OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (30)

Schäfer, Stuckhardt, Herget: Drei Größen des Ausdauersports in Osthessen

Drei in einem Boot: Johannes Schäfer, Thomas Herget und Philipp Stuckhardt (von links)
Fotos: Marius Auth

01.12.2022 / FULDA - Dieses Mal waren beim OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch drei Personen zu Gast. Die Rede ist von Radsportler Johannes Schäfer aus Lauterbach sowie den Läufern Philipp Stuckhardt aus der Nähe Bad Hersfelds und Thomas Herget aus Fulda. Es ist auch ein Miteinander der Generationen: Schäfer wird am morgigen Freitag 26, Stuckhardt ist 30 - Herget 55. Hier äußern sie sich zu selbst organisiertem Training, zu Höhepunkten des Jahres 2022 - und zur Heimat-Verbundenheit, der Identifikation zur osthessischen Region.


Im O|N-Sportgespräch lassen wir immer Menschen aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 31 der Serie.

O|N: Was verbindet euch? Was eint euch?

Herget: Die Berge natürlich. Auch wenn ich am Fränkischen Jurasteig in Bayern schon mal 11.000 Höhenmeter absolviert habe, kann ich mit meinen beiden Gesprächspartnern wohl nicht so ganz konkurrieren ...

Stuckhardt: Es ist einfach die Lust am Sport. Freude zu empfinden, Leid zu ertragen. Und an die Grenzen zu gehen. Zu den Bergen: Sie ziehen die Menschen von Natur aus immer wieder in den Bann. Wenn man als Sportler zum Beispiel 1.800 Meter hoch laufen müsste, ist das eine Herausforderung - und gleichzeitig hat das mit Wettkampf zu tun. Es ist eine Mischung aus Natur und Berg. Es ist eine Faszination. Nicht vom Menschen gebaut. Es ist Natur pur.

Schäfer: Jeder Berg ist ein Erlebnis. Eine Freude. Im Training wirkt es oft entschleunigend. Im Wettkampf ist ein Berg einmal Leiden pur. Im Endeffekt quält sich jeder. Ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann. Man hat es aus eigener Kraft geschafft.

Philipp, du hast am letzten Wochenende an der Deutschen Meisterschaft im Crosslauf in Löningen teilgenommen ...

Stuckhardt: Ja. Ich habe es für die Mannschaft gemacht. Und es hat zu Bronze gereicht. Mein Ziel war, das Team zu unterstützen. Und nicht, im Einzel etwas zu reißen für den SSC Hanau-Rodenbach.

Stichwort Training. Johannes und Philipp, man kann euch als Autodidakten bezeichnen in der Trainingsplanung und -steuerung, oder?

Schäfer: Man ahnt nicht, wie komplex es ist. Aber man wächst da rein. Und dann kommt einem alles selbstverständlich und einfach vor. Es ist schwer, den passenden Trainer zu finden, vor allem muss es auch zwischenmenschlich passen. Vor einem halben Jahr habe ich meinen jetzigen Trainer kennengelernt. Das passt sehr gut. Wir arbeiten seit Anfang November zusammen. Ich glaube, ich kann in diesem Bereich ohne Unterstützung nicht so gut vorankommen. Bergrennen sind so speziell. Einer, der mir die Unterstützung abnimmt, ist eine Bereicherung.

Stuckhardt: Im Ausdauersport musst du viel selbst agieren. Alles, was du bist und erreichen willst - du musst dich selbst motivieren. Die jetzige Jahreszeit ist deshalb eine schwierige Zeit. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich den Winter überstanden habe.

Bei so viel Trainingsaufwand: Habt ihr das Gefühl, etwas zu verpasst zu haben im Leben - oder was musstet ihr hinten anstelle, wo Verzicht üben?

Stuckhardt: Das kommt irgendwann automatisch, wenn du dich entscheiden musst, deine größte Zeit in den Sport zu investieren. Ich sage jetzt für mich - ich bin mittlerweile 30 - meine Entscheidung war richtig. Früher habe ich durchaus Freizeit wahrgenommen, mich mit Freunden getroffen oder auch mal Party gemacht. Dann war es für mich auch in Ordnung. Ich habe aber gesagt, der Sport ist mir wichtiger, als mir die Nächte um die Ohren zu schlagen. Andererseits habe ich viele Freunde durch den Sport kennengelernt.

Herget: Ich würde bei mir nie von Verzicht sprechen. Selbst vor Wettkämpfen habe ich Party gemacht. Und auch wenn ich mal was getrunken habe, bei Wettkämpfen hat mir das nie geschadet.

Schäfer: Alles in Maßen. Ich habe eine Saisonphase, in der ich alles machen kann. Und auch sonst ist es viel schöner, sich auf was zu freuen, was man sonst nicht so häufig macht.

Hat sich im Training eigentlich was geändert im Laufe der Jahre?

Herget: Das ist sowieso individuell.

Schäfer: Es gibt so viele Trainingsmethoden, da verliert man schnell den Überblick. Mittlerweile ist es aber wesentlich leichter, sich entsprechendes Wissen anzueignen. Im Internet findet man heutzutage alles, was man braucht. Dadurch vermeidet man Fehler, die man früher unbewusst gemacht hat.

Wie lasst ihr das Jahr 2022 ausklingen?

Schäfer: Die neue Saison beginnt gerade jetzt. Hier legt man das Fundament fürs neue Jahr.

Stuckhardt: Jetzt sind wir noch in der Ruhephase. Dauerläufe und Athletiktraining stehen an. Auch mal über 30 Kilometer, aber dann ganz locker.

Was waren eure Höhepunkte des Jahres 2022?

Schäfer: Zunächst wollte ich im Mai eine gute Form haben. Und in diesen Monat fiel ja auch in Luxemburg die Quali für die WM im September. Natürlich war der Ötztaler - die inoffizielle WM für Bergmarathon-Rennen - mein großer Höhepunkt. Das war Ende August. Und dann kam die WM.

Stuckhardt: Ich habe mich erstmal gefreut, dass ich wieder gut durchstarten konnte; mein Puls war nicht in Ordnung. Als alles beim Alten war, war ich schon erleichtert. In diesem Jahr habe ich mich erstmals auf Bergläufe konzentriert. Der Trail-Lauf in Grindelwald war top. Natürlich auch die WM im Trail- oder Berglauf nahe Innsbruck im Juni. Bisher habe ich ja erst sechs Bergläufe bestritten - habe aber vom Bundestrainer die Perspektive aufgezeigt bekommen für die WM im nächsten Jahr. Im März und April sind zwei Läufe, in denen ich mich qualifizieren muss.

Herget: Mein Höhpeunkt war natürlich der "Swiss Marathon", der Lauf durch die Schweiz. Für mich war es eher ein Urlaubslauf. Meine Knie sind kaputt, ich trainiere nur noch einmal pro Woche.

Was liegt in 2023 an?

Schäfer: Das nächste Jahr gilt bei mir als Aufbau für die darauf folgenden Jahre. Mit meinem Trainer will ich eine sehr gute Ausgangslage und Plattform erarbeiten. Der Ötztaler wird in jedem Jahr ein Höhepunkt. Auch der German Cycling Cup zählt dazu, eine Etappenserie, die oim April in Göttingen beginnt und am 3. Oktober in Münster endet. In ungefähr zehn Rennen kann man da Punkte sammeln.

Herget: Seitdem es in Fulda keinen Marathon mehr gibt, reizt mich das auch nicht mehr.

Beim Hersfelder Lollslauf gibt es auch keinen Marathon ...

Stuckhardt: Ja, man will halt von allem etwas haben. Ich freue mich aber, dass sich der Laufsport so toll entwickelt hat. In jedem Städtchen gibt es mittlerweile einen Lauf. Der Ausdauersport im Allgemeinen - auch Tritahlon oder anderes - kommt immer mehr auf. Berglauf früher? Nichts. Die Trail-Läufe verzeichnen großen Zulauf. Die Lust zu laufen ist da. Keine Frage.

Schäfer: Auch der Radsport boomt. Es wird viel geboten.

Stichwort Heimat-Verbundenheit. Oder lokale Identität. Was bedeutet euch das?

Schäfer: Ich fühle mich wohl hier. Die Umgebung ist ein Paradies. Wir haben die Rhön. Den Vogelsberg. Das Rotkäppchen-Land. Einfach viele schöne Gegenden, in denen man trainieren kann und es nicht langweilig wird. Und Lauterbach und Fulda sind zwei kleine Städte, in denen man sich einfach nur wohlfühlt.

Stuckhardt: Heimat ist Heimat. Wenn man heimkommt, merkt man erst, wie schön es hier ist. Beim Lollslauf mache ich mit, seitdem ich 16 bin. Heimat ist ein Ort, an und in dem man sich gut fühlt und gerne ist. Wo man aufgewachsen ist. Und man sich Kraft holt. "Wehrda rennt" ist zum Beispiel ein typischer Heimatlauf. Die Leute kommen auf dich zu und fragen, wie es dir geht. Beim Trail in Hilders habe ich viele Läufer getroffen, die früher am Rhön-Super-Lauf teilgenommen haben. Die habe ich nach vielen Jahren wieder mal gesehen.

Herget: Der Aspekt von Läufen in der Region ist wichtig. An der Strecke trifft und sieht man halt viele, die man kennt. Auch beim Marathon in Frankfurt sind immer viele Fuldaer.

Wie lauten Pläne und Ziele in eurer Entwicklung?

Schäfer: Natürlich habe ich Ziele. Große und auch kleine Ziele. Die kleinen sind wichtig, um dem großen Ziel ein Stück näher zu kommen. Das Wictigste hierbei ist, die Realität nicht aus dem Auge zu verlieren. Ich werde den Leistungssport aber nur solange machen, bis ich merke, ich komme nicht mehr weiter. Dann werde ich auf jeden Fall mit dem Kapitel abschließen und es ruhiger angehen lassen. Da bin ich relativ entspannt.

Stuckhardt: Ich habe bestimmte Ziele im Kopf. Die realistisch sind, ich aber hier und jetzt nicht ausspreche. Klar ist: Man lebt nur einmal. Entweder ich erreiche die Stufen meiner Entwicklung. Oder ich erreiche sie nicht. Ich gebe alles. Aber mein Leben hängt nicht davon ab. Schließlich ist es meine Leidenschaft. Mein Hobby. Lockerheit finde ich ganz wichtig im Sport. Wenn das Gefühl "man muss" zu stark wird, dann funktioniert es nicht. Ohnehin lernt man aus den Wettkämpfen, in denen es nicht so läuft, mehr. Auch wenn man das vielleicht zehn Tage lang verarbeiten muss.

Herget: Langfristige Ziele habe ich immer den kurzfristigen vorgezogen. Meine 1500-Meter-Bestzeit steht immer noch bei 15 Minuten und 12 Sekunden. Mein Ziel war immer, mal unter 15 zu laufen. Und ich habe alle Strecken - von 800 Meter bis zum Marathon, inklusive Spezialstrecken wie Hindernisrennen - durch. Ich wollte mal laufen, bis ich 70 bin.

Abschließend die Frage zur Gesundheit. Welche Probleme hatten meine Gäste?

Schäfer: Langfristig bisher zum Glück keine. Auch keine Knochenbrüche. Ich musste mal zwei Monate paussieren. Da muss man seinem Körper dann einfach auch mal die Ruhe gönnen, die er braucht.

Stuckhardt: Toi, toi, toi. Hoffentlich bleibt es so, dass die Muskeln und Sehnen noch ein bisschen mitmachen. Und es mir gelingt, auf die Signale des Körpers zu hören. Manchmal ist es besser, ein paar Tage zu pausieren. Wenn das Herz nicht mehr das macht, was es soll, ist es nicht schön. Jeden kleinsten Infekt sollte man auskurieren. Das Herz merkt sich alles.

Herget: Was die Gesundheit betrifft, bin ich relativ günstig durchgekommen. Ab 2011 lief aber nichts mehr vernünftig. Da hatte ich Achillessehnenprobleme, und ich konnte kein Tempo mehr machen. (wk) +++

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