"Irgendwie geht’s immer"

Trotz Spastik an die Weltspitze: Katharinas unaufhaltsamer Weg im Klettersport

Trotz spastischer Lähmung: Die 26-Jährige meistert internationale Kletterwettkämpfe mit beeindruckender Stärke.
Foto: Privat

24.07.2025 / FULDA - Sie ist Jugendwartin bei der Feuerwehr, Jugendleiterin beim Sektion Fulda des Deutschen Alpenvereins (DAV) – und steht gleichzeitig auf dem Sprung zur Weltspitze im Paraclimbing: Katharina Werthmüller aus Burghaun ist eine beeindruckende junge Frau, die Hindernisse nicht nur akzeptiert, sondern bezwingt. Ihr Leben zeigt, wie viel man mit Willensstärke und Gemeinschaftssinn erreichen kann – auch dann, wenn der Weg für die 26-Jährige steiniger ist als für andere.



"Eigentlich bin ich ehrlich nur reingerutscht ins Paraclimbing", sagt Katharina im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Ein Geburtstagsgeschenk von Freunden – ein Kletterausflug – brachte sie zum ersten Mal mit dem inklusiven Klettersport in Kontakt. Wenig später war sie Teil der Inklusionsgruppe des DAV, heute klettert sie auf internationalem Niveau.

Keine Hürde scheint zu groß

Dabei war der Einstieg nicht nur sportlich, sondern auch menschlich prägend: "Die Gruppe war auf meinem Weg richtig entscheidend – und ist heute noch sehr wichtig. Ich mache nichts ohne sie." Aus Trainingspartnern wurden Freunde, aus einem Hobby eine Lebensaufgabe. Seit 2018 gehört das Klettern zu ihrem Alltag.

Katharina lebt mit HSP, einer spastischen Erkrankung, die Beine und Rumpf betrifft. Ihre körperliche Einschränkung kompensiert sie mit Kraft, Technik – und viel Willen. "Ich mache echt viel mit den Armen. Meine Arme sind so stark, dass ich das kompensieren kann", erklärt sie. Hinzu kommt ihr eiserner Wille: "Ich bin eine ehrgeizige Person."

Der konsequente Erfolgsweg

Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Nach ersten nationalen Wettkämpfen rückte sie bald in den Nationalkader auf. Beim World Cup in Innsbruck wurde sie Achte, bei der EM in Villars in der Schweiz war sie dabei, ein weiterer großer Wettkampf steht im Oktober in Frankreich an.

Reisen und Wettkämpfe meistert sie nicht allein. Wegen ihrer Einschränkung kann sie nicht selbst längere Strecken fahren. Freunde und Weggefährten, meist aus der DAV-Gruppe, stehen ihr zur Seite. "Ich finde es schwierig in Worte
zu fassen – ein Dankeschön reicht dafür eigentlich nicht", sagt sie spürbar bewegt.

"Umso nervöser ich bin, umso mehr kickt dann die Spastik"

Dass Leistungssport auch mental fordert, zeigt sich bei ihr vor allem vor dem Start: "Umso nervöser ich bin, umso mehr kickt dann die Spastik." Trotzdem bleibt sie konzentriert. Stolz erzählt sie: "Ich habe ein Startrecht für die Weltmeisterschaft. Ich bin da schon auch stolz auf mich selber." Aber: Ohne Nominierung trägt sie die Kosten selbst – ein Kraftakt, auch finanziell.

Das Klettern ist für sie mehr als nur Sport. Es sei ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden – auch als Vorbild will sie anderen Mut machen, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. "Ich habe mir über Vorbilder keine Gedanken gemacht. Aber Alexander Megos – den besten deutschen Kletterer – habe ich in Innsbruck getroffen", sagt sie lächelnd.

Ein Vorbild - auch abseits der Kletterwand

Auch privat übernimmt sie Verantwortung: als ehemalige Jugendwartin in ihrer Gemeinde, als Jugendleiterin beim DAV, als Mitgestalterin bei der Fastnacht. Die Arbeit mit jungen Menschen mache ihr besondere Freude: "Es wird halt auch nicht langweilig. Wir haben eine Menge Spaß zusammen."

Bodenständig ist sie geblieben. Was sie anpackt, macht sie mit klarer Haltung: "Es wurde mir so beigebracht von zu Hause, dass ich es selber machen soll – egal wie. Selbst, wenn es schief geht." Und obwohl sie in ihrer Klassifikation oft gegen Sportlerinnen mit leichteren Einschränkungen antreten muss, bleibt sie optimistisch: "Irgendwie wird es schon immer gehen."

Die Sektion Fulda des Deutschen Alpenvereins und der Bundesverband unterstützen Inklusion im Sport, wo sie können – und Katharina ist ein Paradebeispiel dafür, wie gut das funktionieren kann. Ohne den Rückhalt ihrer Gruppe wäre ihr Weg schwerer gewesen. Doch mit Energie, Entschlossenheit und einem klaren Ziel vor Augen meistert sie selbst steilste Wände – Schritt für Schritt. (Constantin von Butler) +++

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