TSG Lütter-Coach im Sportgespräch

Jürgen Auth: "Wenn man die Emotionen versteckt, ist man ein schlechter Trainer"

Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch plaudert der TSG-Trainer aus dem Nähkästchen.
Foto: Marvin Myketin

29.09.2025 / FULDA - Jürgen Auth und Julian Treidler bilden gemeinsam das Trainer-Duo der TSG Lütter. Wir haben mit einem Teil des Trainerteams gesprochen. Jürgen Auth war exklusiv zu einem Sportgespräch bei OSTHESSEN|NEWS eingeladen. Wir haben ihn zu seiner persönlichen Karriere, seiner Einschätzung des Potenzials im Frauenfußball und den konkreten Zielen mit der Hessenliga Mannschaft TSG Lütter interviewt.



Was der 51-jährige Polizist im Schichtdienst über seine Rolle als Trainer der Damenmannschaft von Lütter erzählt - und wie sich diese Tätigkeit mit seinem früheren Einsatz in deutschen Fußballstadien überschneidet - ist durchaus spannend. Doch beginnen wir von vorn.

"Zum Traineramt kam ich eigentlich nur durch Zufall"

Der gebürtige Fuldaer spielte früher selbst Fußball, musste jedoch aufgrund seines Berufs bei der Bereitschaftspolizei mit dem Sport aufhören. Abgesehen von seinen beruflichen Einsätzen Woche für Woche in den hessischen Fußballstadien hatte er zunächst keinen Bezug mehr zum Fußballsport.

Ins Fußballgeschäft fand der 51-Jährige schließlich über seine Frau, die selbst aktiv spielte. Seine Trainerkarriere begann also bei dem Verein, für den seine Frau auflief, dem Kreisoberligisten TSV Bachrain. Er selbst sagte: "Zum Fußballtrainer kam ich wie die Jungfrau zum Kind." Zwei Jahre sollte dieses Kapitel dauern, bis er zum Ende der Hinrunde 23/24 sein Traineramt niederlegte - "Wegen privaten Gründen" und zu wenig Zeit für die Familie. Ein halbes Jahr pausierte der Trainer vollständig.

Bis ihn schließlich die TSG Lütter kontaktierte. Die beiden Partien kamen über gemeinsame Kontakte ins Gespräch. Dazu erzählte uns Auth eine amüsante Anekdote: "Zu Beginn der lockeren Gespräche dachte ich, es gehe um die zweite Mannschaft und ich merkte, wie es schon wieder in den Fingern kribbelte. Stets den Gedanken im Hinterkopf, warum ich seinerzeit das Traineramt niederlegte." Bei einem weiteren Treffen fragte der Autobahnpolizist aus "persönlichem Interesse ein wenig tiefer bezüglich der Rahmenbedingungen nach". Der Vorstand sagte dann zu ihm: "Jürgen, wir reden hier die ganze Zeit schon von der ersten Mannschaft."

Diese einmalige sportliche Chance, eine traditionelle Hessenligamannschaft zu trainieren, wollte er sich nicht entgehen lassen - und machte den Job. Seit der laufenden Saison steht Auth nun an der Seitenlinie - diese begann schon vielversprechend, dazu jedoch später mehr.

"Als Trainer lege ich einen großen Wert auf Teamchemie und Kommunikation"

Seinen Trainerstil beschreibt der Fuldaer als sehr intensiv: "Wenn man ein Ziel vor Augen hat, kann man mehr als 100 Prozent geben. Genau das versuche ich zu erreichen - motiviert zu sein und für Ziele alles zu geben." Gegenüber O|N erklärt er weiter: "Wille, Leidenschaft und Emotionen fordere ich von der Mannschaft ein - ich lebe es ihnen schließlich auch vor." Dazu erklärt er noch: "Ich sehe mich aber nicht als Anführer - sondern mehr als ein Teil der Mannschaft."
Wenn sie gewinnen, ist es nicht "sein Sieg", sondern viel mehr ein Mannschaftssieg, auch derjenigen, die an dem Tag nicht auf dem Platz standen.

"Wenn man die Emotionen versteckt, ist man ein schlechter Trainer", so Jürgen Auth. Er ist der Meinung, dass die Spielerinnen nur dann mit den Emotionen auf dem Platz kämpfen können, wenn auch der Trainer während der Spiele emotional ist. Gleichzeitig legt er großen Wert darauf, dass sich niemand im Team unwohl fühlt: "Wenn eine Spielerin ein Problem mit mir oder mit jemandem aus der Mannschaft hat, soll sie zu mir kommen. Wir klären das - damit es keine negativen Folgen auf den Teamerfolg gibt.

Frauenfußball im Fokus

Im Allgemeinen sieht Jürgen Auth ein großes Potenzial im Frauenfußball: "Frauenfußball steckt noch in der Entwicklung. Dort steckt noch viel Potenzial." Er glaubt zwar, dass der Frauenfußball den Männerfußball niemals einholen kann: "Denn dieser hat einfach eine längere Tradition." Trotzdem ist er überzeugt, dass sich der Frauenfußball noch deutlich weiterentwickeln kann.

"Mich beeindruckt der Einsatz und die Leidenschaft der Mädels. Es gibt Spielerinnen, die in Fahrgemeinschaften 45 Minuten zum Training fahren, ohne auch nur einen Euro für ihren Einsatz Woche für Woche zu erhalten", freut sich der Trainer. "Das zeigt uns als Trainerteam, dass wir einiges richtig machen." Dazu sagt Trainer Auth: "Besonders schätze ich, dass Frauen neue Trainingsinhalte aufsaugen wie ein Schwamm und diese sofort auf dem Platz umsetzen wollen."

Weiter sagt er: "Der größte Unterschied zum Männerfußball ist die physische Komponente. Taktisch und technisch nimmt es sich nicht so viel." Obwohl man da unterscheiden muss: "Bei einem langsameren, körperlich weniger intensiven Spiel hat man mehr Zeit, um taktische Abläufe zu verstehen und technische Fähigkeiten umzusetzen. Man steht weniger unter Druck, weil das Spiel langsamer ist als bei den Männern."

"Wir wollen uns langfristig oben festbeißen"

Auf die Frage nach dem Saisonziel antwortet der gebürtige Fuldaer: "Wir wollen uns langfristig im oberen Tabellendrittel festbeißen." Die TSG Lütter spielt bereits in ihrer siebten Saison in der Hessenliga - und gilt damit als fester Bestandteil der Liga.

Ergänzend meint er: "Es ist natürlich außergewöhnlich, dass drei Teams aus Fulda und Umgebung in der Hessenliga spielen - wir wären jedoch gerne das Team, das aus Fulda am besten abschneidet." Falls das aber nicht gelingt: "Dann gratulieren wir natürlich auch dem besseren Team – das fordert alleine schon der Respekt und der sportliche Gedanke."

Nach dem gelungenen Saisonstart mit zehn Punkten aus vier Spielen will die Mannschaft diesen Kurs natürlich fortsetzen. Aktuell ist die TSG Lütter auf Rang zwei der Tabelle - das kann sich auf jeden Fall sehen lassen.

"Wenn es losgeht, bin ich im Tunnel"

Wenn es für Jürgen Auth ernst wird, kennt er nur den Tunnelblick: "Dann bin ich voll im Spiel und konzentriere mich komplett auf die Mannschaft." Für ihn steht der Einsatz an oberster Stelle - und genau diesen verlangt er auch von seinen Spielerinnen. "Wenn ich sehe, dass die Mädels alles geben, dann ist das für mich das größte Erfolgserlebnis."

Der Fuldaer genießt es, Verantwortung zu übernehmen und Einfluss auf eine ganze Gruppe zu haben: "Mir macht es Freude, etwas zu bewegen und Entwicklungen sichtbar zu machen." Genau das treibt ihn Woche für Woche an, an der Seitenlinie alles zu geben. Sein Ziel: nicht nur kurzfristige Ergebnisse, sondern eine nachhaltige Entwicklung der Spielerinnen. "Es ist schön zu sehen, wenn das, was wir trainieren, im Spiel greift und umgesetzt wird."

Langfristig möchte er mit Lütter im Frauenfußball eine feste Größe bleiben und die Sportart in der Region weiter nach vorne bringen: "Es wird vermutlich niemals so werden wie beim Herrenfußball, aber wir können die Begeisterung steigern und noch viel erreichen, daran arbeiten wir Woche für Woche." (Nicolas Kraus)+++

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