"Das Team ist etwas ganz Besonderes"

Weltmeister-Flair in der Domstadt: Profi-Handballer von 1978 zu Besuch

Uli Schaus (li) und Dr. Michael Wuttke (re) sind beide leidenschaftliche Handballer!
Fotos: Maurice Schumacher

19.06.2025 / FULDA - Hut ab, was dieser Mann alles so erreicht hat: Ulrich "Uli" Schaus (73) ist sportlich durch und durch und der älteste Spieler, der in der Handball-Bundesliga aktiv war. Der gebürtige Fuldaer spielt seit dem 16. Lebensjahr Handball - war außerdem im Kader verschiedenen Deutschen Nationalmannschaften (Junioren, A und B). "Ich habe Blut geleckt und wollte immer noch mehr erreichen", blickt er zurück. Mit dem Weltmeisterteam von 1978 pflegt er bis heute noch guten Kontakt - und die Männer kommen an Fronleichnam nach zehn Jahren wieder nach Fulda!


Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch plaudert der 73-Jährige aus dem Nähkästchen und verrät, was er in seiner Karriere alles so erlebt hat. Welche Erinnerungen sind ihm eigentlich im Gedächtnis geblieben? Zudem berichtet er gemeinsam mit seinem Freund und Sportkollegen Dr. Michael Wuttke aus Fulda, was die Weltmeister aus 1978 so besonders macht und welcher Unfall einfach alles veränderte. Aber lesen Sie selbst!

"Ich habe von Beginn an die Handball-Historie in Fulda begleitet"

Uli Schaus ist ein echter Promi, was den Handball hier in der Domstadt betrifft. Angefangen hat er damals bei Borussia Fulda im Tor: mit gerade einmal 16 Jahren startete er in der A-Liga durch und stieg im zweiten Jahr in die Seniorenmannschaft auf. 1969 spielte er in der Regionalliga - der damals noch zweithöchsten Liga in Deutschland. "Handball hat eine sehr dominierende Rolle für mich gespielt. Ich habe Chancen bekommen, die sonst gar nicht möglich wären", erzählt er. Relativ schnell erhielt der heute 73-Jährige seine erste Einladung zur Nationalmannschaft - trainierte mit dem Weltmeisterteam von 1978. Doch woher kommt eigentlich dieser Erfolg? "Man darf einfach keine Angst vor dem Ball haben", verrät er.

"Mannschaftssport ist durch nichts zu ersetzen"

"Uli würde ich als einen sehr guten Spieler beschreiben, der nie viel herumgemeckert hat. Er agierte immer hilfsbereit und hat 100 Prozent gegeben", so Dr. Michael Wuttke. Der gebürtige Fuldaer Intensivmediziner verfiel dem Handball schon in seiner Kindheit und spielte mit Uli Schaus um die Wette. "Mannschaftssport ist durch nichts zu ersetzen", ist er sich ganz sicher. Die beiden spielten unter anderem auch in der Hessenauswahl - teilen viele gemeinsame Geschichten miteinander. "Ich könnte ein Buch schreiben mit all den Erinnerungen, die wir gesammelt haben", schmunzelt Uli Schaus. Das wär doch mal was!

Handballerisch aktiv war der 73-Jährige zudem noch in Hüttenberg, in Düsseldorf, in Bad Neustadt, in Gelnhausen und in Bruchköbel. In seinem Heimatort Eichenzell gab er sein Debüt mit unfassbaren 60 Jahren. Neben der aktiven Karriere war er zusätzlich als Coach aktiv - trainierte in den letzten Jahren die Torleute der HSG Großenlüder/Hainzell. Auch sonst ist Schaus weiterhin sportlich aktiv und tobt sich beim Tennis in Eichenzell so richtig aus.

"Um das zu überleben, braucht man jede Menge Wille und Charakterstärke"

Eine bedeutende Rolle für Schaus und Wuttke spielte das Handball-Weltmeisterteam von 1978: im Finale setzte sich Deutschland mit 20:19 gegen die damalige UdSSR durch und brachte den Titel verdient mit nach Hause. Neben Spielern wie Manfred Hofman und Heiner Brand gehörte auch Joachim "Jo" Deckarm - der damals zu den besten Handballern der Welt zählte - dazu. Insgesamt absolvierte er über 100 Länderspiele für die Deutsche Nationalmannschaft. Am 30. März 1979 veränderte sich sein Leben jedoch durch einen tragischen Unfall innerhalb einer Sekunde.

Beim Europapokalspiel mit dem VfL Gummersbach im ungarischen Tatabanya knallte der damals 25-Jährige nach einem unglücklichen Zusammenstoß mit Lajos Pánovics mit dem Kopf auf den Betonboden, der nur mit einer dünnen PVC-Schicht belegt war. Er fiel für ganze 131 Tage ins Koma - war durch die Hirnschädigungen motorisch stark beeinträchtigt und hatte die Fähigkeit zu sprechen eingebüßt. Deckarm ist seitdem auf ständige Betreuung angewiesen. "Um das zu überleben, braucht man jede Menge Wille und Charakterstärke", so Wuttke, der als ausgebildeter Intensivmediziner schon einiges erlebt hatte.

"Wir sind wie eine gewachsene Familie"

Es war ein Schockmoment für alle Beteiligten, ein Einschnitt ins Leben und für Deckarm ein furchtbarer Unfall, den er fast mit seinem eigenen Tod bezahlte. Doch aufgegeben hat er zu keinem Zeitpunkt. Während der medizinischen Reha und in all den Jahren danach hat das "TEAM78" ihn in jeder Hinsicht unterstützt. Als "PORTAS-TEAM" spielte die Mannschaft jedes Jahr etwa fünf bis sechs Mal ohne Entgelt für den "Jo-Deckarm-Fonds". "Es ist eine ganz besondere Mannschaft - wie eine zusammengewachsene Familie eben", so Wuttke.

Die Weltmeister von 1978 zeichnet vor allem der nötige Teamgeist aus, den man heutzutage nicht mehr so häufig findet. Nach dem schrecklichen Unfall wurde unter dem Dach der Stiftung Deutsche Sporthilfe zudem der "Joachim-Deckarm-Fonds" gegründet, aus welchem die aufwändigen Behandlungen, Medikationen, Therapien, Rehamaßnahmen und Kuren teilweise finanziert werden konnten.

Einmal im Jahr treffen sich die Handballer - mittlerweile zum 34. Mal - an Fronleichnam, um mit Jo Deckarm vier Tage gemeinsam zu verbringen. Diesmal wird Jo aus gesundheitlichen Gründen leider nicht dabei sein können. "Er wird trotzdem immer die Hauptperson sein - wir machen das für ihn", sind sich die beiden abschließend einig. (Julia Schuchardt)+++

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