OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (86)

Johannes Helmke: Unser Ziel ist es, alle mitzunehmen im HSV-Haus

Hünfelds Trainer Johannes Helmke
Fotos: Marius Auth

24.01.2024 / FULDA/HÜNFELD - Er ist einer der renommiertesten Fußball-Trainer Osthessens. Er ist ein Gesicht dieser Region. Und er hat mit seinem Hünfelder SV im ersten Teil der laufenden Hessenliga-Saison Erfolge gefeiert, die sich sehen lassen. Mitunter war es brillanter Offensivfußball, der die Zuschauer in die Rhönkampfbahn lockte. Hinter der ein starkes Team steckt im "HSV-Haus". Die Rede ist von Johannes Helmke. Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch nimmt er zur erfolgreichen Vorrunde Stellung, woran sein Team künftig arbeiten muss, zur positiven Zuschauer-Resonanz, zur Entwicklung des HSV in der jüngeren Vergangenheit - und zu manchen mehr. 


Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch lassen wir immer Menschen aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 86 der Serie.

O|N: Am Dienstagabend war Trainingsauftakt zur Rückrunden-Vorbereitung in Hünfeld. Was habt ihr gemacht?

Helmke: Nach acht Wochen und einer langen Pause im Winter ist es wichtig, dass wir wieder langsam reinfinden und uns an den Ball gewöhnen. Wir werden die Intensität aber recht zügig steigern. Wir haben noch sechs Wochen bis zu unserem ersten Punktspiel daheim gegen Gießen am 2. März - und fünf Wochen bis zum Pokalspiel in Eiterfeld. Das haben wir auf den Freitagabend vorverlegt, also auf den 23. Februar.

O|N: Wir befinden uns in der Hessenliga. Haben die Spieler auch Trainingspläne bekommen?

Helmke: Es ist auch mal gut, wenn sie durchschnaufen können. Wenn sie Zeit für die Familie oder ähnliches haben. Nichtsdestotrotz haben die Jungs schon Pläne bekommen, um sich fit zu halten. Zwei Einheiten hatten wir auch im Fitnessstudio ki sports bei Felix Kircher in Hünfeld eingelegt.

O|N: Was steht in der Vorbereitung auf dem Programm?

Helmke: Das Wichtigste ist, dass wir körperlich ein gutes Niveau erreichen. Die Physis ist für mich noch mehr als eine Grundvoraussetzung. Unser Ziel ist es, körperlich stärker zu sein als unsere Gegner. 

O|N: Und was ist mit anderen Inhalten?

Helmke: Natürlich wollen wir uns auch taktisch verbessern. Wir wollen unsere sieben oder acht Spielprinzipien angehen. Zum Beispiel, das Pressingverhalten variabler zu gestalten. Das ist ein Schwerpunkt. Im letzten Spiel des alten Jahres in Stadtallendorf (1:0) haben wir das schon gut gemacht. Oder die Seitenverlagerung. Das Übergangsspiel. Oder den Spielaufbau. Wir haben im ersten Teil der Saison mitunter spektakulären Fußball geboten, vor allem in der Rhönkampfbahn - aber wir haben auch viele Gegentore bekommen.

O|N: Was liegt Dir als Coach am meisten am Herzen?

Helmke: Für mich ist der Teamgeist am wichtigsten. Für den Teamspirit zu sorgen. Und dann auch für die Physis und die Taktik.

O|N: Welche Vorbereitungsspiele habt ihr vorgesehen?

Helmke: Wir fangen nächsten Dienstag mit dem Spiel gegen die SG Aulatal an - um 19.30 Uhr in der Rhönkampfbahn. Dem folgen zwei interessante Gegner: bei Hessen Kassel (2. Februar) und gegen den FSV Frankfurt (10. Februar, der Spielort steht noch nicht fest). Stadtallendorf ist unser nächster Gegner (17. Februar, in Hünfeld). Dann geht's im Pokal nach Eiterfeld (Freitag, 23. Februar). Vielleicht bauen wir das eine oder andere Spiel noch ein.

O|N: Was tut sich bei Euch im Kader?

Helmke: Der ist nicht besonders breit aufgestellt. Wir hoffen, dass Mark Zentgraf, der ja im April vergangenen Jahres am Kreuzband operiert wurde, schnell Fuß fasst. Er muss sich nächsten Montag noch einem kleinen Eingriff unterziehen, wenn ihm noch Schrauben entfernt werden. David Brähler steht uns erstmal nicht zur Verfügung, er absolviert seine Maurer-Meisterschule; das wussten wir aber im letzten Sommer. Dafür kommt mit Max Vogler Eins zu eins zu eins unser rechter Außenverteidiger zurück, er hat ja ein Auslandssemester in Spanien absolviert. Eine Hiobsbotschaft haben wir allerdings zu verkraften: Nils Witte hat sich beim torgranate cup einen Knöchelbruch zugezogen. Zudem ist das Syndesmoseband gerissen. Er ist schon am Freitag erfolgreich operiert worden.

Übrigens: Osthessen|News gratuliert Max Vogler nachträglich zum Geburtstag.

O|N: Nochmals zum Kader. Was heißt "nicht breit genug aufgestellt"?

Helmke: Grundsätzlich haben wir ein Super-Team. Aber, was die Breite betrifft, können wir Ausfälle nicht wirklich gut kompensieren. Auch Aaron Gadermann war ja in der Vorrunde lange verletzt, er hat immer mal wieder Probleme mit seinen Adduktoren. 

O|N: Der HSV ist Sechster nach dem ersten Teil der Saison. Hat in der Rhönkampfbahn teils begeisternde Spiele geliefert und ist in der Auswärtstabelle sogar Vierter. Welche Note würdest Du Eurer guten Vorrunde geben?

Helmke: Oh je, ich bin ja auch Lehrer. Zwischen 1 und 2. Vielleicht 1 minus.

O|N: Hättest Du mit solch einer guten Vorrunde gerechnet?

Helmke: Die Wenigsten hätten wohl erwartet, dass wir so durchstarten. Es hat einfach gepasst. Wir haben eine gute Mischung im Kader: zwischen jungen Spielern, die gut ausgebildet sind und erfahrenen. Es war nicht damit zu rechnen, dass wir als Aufsteiger dort stehen. Wir haben es aber verdient. Wir wissen aber auch, dass es ganz schnell anders gehen kann. Vielleicht war es deshalb ganz gut, dass wir vor der Pause ein paar Niederlagen in Folge und eine kleine Delle hatten. Und von der Wahrnehmung her ist es ja so, dass wir zuletzt ein Jahr lang auf der Erfolgswelle geritten sind.

O|N: Gehen wir unter die Oberfläche. Was war eigentlich in der Vorrunde gut?

Helmke: Wir haben es geschafft, über die Mehrzahl unserer Spiele gut als Mannschaft zu funktionieren. Dass wir füreinander gekämpft haben. Auch das taktische Verhalten war weitgehend gut, da gibt es aber Verbesserungspotenzial. Und offensiv verfügen wir schon über eine gewisse Qualität.

O|N: Ihr hattet lange Tuchfühlung zur Spitze. Wie seid Ihr damit umgegangen?

Helmke: Wir haben die Tabelle in den ersten Wochen ausgeblendet und haben das einfach so mitgenommen. So, dass man es einfach genießt. Wir wussten ja, dass es nur eine Momentaufnahme sein kann.

O|N: Was muss der HSV machen, damit der starken Vorrunde auch eine ähnlich gute Rückrunde folgt?

Helmke: Es geht wirklich wieder von null los. Wir werden in der Vorbereitung richtig Gas geben - so, dass wir fit werden und fit sind. Da ist die Mannschaft gefordert - und auch jeder Einzelne. Wir dürfen nicht denken, dass wir ein Polster haben.

O|N: Befürchtest Du, dass sich in der Mannschaft Selbstzufriedenheit entwickelt oder breit macht?

Helmke: Das glaube ich nicht. Zum einen sind wir im Trainerteam verantwortlich. Zum anderen ist es auch von der Mannschaft her nicht zu erwarten.

O|N: Ihr habt es geschafft, die Zuschauer ins Boot zu holen. Täuscht der Eindruck?

Helmke: Nein. Aber gute Stimmung kommt natürlich auch wegen des Erfolgs auf. Für mich als Spieler war das schon wichtig, dass es Spaß macht, durch guten Fußball einen guten Team-Zusammenhalt zu haben. Für mich ist es wichtig, den Betreuerstab mitzunehmen. Und dass es in der Mannschaft passt. Vielleicht kommt das beim Publikum an, der Funke springt über und wir können die Zuschauer mitnehmen in unserem HSV-Haus. 

O|N: Hat sich das Verhalten der Zuschauer geändert? Du hast sie ja im Rücken. Wie empfindest Du das?

Helmke: Sie merken, dass der Zusammenhalt in unserem Team großgeschrieben wird. Wir sind ein eingeschworener Haufen. Im Team. Im Trainerteam. Im Betreuerteam. Im Verein. Das spüren und wissen nicht nur wir, das merken auch die Zuschauer.

O|N: Das sportliche Konzept ist stimmig bei Euch. Wie beurteilst Du die Entwicklung in den letzten Jahren?

Helmke: Was die Erste betrifft: Wir sind auf einem guten Weg. Vom Kader her haben wir eine ausgewogene Mannschaft. Vor eineinhalb, zwei Jahren hatten wir einen gewissen Umbruch. Es sind ein paar gute Jungs dazugekommen. Wir haben arrivierte Kräfte wieTorwart "Bene" Kaiser - er ist ja unser Kapitän - Maxi Fröhlich oder Marcel Dücker, wir haben auch noch Hünfelder, wie zum Beispiel Aaron Gadermann. Insgesamt aber haben wir Schwierigkeiten in der Jugend. Wir sind froh, dass Nils Witte zur Ersten zugekommen ist, dass er es geschafft hat, sich in der Ersten durchzusetzen.

O|N: Wie macht sich das in der Zweiten bemerkbar?

Helmke: Die Zweite ist bei uns auch ein großes Thema, ihr Stellenwert ist wichtig. Dort kommen zu wenige junge Leute an. Wir haben auch zu wenige. Aber das Thema Jugendarbeit ist schwierig. Sehr herausfordernd. Man braucht einen langen Atem. 

O|N: Der HSV ist gut aufgestellt. Erkläre uns den Verein in groben Zügen ...

Helmke: Spaß. Zusammenhalt. Vertrauensvoll miteinander zu reden. Beständigkeit, das spielt eine große Rolle. Bestimmt durch Personen, die schon lange da sind. Ich bin fast 17 Jahre dabei. Oder unser Abteilungsleiter Mario Rohde. Oder unser 1. Vorsitzender Lothar Mihm. Oder Sigi Larbig: Hobby-Fotograf, Physio, mitverantwortlich für die Fitness, die Homepage und Social Media. Benni Fuß als Co-Trainer und Daniel Freidhof als Torwarttrainer. Oder auch Markus Stark und Michael Wingenfeld im Betreuerteam. Wir tauschen uns gerne aus. Und sind gerne am Sportplatz.

O|N: Der HSV hat eine gute Außenwahrnehmung. Teilst Du diese Einschätzung?

Helmke: Ja, schon. Vor allem auch vom Sportgelände her ist die gut. Das sagen uns auch viele Gegner in der Hessenliga. Sie sind begeistert von unserer Anlage.

O|N: Wo stehst Du als Trainer in Deiner Entwicklung? Wie fühlst Du Dich? Was ist Dir wichtig?

Helmke: Ich will mich auch als Trainer immer weiterentwickeln und verbessern. Die Spieler fordern heutzutage - und auch will sie fordern. Du musst schon gutes Training anbieten. Wir haben tolle Spieler, und Du musst mit ihnen so umgehen, dass sie Dir folgen. In der Vergangenheit hat das gut funktioniert. 

O|N: Wie siehst und beurteilst Du die Arbeit eines Fußballtrainers heutzutage - am Beispiel des HSV?

Helmke: Der Trainer hat schon eine Schlüsselfunktion. Du musst versuchen, alle im Verein mitzunehmen. Dass Du es schaffst, alle wertzuschätzen für ihre Arbeit. Die Spieler natürlich auch. Die kommen ja heutzutage bei höherklassigen Vereinen aus allen Ecken. Du kannst einen Spieler nicht nur taktisch belasten. Dass sie am Ende aber alle möglichst viel lernen. Dass sie Spaß haben. Und dass man, auch als Trainer, verzichten kann. Das ist ganz wichtig. Der Spaßfaktor muss schon hoch sein - auch deshalb, weil Du ja auf andere Freizeitaktivitäten verzichtest. 

O|N: Bist Du auch reifer geworden?

Helmke: Ja klar. Ich war ja in unserer Zweiten schon Trainer, und ich bringe von meinem Beruf einiges mit. Man muss immer sehen, was die Zukunft bringt.

O|N: Der HSV spielt eine gute Rückrunde, weil ...

Helmke: ... wir weiter hungrig sind. Und sich die Mannschaft nicht auf der Vergangenheit ausruht.

O|N: Du bist gebürtiger Steinbacher. Wie blickst Du auf Deine Entwicklung zurück?

Helmke: Mein Vater Willy ist dort seit Jahrzehnten im Vorstand - und er ist es heute noch. Von Kindesbeinen an hab' ich bis zur C-Jugend dort gespielt. Dann bin ich für sechs Jahre zu Borussia Fulda gegangen - vier Jahre in der Jugend, Enzo Kratt und Andy Mihailowicz waren meine Trainer, und im letzten A-Jugend-Jahr habe ich schon in der Ersten gespielt. Durch den Zwangsabstieg ging's in die Verbandsliga, Henry Lesser war damaliger Trainer.Es war eine prägende Zeit als junger Kerl. Ich habe in der Dreier-Kette rechter Außenverteidiger gespielt, zentral spielte Kai Möller.
Drei Jahre habe ich bei den Senioren gespielt: das erste Jahr in der Verbandsliga, im zweiten sind wir in die Oberliga aufgestiegen; mit Tobias Lamp oder Olivier Djappa. Dann habe ich mich am Knie verletzt: Meniskuseinriss, ich habe ein Jahr lang nicht gespielt. 

O|N: Wann bist Du nach Hünfeld gekommen?

Helmke: Danach. 2007 war das. Ich war 21. Olli Bunzenthal war Trainer, er hat mich geholt. Im ersten Jahr sind wir direkt von der Verbandsliga in die Hessenliga aufgestiegen. Wir sind auf- und abgestiegen. Ich habe aber überwiegend in der Hessenliga gespielt. Drei Jahre war ich auch Trainer von Hünfelds zweiter Mannschaft; im ersten Jahr als Spielertrainer. Wegen Knieproblemen habe ich dann aufhören müssen. Jetzt bin ich im vierten Jahr Trainer der Ersten. 
Während der Hünfelder Zeit habe ich in Köln für ein Jahr ein Referendariat gemacht. (wk)

Zur Person
JOHANNES HELMKE ist 37, wohnt in Hünfeld -und ist mit Ann-Katrin verheiratet. Beide haben drei Kinder: Tom, Toni und Rosie. Johannes ist Berufsschullehrer - an der Eduard-Stieler-Schule in Fulda. Er unterrichtet Wirtschaft und Sport. +++

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