OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (44)

Mike Gaul: Im Vulkan ist auch mit 55 das Feuer noch lange nicht erloschen

Mittendrin in Osthessen: Mike Gaul
Fotos: Finn Rasner

01.03.2023 / OSTHESSEN - Wer kennt ihn in Osthessen nicht? Einer, der als Vulkan an der Seitenlinie durchgeht - als bunter Hund und Kulttrainer. Dessen 652 Einwohner wissen, was sie an ihm haben - Jugendliche des DFB-Stützpunktes Marborn genauso. Gemeint ist Mike Gaul (55), derzeit Coach des Gruppenliga-Spitzenteams SG Schlüchtern. Im Sommer wechselt er zum Verbandsligisten SV Flieden. Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch verrät er, was er in Schlüchtern und Flieden vorhat - und warum er nicht Ortsvorsteher in Bellings wurde. In die Unterhaltung grätscht auch sein Sohn Luca. 



Im 
O|N-Sportgespräch lassen wir immer Menschen aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 44 der Serie.

O|N: Stichwort Vulkan: Brennt das Fußball-Feuer immer noch in Dir?

Mike Gaul: Wenn das nicht so wäre, würde ich aufhören. Wenn man etwas macht, muss man davon überzeugt sein. 

Angenommen, jemand kennt den Menschen Mike Gaul nicht, wie würdest Du ihn beschreiben?

Gaul: Ich bin so, wie ich bin. Und ich kann es nicht anders machen. Ich versuche, auf dieser Linie zu bleiben. Das spüren die, die ich mitnehmen möchte. Ich freue mich immer auf die nächste Aufgabe. 

Eine Art Menschenfänger?

Gaul: Nein. Aber wie das ab und zu mal ist, wenn du auch abseits des Fußballs engagiert bist. Das hat jedenfalls Jürgen Schmidt, unser Ortsvorsteher in Bellings, mal gesagt. Das Schöne an solch einem Ort ist ja: Man gibt - und man nimmt auch. Zum Beispiel, wenn mal eine Ziegel verrutscht oder das Auto nicht anspringt, habe ich kurze Wege. Aber ich gebe auch. Ich habe wenig Zeit, aber wenn mich einer fragt, kannst du mal helfen - dann helfe ich. Oder, wenn ich bei meiner Nachbarin, die etwas älter ist, nur den Rasen mähe. Das sind Kleinigkeiten, aber die werden großgeschrieben.

Wir möchten uns noch einmal dem Menschen Mike Gaul widmen und ihn skizzieren. Wie fällt der Umriss aus?

Gaul: Natürlich sollen schon Andere über mich entscheiden. Aber ich bin ehrlich. Ich bin kein Dompteur. Zum Beispiel als Trainer in der Spielvorbereitung. Da liegt man ja auch mal falsch und dann soll man schon ehrlich sein und sich fragen, ob man das richtig gemacht hat. Man lernt nie aus. 

Was hast Du noch vor mit der SG Schlüchtern?

Gaul: Eine saubere Rückrunde spielen. Wir sind mittendrin statt nur dabei. Wir hatten drei Vorbereitungsspiele, aus denen wir mit einem guten Gefühl rausgegangen sind. Rein körperlich sind wir präsent. 

Zum Auftakt triffst du am kommenden Sonntag gleich auf Deinen Neffen Marco. Wie oft seid ihr eigentlich schon aufeinander getroffen?

Gaul: Nur einmal: in der Vorrunde dieser Saison beim 3:3. Marco hat ein Elfmeter-Tor gemacht ...

Was hast Du in diesem Moment gedacht?

Gaul: Hoffentlich verschießt er. Das war das Tor zum 3:1. Aber es ist ja noch gut ausgegangen für uns. Lars Jordan hat das 2:3 geschossen - und Noah Berkel in der 95. Minute den 3:3-Ausgleich. 

Aber Dein Verhältnis zu Marco ist okay?

Gaul: Ja, wir haben ein gutes Verhältnis. Wir treffen uns oft zu einer kurzen Spielersitzung mit ein oder zwei Bierchen. 

Gibt es Momente, in denen in der Familie Gaul nicht über Fußball gesprochen wird?

Gaul: (lacht) Sonntagabends, wenn Rosamunde Pilcher im Fernsehen läuft. 

Schlüchterns zweiter Gegner zu Beginn der Restrunde ist die SG Freiensteinau. Schlagen da nicht zwei Herzen in Deiner Brust? Wie sind die Chancen?

Gaul: Das ist auf Messers Schneide. Die können nicht vergessen haben, dass wir beim Spiel in der Vorrunde (Schlüchtern gewann in Freiensteinau 3:2) so lange geblieben sind. Wir haben Bier getrunken, und ein paar unangenehme Worte sind gefallen. Die stecken noch drin. Doch das macht den Fußball aus. Als ich jetzt beim Fasching war, hat's schon geklimpert. 

Zu Deinem neuen Job beim SV Flieden. Dort trainierst Du Deinen Sohn Luca. Holen wir ihn ins Boot.

Luca, wie fühlt es sich an, unter seinem Vater zu trainieren?

Luca Gaul: Grundsätzlich kann ich das so noch gar nicht sagen. Ich gehe erstmal so normal ins Training - wie sonst auch. Klar ist das ein bisschen 'ne Besonderheit. Ich lege den Fokus rein aufs Sportliche. 

Du befindest Dich nach dem Kreuzbandriss noch in der Reha in Bad Kissingen. Möchtest Du diesen Werdegang und auch den in der Jugend nicht mal kurz schildern?

Luca Gaul: Bis zur D-Jugend habe ich in Bellings gespielt, dann in Alzenau, in der B-Jugend bei Kickers Offenbach und in der A-Jugend bei Viktoria Fulda (Trainer Damir Agovic und Sebastian Vollmer). Meine erste OP war am 8. September 2021 - Kreuzband, Innenmeniskus und Knorpelschaden. Die zweite im Februar 2022 - Narben hatten die Streckung blockiert, das Gewebe musste geglättet werden. Die Sommervorbereitung hatte ich mitgemacht in Flieden, auch zehn Spiele in der Hinrunde gemacht - bis ich vor ein paar Wochen nochmal unters Messer musste. Eine Arthroskopie stand an, der Knorpel war wieder beschädigt.

Wann kannst Du wieder einsteigen?

Luca Gaul: Schwer zu sagen. Ich hoffe, dass die Reha gut verläuft. Körperlich fehlt mir nicht viel. Sollte alles glatt verlaufen, in den nächsten drei oder vier Wochen vielleicht.

Wie würdest Du Deinen Vater charakterisieren?

Luca Gaul: Sehr ehrgeizig. Zielstrebig. Offen und ehrlich. Man kann sich auf ihn verlassen. Er steht zu seinem Wort.

Mike Gaul meldet sich wieder. Zunächst urteilt er über seinen Sohn. "Luc ist ein Mega-Charakter. Kann er mal nicht trainieren, ist er nicht daheim, sondern bei der Mannschaft. Er guckt zu im Training. Ob es regnet oder schneit. Ein absoluter Teamplayer.

Zum SV Flieden. Mike, was reizt Dich so? Warum hast Du zugesagt?

Gaul: Für mich ist es ein Wunsch. Natürlich reizt mich auch die Liga. Es ist ein neuer Step für mich - über die Region hinaus. Ich freue mich mega. 

Im Süden der Region gibt es mit der SG Bad Soden und dem SV Flieden zwei große Adressen. Jeder mit Ambition muss da mal Trainer gewesen sein, oder?

Gaul: Wenn man die in der Vita hat, ist es schön. Aber das muss man sich auch erarbeiten. In Flieden sind ja immer auch Zuschauer. Die stehen hinter der Mannschaft. Da hat man es als Trainer gut. Eine schwere Aufgabe ist es schon, da es in der Mannschaft einen gewissen Umbruch gibt. Der Verein bastelt, um wieder eine gute Mannschaft zusammenzustellen. Die haben alle noch was im Tank. Es wäre auch schön, wenn ich bei Fabian Schaub noch ein Stück vom Kuchen abhaben könnte. Da muss aber auch sein Knöchel mitspielen. Wenn du eineinhalb Jahre fast gar nicht gespielt hast ...

Du hast nicht nur im Fußball, sondern auch in der Gesellschaft einen Namen in Osthessen. Wer kennt Dich eigentlich nicht?

Gaul: ich weiß nicht. Aber meine Frau sagt immer: mit Dir über den Kalten Markt zu gehen - das ist schwierig. Entweder man kommt nicht vorwärts - oder man bleibt stehen, weil Dich alle kennen. 

Zum DFB-Stützpunkt der Region Süd in Marborn und Freiensteinau. Du bist seit mehr als 20 Jahren da. Warum klappt das da so gut?

Gaul: Wir sind ein Super-Team. Mit Stefan Dresel, Kevin Steudter, Lothar Sorg und Helmut Wenger als Urgestein (ein Top-Typ). Frank Uffelmann, von der ersten Stunde an dabei, ist ja vor eineinhalb Jahren leider verstorben. Ein Schlüssel ist bestimmt, dass gegenseitige Achtung und Identifikation da ist. In fast jeder Mannschaft der Region ist ein Spieler vertreten, der mal im Stützpunkt war. Die Wege kreuzen sich immer wieder. Das ist einfach schön, wenn die vor dem Spiel auf Dich zukommen und Dich drücken. Oder nachher bei einer Bierlänge. Das hält einen auch jung. 

Und der Stützpunkt Süd ist oft in der Lage, den aus Fulda herauszufordern ...

Gaul: (Wieder leuchten seine Augen) Ja. Erst in den letzten Vergleichsspielen waren wir zweimal Erster. Für mich ist das Brisanz. 

Was müsste in den Stützpunkten verbessert werden? Wird seitens des DFB nicht zu sehr in die Spitze gefördert? Gibt es noch genügend Talente - in der Breite und in der Spitze?

Gaul: Die gibt es. Wobei es für uns als Trainer echt schwierig ist. Wir gucken auf vielen Sportplätzen. Du sichtest und versuchst zu fördern. Doch wir brauchen auch Spieler für die zweite Mannschaft. Und die, die auch später mal ein Würstchen verkaufen. Oder falls die Spieler wieder nach Hause gehen - dass sie dann für ihren Heimatverein was bewirken. 

Wird es für die, die Fußballtrainer werden wollen - sofern es die noch gibt - nicht immer schwieriger und kostspieliger, eine Lizenz zu erwerben?

Gaul: Ja, da sollte sich Frankfurt (der Hessische Fußballverband) was überlegen, dass Trainer mehr gefördert werden. 14 Tage Urlaub, 1.000 Euro und und und an Kosten - das ist zu viel. Dass es nach oben nicht unterstützt wird, schreckt ab. 

Wie lange bist Du eigentlich im Fußballgeschäft? Welche Highlights gab es?

Gaul: 51 Jahre stecken in mir. Bei jedem Verein gab es was Positives. Wenn ich da an die Theke gehe, kann ich meinen Geldbeutel stecken lassen. Das ist jedesmal ein schönes Erlebnis, wenn ich mit den Leuten zusammenkomme. Auch mit Älteren. Den Kassierern oder sonst wem. Das ist Wertschätzung für die. Die leisten Arbeit, die man nicht sieht. Zum Beispiel in Züntersbach. Ich hab' mich zu den Leuten an den Tisch gesetzt, die das Sportheim gebaut haben. Die haben sich gewundert und gefreut, dass der Trainer kommt. Wenn du mit denen sprichst, spüren die Aufmerksamkeit. Später kam der 1. Vorsitzende Willi Hüfner zu mir und meinte: Das hast du klasse gemacht. Für mich war das nichts Besonderes. Ich wusste: Das gehört dazu.

Zum Abschluss: Solltest Du nicht doch schon Mal Ortsvorsteher werden in Belligs?

Gaul: Die haben da in Jürgen Schmidt einen sehr guten. Ich bin froh, dass wir ihn haben. Ich sollte in den Ortsbeirat gehen, das wurde ich schon immer mal gefragt. Ich spüre: Das ist mein Ort und ich will da auch helfen. Ich habe aber wenig Zeitfenster, noch was anderes zu machen. (wk)

Mike, vielen Dank für das Gespräch. 

Zur Person

MIKE GAUL (55) 
wurde in Bellings geboren, wohnt auch dort und ist mit Sonja verheiratet. Ihre beiden Kinder sind Laura (28), die noch vor Kurzem für die Frauen des Hessenligisten Lütter spielte, und Luca (26). "Sonny reitet. Sie hat ein Pferd. Das ist unser drittes Kind", sagt Mike Gaul eher liebevoll. Es ist Pferd Nummer zwei. Mike Gaul arbeitet in einer Reha-Klinik in Bad Soden-Salmünster. 
Der Bellingser fing schon als Vierjähriger an zu kicken. Seine Stationen als Trainer: FV Bellings (elf Jahre Spielertrainer), SV Mittekalbach (drei Jahre), SG Oberzell/Züntersbach (fünf Jahre), FV Steinau (drei Jahre), SG Schlüchtern (es werden zwei) - und ab Sommer ist es der SV Flieden. +++



























OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch - weitere Artikel

↓↓ alle 103 Artikel anzeigen ↓↓

X