OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (95)

Florian Günther und Dennis Hohmann: die Retter der SG Kerzell - Pool-Party

Schafften mit der SG Kerzell den Klassenerhalt: Dennis Hohmann (links) und Florian Günther
Fotos: Finn Rasner

14.06.2024 / FULDA - Das OSTHESSENlNEWS-Sportgespräch bietet dieses Mal spezielle Gäste. Der Eine hat seinem Verein für die letzten sieben Spiele der Saison ausgeholfen, der Andere für vier. Für beide war ihr Engagement eine Herzensangelegenheit - und die gipfelte im Klassenerhalt der Gruppenliga, den ihr Team durch einen Sieg im Finale gegen die SG Sickels in Bronnzell Wirklichkeit werden ließ. Die Rede ist von Trainer-Rückkehrer Florian Günther (47) und von Keeper Dennis Hohmann (43), der Elfmeter um Elfmeter hielt. Ihre kleinen Geschichten fühlen sich an wie ein Stoff, aus dem Märchen gestrickt sind.


Im OlN-Sportgespräch lassen wir immer Menschen aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 95 der Serie. 

O|N: Die Nachricht war erst wenige Stunden alt, als Markus Pflanz als erster Fußball-Trainer in Osthessen die UEFA Pro Lizenz erworben hatte. Hattest Du nicht mal einen besonderen Treffpunkt mit Markus Pflanz, Dennis?

Dennis Hohmann (antwortet fast wie aus der Pistole geschossen): Ja, das war vor acht Jahren. Da ist Aulatal - Markus Pflanz war dort Trainer - an uns, der SG Kerzell, in der Relegation gescheitert. Wir hätten damals in Kirchheim mit einem Tor Unterschied verlieren dürfen. Wir lagen auch mit 1:2 zurück. Und Aulatal hatte in der letzten Minute noch eine Riesen-Chance - der Ball ging aber übers Tor. Ein 1:3 hätte unser Aus bedeutet. Seitdem spielt die SG Kerzell auch in der Gruppenliga. Und es war mein letztes Spiel. Eigentlich.

O|N: Wer war da Dritter im Relegations-Bunde? Damals wurde die Relegation ja noch in anderem Modus ausgetragen?

Hohmann: Der SV Müs, mit Spielertrainer Marc Friedel. Und der hat am vergangenen Samstag ja unseren Gegner Sickels gecoacht. So schließt sich quasi ein Kreis.

O|N: Du hattest schon aufgehört. Warum bist Du jetzt zurückgekommen? Wieder mal?

Hohmann: Ja, jetzt habe ich die letzten vier Saisonspiele bestritten. Und immer mal ausgeholfen in den letzten Jahren. Ich bin jetzt 43.

O|N: Und da hältst Du so mir nichts, Dir nichts einfach mal ein paar Elfmeter ... 

Hohmann: Ein bisschen Erfahrung. Ein bisschen Video-Studium. Ich wusste, wo Natsev hin schießt - beim Elfer schon nach wenigen Minuten. Ich wusste, wo Küllmer hin schießt beim 11er-Schießen. Ich wusste auch, wo die anderen hin schießen. Gegen die Elfer von Henkelmann und Eckard war nichts zu machen.

O|N: Florian, auch Du hast eine Episode für uns ...

Florian Günther: Ja, in der F- und E-Jugend hab' ich ja mal beim SV Neuhof gespielt - unter Rudi Richter. Den hab' ich vor unserem Relegations-Rückspiel in Hosenfeld an der Tanke getroffen in Neuhof. Ich hab' mich riesig gefreut. Und ich hatte von da an das Gefühl, dass wir das dann packen in Hosenfeld.

O|N: Feiert man einen über die Relegation erreichten Klassenerhalt eigentlich genauso wie einen Aufstieg? Wenn ja, wo waren denn die Feiern? Und wie lange haben die angedauert?

Günther: Das war etwas kurios. Unsere Gaststätte, unsere Vereinskneipe "Weidmannsheil", war geschlossen. Auch unser Sporthaus. Wegen einer Feier zum 60. Geburtstag. Kerzell war also zu. Wir sind dann nach Löschenrod ins Sporthaus, unsere Zweite unterhält mit der SG Löschenrod ja eine Spielgemeinschaft. Dort waren wir bis vier, halb fünf. Am anderen Morgen ging es in unserem Gasthof weiter. Und tagsüber dann bei der Feuerwehr in Kerzell. Es war schön ...

O|N: Was hat der Klassenerhalt denn für die SG Kerzell bedeutet? Welchen Wert hat er?

Günther: Wir haben ihn gefeiert wie eine Meisterschaft. Weil wir uns ihn hart erarbeitet haben. Denn die Mannschaft hat die Qualität, in der Gruppenliga zu spielen. In der Situation, in der wir uns wenige Spiele vor Ende der Runde waren, hat er uns sehr viel bedeutet. Wir hatten drei oder vier Punkte Rückstand auf Petersberg, sieben oder acht auf Neuenstein. Keiner hat mehr mit dem Klassenerhalt gerechnet. Die Mannschaft war leblos.

Hohmann: Ja, sie war tot. Ich spreche hier sicher stellvertretend für die Mannschaft. Als Florian übernommen hatte, haben alle voll mitgezogen, sich eingesetzt und in den Dienst der Mannschaft gestellt. Alle haben an einem Strang gezogen. Wir hatten dann plötzlich eine überragende Trainingsbeteiligung von 16 oder 17 Spielern. Auch unsere Routiniers Christian Kreß oder Marc Röhrig haben sich angeschlagen und verletzungsbedingt durchgeschleppt und sich für das Team hingegeben. Das Ganze war im Nachhinein so, was eine ganze Saison ausmacht - auf wenige Spiele reduziert. Es war auch eine mental anstrengende Zeit. Ich hab' so etwas noch nicht erlebt. 

O|N: Könnt Ihr die letzten Spiele nochmal im Zeitraffer schildern?

Günther: Unser drittletztes Spiel in Petersberg mussten wir ja mit drei Toren Differenz gewinnen, um auch den direkten Vergleich für uns zu entscheiden. Wir haben 4:1 gewonnen. Unser zweitletztes gegen Schlüchtern haben wir 4:0 verloren. Zum Abschluss haben wir 4:2 gegen Oberzell/Züntersbach gewonnen. 1:1, 2:2 stand es da - wäre es so geblieben, wären wir raus gewesen. Damit hatten wir die Relegation erreicht. Mit den Spielen gegen Hosenfeld und Sickels.

O|N: Was hat in diesen Spielen den Ausschlag gegeben?

Hohmann: Der wesentliche Impuls war der Trainerwechsel. Dass dann alle mitgezogen haben. Und der Zusammenhalt in der Truppe.

Günther: Ich glaube, dass die Mannschaft Emotionen gebraucht hat. Ich hab' versucht, das vorzuleben. Einzelgespräche geführt. Reingehört, wo es hakt. Dazu gehörte auch eine emotionale Ansprache vor dem Spiel. Und eine taktische Umstellung. Der 1:0-Sieg in Thalau - das erste meiner sieben Spiele - war wie ein Befreiungsschlag. Das hat Energien ins Team gespült. 

O|N: Noch einmal zum Halbfinale in Hosenfeld. Wie war das, Dennis? Wie viele Elfer hattest du da gehalten?

Hohmann: Einen in der regulären Spielzeit, und einen im Elfmeter-Schießen. Der dritte ging an den Pfosten. Tendenziell gibt es schon ein Bild und Du weißt: Der schießt dahin und der da. Auch am Anlaufverhalten kannst Du was ablesen. Außerdem war ich mit Zetteln, die weitergeleitet wurden, auf die Elfer vorbereitet. Ich hab aufgeschrieben, wie sie schießen - und auch behalten. Ich kann sie Dir jetzt noch sagen.

O|N: Florian, Hand aufs Herz: Was hat Dich dazu bewogen, noch einmal auszuhelfen und einzusteigen bei der SG Kerzell?

Günther: Ich hatte mich ja eigentlich aus dem Trainergeschäft verabschiedet nach 16 Jahren. Und auch durch unseren Nachwuchs wollte ich mehr Zeit für die Familie haben. Doch die SG Kerzell ist mein Heimatverein - und ich wohne da. Jetzt bin ich eher zurückgekommen, als es vielleicht mein Wunsch war. Doch es lag mir am Herzen. Und die Mannschaft hat so gespielt, dass es mir Mut macht und Auftrieb gibt.

O|N: Wie war es in Deinem Fall, Dennis?

Hohmann: Für mich war es vielleicht noch schwieriger. Ich war eigentlich weiter weg und hatte mit dem Fußball bewusst abgeschlossen. Hatte zwar immer mal wieder ausgeholfen, aber nie länger oder mit Regelmäßigkeit. Als ich jetzt zurückgekommen bin, war kein Leben drin. Und die Trainingsbeteiligung so schlecht, dass das Trainergespann gar kein Training machen konnte. Als ich dann zugestoßen bin, habe ich schon gemerkt, dass Feuer in der Mannschaft war. Dass sie will. Und auch kann. Hätten wir das nicht gehabt, wären wir nicht dringeblieben. Schließlich ist die SG Kerzell mein Heimatverein. Ich bin im 13. Jahr dort und wohne seit fünf Jahren in Kerzell. Obwohl ich gebürtiger Sickelser bin.

O|N: Wie war das denn mit Deiner Rückkehr? Hast Du Dich noch fit gefühlt?

Hohmann: Na ja. Es war schon fraglich für mich, ob ich da noch würde mithalten können. Vor fünf Jahren hatte ich mal ausgeholfen. Aber nicht mit dieser Dauerbelastung. 

O|N: Der Trainer hat sich ja auch für eine Rückkehr stark gemacht, oder?

Günther: Ja klar. Unser Torwart Simon Ludwig, der stark gehalten hatte, hatte sich am Knie verletzt. Es gab keine andere Option als Dennis. Und das war ja auch gut so. 

O|N: Blicken wir auf die neue Saison. Wie geht's weiter?

Hohmann: Ich will nicht mehr. Meine Knie. Sie sind dick. Schon vor acht Jahren hatte ich gesagt, ich höre mit einem Highlight auf. Jetzt trifft das ja noch mehr zu. Ich helfe künftig aber noch beim Torwarttraining. 

Günther: Wir müssen in der neuen Saison eine Balance finden zwischen Offensive und Defensive. Und wir müssen mutiger nach vorn spielen, wir schießen ja zu wenig Tore. Wir müssen mehr Torgefahr ausstrahlen.

O|N: Ist das mit einer Zielsetzung verbunden?

Günther: Es wird wieder eine schwierige Saison für uns, keine Frage. Das Ziel kann nur Klassenerhalt lauten. Alles andere wäre utopisch. Aber es ist machbar. 

O|N: Die Mannschaft sollte sicher verjüngt werden. Christian Kreß kehrt nach Flieden zurück, Marc Röhrig ist zudem abwanderungswillig. Wie sieht eine Neu-Ausrichtung aus?

Günther: Wir werden viel auf einheimische Kerzeller Jugendspieler setzen. Jetzt kommen fünf A-Jugendspieler raus und in den Seniorenbereich hinzu. Ziel ist es jetzt, die einzubauen. Unser Trainer Timo Hasenauer, der ja jetzt nach Rothemann wechselt, hat da gute Arbeit geleistet. Und das tut er schon seit Jahren.

Hohmann: Ich finde den Weg richtig. Es ist ein neuer Vorstand da bei der SG Kerzell, der anders denkt.

O|N: Florian, weißt Du, wie viele Tore Du in Deiner Karriere geschossen hast?

Günther (lacht beherzt): Das waren schon 'ne Menge. Vor allem in der Jugend-Zeit. Aber auch bei den Senioren. Zehn oder 15 waren immer drin.

O|N: Man hört, es gibt einen besonderen Saisonabschluss ...

Günther: Ja. Am Freitag sind wir von einem treuen Fan im Dorf zu einer Pool-Party eingeladen. (wk)

Zur Person

FLORIAN GÜNTHER (47) ist mit Nicole verheiratet. Ihr Sohn heißt Leo. Beruflich ist er Maschinen-Einrichter in der Fuldaer Kugelfabrik. Seine fußballerischen Stationen lesen sich fast wie ein Ausriss aus dem guten, alten Telefonbuch. In der Jugend spielte er für den SB´V Neuhof (F- und E) und für die SG Kerzell (ab D-Jugend). Seine Zeit bei den Senioren hat es in sich: Kerzell, Germania, Rothemann, wieder Kerzell - nur als Spieler. Als Spielertrainer in Rommerz, Reulbach, Kerzell, Büchenberg, Michelsrombach, wieder Büchenberg ... Pause. Bis vor wenigen Wochen die SG Kerzell anklopfte.

DENNIS HOHMANN (43) ist mit Sabrina verheiratet. Sie haben zwei Kinder:Ole und Hedi. Dennis ist Lehrer: beim antonius netzwerk der Grund- und Förderschule - das heißt eine inklusive Grundschule, die gleichzeitig Kinder mit Förderbedarf unterrichtet. In der Jugend kickte er in Sickels, bei Borussia und in der A-Jugend in Neuenberg. Bei den Senioren hatte er fünf Stationen: Steinhaus (zu Gruppenliga-Zeiten), Hünfeld, Rothemann, Borussia Fulda - und die SG Kerzell. +++


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