Das OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (8)

Martin Hohmann: Fabian Schaub wird uns nach seiner OP schmerzlich fehlen

Martin Hohmann war im Rahmen des Sportgesprächs zu Gast in der O|N-Redaktion.
Fotos: Yannik Overberg

06.07.2022 / FULDA/FLIEDEN - Kaum einer kennt den Fußball in Osthessen in den letzten drei Jahrzehnten so wie Martin Hohmann. Als 26-Jähriger musste er seine Laufbahn als Spieler beenden - als Trainer schlug er ein wie eine Bombe. Ob zu Regionalliga-Spitzenzeiten bei Borussia Fulda, als das Team an die Tür zur 2. Liga klopfte, ob beim SV Wehen, beim FSV Frankfurt, beim Hünfelder SV oder zweimal beim SV Flieden. Dort ist er seit zwei Jahren Sportlicher Leiter. Um so mehr freut er sich, dass er ab 1. September "Zeit für andere Dinge" hat - dann endet sein Job als Postbeamter. Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch äußert er sich zum osthessischen Fußball, der Nachwuchsarbeit in der Region, dem SV Flieden und vielem mehr.



Im O|N-Sportgespräch lassen wir immer mittwochs Sportler aus verschiedenen Sportarten aus der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte, losgelöst vom aktuellen Tagesgeschehen. Heute folgt Teil acht der Serie. 

O|N: Herr Hohmann, Corona scheint auch im Fußball nicht hinter uns zu liegen. Oder?

Martin Hohmann: Nein. Die Corona-Geschichte wird uns weiter begleiten. Ich bin gespannt, wie es im Herbst wird. Auch wir hatten Fälle, bei denen es länger gedauert hat, zum Beispiel bei Sascha Rumpeltes. So etwas habe ich in meiner langen Karriere noch nicht erlebt. Es lässt sich nicht beschreiben. Und ich will über die letzte Saison gar nicht mehr reden.

O|N: Wie hat sich der Fußball in Osthessen in 30 Jahren verändert? Wären Sie lieber in den 1990ern Trainer gewesen oder wären Sie es lieber jetzt?

Hohmann: Ich sage es mal so: Genau zu der Zeit, als ich Trainer war, war es schön. Ich habe ja vor sieben Jahren in Flieden aufgehört, weil die Spielergeneration nicht mehr ganz so bereit ist für gewisse Ligen. Wenn man den heutigen Nachwuchs so sieht, dann haben viele Spieler eine andere Einstellung zu höherklassigem Fußball. Diese ganzen Geschichten um private Dinge gab es damals nicht. 

0|N: Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Nachwuchsarbeit in der Region?

Hohmann: Vor fünf Wochen war ich auf einer Trainerfortbildung in Freiburg. Dort nennt man übrigens die Arbeit mit den Junioren nicht Nachwuchsleistungszentrum, sondern Fußballschule. Extra für uns Trainer hatten sie ein U19-Spiel Freiburg gegen den KSC angesetzt. Ich will hier niemandem auf den Schlips treten, aber was ich dort gesehen habe: Das war Talent. Osthessen ist von der Struktur her so, dass 1a-Talente nicht mehr in der Region bleiben. 

O|N: Was hat die Region versäumt?

Hohmann: Wenn wir so etwas wie eine Talentschule hätten... Dann müssten Eltern ihre Kinder nicht wegbringen zu größeren Vereinen. Ihnen stattdessen etwas anzubieten und zu sagen, wir haben etwas, womit wir die Jugendlichen richtig fördern. Den einen oder anderen - auch die Stadt Fulda - hätte man bei der Umsetzung und Finanzierung natürlich mit ins Boot nehmen müssen. Unabhängig von einem Verein. Da hätte ich mitgemacht. Und im Kleinen hätten wir das hingekriegt. Talente haben wir in der Region. Aber es ist vieles stiefmütterlich. Die Nachwuchsarbeit ist ein Stiefkind. 

O|N: Zum SV Flieden. Ihr Verein hat sich gut verstärkt - oder?

Hohmann: Wir sind nicht zu 100 Prozent zufrieden. Wir hätten gerne noch mehr gehabt. Zumal uns Fabian Schaub fehlen wird. Bei einer OP ist ihm entzündetes Gewebe im Bereich der Achillessehne entfernt worden. Er fällt mindestens bis zum Winter aus. Uns fehlt eine Neun. Mit Lukas Hagemann haben wir nur einen echten Stürmer. Im offensiven Mittelfeld sind wir gut besetzt. Wir hatten einen passenden Spieler im Auge, können aber wirtschaftlich nicht aus unserer Haut.

O|N: Schaub ist ein herber Verlust. Wie schwer wiegt das?

Hohmann: Als ich noch Trainer in Flieden war, wusste ich: Es gab in der Region keinen Besseren. Er hätte ja zu Darmstadt 98 gehen können, auch der FSV Frankfurt war dran. Fabian ist aber ein bodenständiger Typ. Er wird seine Karriere auch bei uns beenden wollen.

O|N: Welche Art von Fußball sollte der SV Flieden künftig spielen? Welches Gesicht sollte er zeigen?

Hohmann: Ich will unserem Trainer Bardo Hirsch nicht vorgreifen. Freiburgs Christian Streich hat auf oben erwähntem Kongress gesagt, er könne Pep Guardiola gut leiden - aber diesen Ballbesitz-Fußball könne er nicht mehr sehen. Ich finde ihn auch für die Zuschauer auf Dauer völlig langweilig. Meine Wunschvorstellung: Ball-Eroberung, so schnell wie möglich nach vorne und zum Abschluss kommen. Die Torleute werden ja heute nicht mehr beschäftigt. Bundesliga-Torleute kriegen nur noch drei Bälle aufs Tor.

O|N: Flieden galt mal als Zuschauer-Hochburg. Warum ist das derzeit nicht mehr so?

Hohmann: Wir wollen wieder zur Zuschauer-Hochburg werden. Und dazu hat bestimmt auch Corona beigetragen. Du lockst die Zuschauer nur, wenn du Spiele gewinnst. Attraktiver Fußball ja, aber: die Zuschauer gehen zufrieden nach Hause, wenn du gewinnst. Schließlich war Flieden ein Paradebeispiel dafür, dass man verloren geglaubte Spiele noch gedreht hat. Ein bisschen Spektakel eben.

O|N: Was spricht dafür, dass der SV Flieden eine gute Rolle spielt in der neuen Saison?

Hohmann: Uns haben wenig Spieler verlassen. Wir halten da immer zusammen. Und die Langzeitverletzten sind mittlerweile wieder im Training. Ob Marius Kullmann, Sascha Rumpeltes oder Lukas Hagemann. Auch Luca Gaul, der nach seinem Kreuzbandriss ja nur die ersten vier Spiele der letzten Saison gemacht hat. Nur Christian Kreß (Kreuzbandriss) fehlt noch. Auch unsere Verstärkungen wie Vogt, Bohl, Röhrig oder Grösch machen uns Hoffnung. Von unserer guten A-Jugend - unser JSG-Partner SV Schweben leistet sehr gute Arbeit - trainieren vier Spieler oben mit.

O|N: Zum Flaggschiff der Region, der SG Barockstadt Fulda-Lehnerz. Was trauen Sie ihr zu?

Hohmann: Dass sie jetzt in der Regionalliga antritt, tut der ganzen Region gut. Wenn sie in der vorderen Hälte landen würde, wäre das überraschend für mich. Denn viele Vereine der Liga arbeiten unter Vollprofitum. Erstmal in die Liga reinschauen, um sich dann vielleicht zu verbessern. Um vielleicht doch noch mal in die dritte Liga zu kommen. Dann brauchst du aber auch einen anderen Etat. Da wüsste ich nicht, ob das die Region will. Ober ob sie es kann.

O|N: Drei Jahrzehnte sind Sie jetzt schon im Fußball aktiv. Was haben SIe in dieser Zeit für sich persönlich mitgenommen?

Hohmann: Als Trainer musste immer das Gesamtpaket stimmen. Das Training musste gut sein, die Kommunikation passen und du musst auch mal unbequeme Dinge sagen können. Persönlich bin ich nie geworden. Und du musst dir für die Spieler, die weniger spielen, Zeit nehmen. Mehr Zeit als für andere. Das haben viele heute nicht. Ich kenne  viele, die weniger gespielt haben und heute noch sagen, es hat Spaß gemacht. (wk) +++

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