8:2 gegen Waldgirmes gewonnen, und ich habe drei Tore geschossen. Ein Weitschuss-Tor aus 45 Metern. Und dieses Slalom-Tor, bei dem habe ich, glaube ich, vier Spieler ausgespielt. Das vergisst man nicht.

O|N: Doch am vergangenen Samstag bei Hünfelds 0:2 in Weidenhausen hättest Du auch eins machen müssen ...

Kassa: Ja. Das muss ich machen. Es war ein Eins-gegen-eins vor dem Torwart. Doch der Gegenspieler hat noch richtig gegrätscht und auch den Ball getroffen. 

O|N: Was habt Ihr in diesem Spiel nicht so gut gemacht?

Kassa: Wir haben gut angefangen, aber dann sehr stark nachgelassen. Wir haben nicht die Zweikämpfe angenommen und wollten bei dem tiefen Boden immer so klein-klein spielen.

O|N: Am Samstag spielt Ihr zu Hause gegen den KSV Baunatal. Der hat mit 19 Punkten und 27:8 Toren aus den letzten sieben Spielen eine tolle Serie hingelegt. Was müsst Ihr da anders und besser machen?

Kassa: Baunatal ist richtig stark. Körperlich. Wir müssen so spielen wie in den ersten Wochen der Saison. Wir müssen gemeinsam verteidigen und gemeinsam angreifen. Selbstbewusst spielen halt.

O|N: Was müsst Ihr besonders beachten?

Kassa: Auf die Standards. Die sind alle groß. Über 1,80 Meter. Die Mannschaft ist sehr robust. Und sehr erfahren. Sie landen jedes Jahr so zwischen Fünf und Acht. Sie haben ein paar Spieler von Hessen Kassel bekommen, die gute Qualität haben.

O|N: Andererseits: Ihr seid ja heimstark und habt bei sechs Siegen nur das Spiel gegen Alzenau verloren. Diese Bilanz macht doch ein breites Kreuz, oder?

Kassa: Zu Hause mit unserem Publikum im Rücken sind wir schwer zu schlagen. Wenn wir, wie gesagt, einfach spielen.

O|N: Zu Dir persönlich. Angenommen, jemand kennt Dich nicht - was in Osthessen fast unmöglich ist: Erkläre uns und den Osthessen|News-Lesern Deine Art, zu spielen. 

Kassa: (lacht wieder mal) Ich kann mich gar nicht so gut selbst beschreiben. Ich bin halt ein Spieler, der gerne ins Dribbling geht. Der immer das Eins-gegen-eins sucht. 

O|N: Einmal mit der Schulter zucken, oder auch nicht. Du fintierst, verlierst aber keine Geschwindigkeit. Im Gegenteil: Du explodierst, wenn Du aus dieser Bewegung rausgehst. Und weg bist Du für den oder die Gegenspieler. Ist es so?

Kassa: (lacht wieder) Eine sehr gute Frage. Das ist halt meine Natur. Ich kann nicht sagen, wie ich das mache. Guck Dir es doch am Samstag an. 

O|N: Wegen Spielertypen wie Dir kommen die Leute auf den Sportplatz. Denkst Du manchmal darüber nach?

Kassa: Nein, da hab' ich noch nicht drüber nachgedacht. Und ich habe es noch nicht gehört. Ich denke immer, dass die kommen, um den HSV zu gucken. Fußball ist ein Mannschaftssport.

O|N: Warum bist Du damals eigentlich nach Hünfeld gewechselt? Und wie lautet Dein Fazit nach fast eineinhalb Jahren?

Kassa: Ich hatte sehr gute Gespräche mit dem Abteilungsleiter Mario Rohde. Der Verein hat sich sehr bemüht und gekümmert um mich. Sie haben mir Zeit gelassen für die Entscheidung. Ich wollte auf jeden Fall in der Region bleiben und hatte einige andere Angebote. Ich habe mich für Hünfeld entschieden, weil es ein sehr familiär geführter Verein ist. Ich fühle mich gut und wohl hier. Auch, weil mir alle vertraut haben. Sie haben mich sehr gut aufgenommen. Ob Trainer. Oder Spieler. Oder Mario Rohde. Die Spieler vertrauen mir. Der Trainer vertraut mir. Das ist sehr wichtig für mich.

O|N: Ist die Hessenliga die passende Liga für Dich? Da hast Du ja auch zwei Jahre bei der SG Barockstadt gespielt ...

Kassa: Jeder will doch mal höher spielen. Aber momentan ist die Hessenliga die richtige Adresse. Bis jetzt habe ich mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht. 

O|N: Verfolgst Du die Entwicklung bei der SGB noch?

Kassa: Auf jeden Fall. Ich finde das richtig gut, was die jetzt machen. Ihre Entwicklung ist richtig gut. Ich hab' da immer mein Bestes gegeben. In meinem zweiten Jahr sind wir ja Hessenmeister geworden und aufgestiegen. 

O|N: Am Mittwoch fährst Du nach München zur Champions League. Mit wem? Und wann geht's los?

Kassa: Mit Ferhat Yildiz. Um zwölf Uhr ist Abfahrt. Mit Ferhats Bruder und einem seiner Kumpel. Ja, ich bin FC Bayern-Fan. Seit 2012. Dem verlorenen Champions-League-Finale gegen Chelsea. Didier Drogba hatte damals ja durch ein Kopfballtor in der 90. Minute ausgeglichen. Und ein Jahr später sind die Bayern ja Champions-League-Sieger geworden. In London. Im Endspiel gegen Dortmund. Doch mein Lieblings-Verein ist noch ein anderer ...

O|N: Welcher?

Kassa: Der FC Arsenal. Das ist durch meinen Vater gekommen. Als ich Kleinkind war, hat er sich jedes Arsenal-Spiel angeguckt. 

O|N: Die mischen ja in der Premier League seit letztem Jahr vorne mit ...

Kassa: Ja. Letztes Jahr waren wir gut. Jetzt ist es gut, dass wir in der Champions League spielen. Da sind wir im Moment Erster ... (wk)


Lesen Sie im morgigen zweiten Teil, wie Jemal Kassa das Leben in seiner Heimat Eritrea empfand. Wie er dort früher selbst kickte. Und nicht zuletzt, woher sein Spitz- und Rufname "Jemo" kommt ... +++

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