OSTHESSEN/NEWS-Sportgespräch (59)

Tim Seitz und Claudius Eckard: Für solche Erlebnisse spielst du Fußball

Claudius Eckard (links) und Tim Seitz
Fotos: Marius Auth

14.06.2023 / FULDA - Noch kicken sie beim FV Horas. Am Mittwochabend (19 Uhr auf dem Platz von FT Fulda) bestreiten sie ihr letztes Spiel für ihren Verein: im Relegations-Finale um den einen noch freien Platz in der Gruppenliga. Und das Prickelnde: Sie treffen auf ihren neuen Verein: die SG Sickels. Mehr geht nicht? Oh, doch. Beide leben in einer WG zusammen. Die Rede ist von Tim Seitz und Claudius Eckard. Beide Kicker lassen uns im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch an ihren Emotionen teilhaben, wer die besseren Karten hat, mit wie vielen Zuschauern sie rechnen - und vielem mehr.


Im Osthessen|News-Sportgespräch lassen wir immer Menschen aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 59 der Serie.

O|N: Was geht in euch vor, was ist das für ein Gefühl, wenn ihr am Mittwoch auf eure neue Mannschaft trefft?

Claudius Eckard: Es ist natürlich eine ganz besondere Partie. Ein absolutes Endspiel, bei dem die ganze Saison auf der Kippe steht. Für uns beide erhält das Spiel nochmal eine ganz besondere Prägnanz - mit dem Hintergrund, dass wir beide in der nächsten Saison für die SG Sickels auflaufen werden. Trotzdem sind wir beide überzeugt, noch einmal alles für den FV Horas zu geben. Anspannung und Vorfreude verspürt in so einer Situation voraussichtlich jeder. Das wird sicher ein Aufeinandertreffen der Emotionen. Nichtsdestotrotz habe ich mir zwölf Saisons für Horas die Schuhe geschnürt, um mich schlussendlich mit dem Klassenerhalt zu verabschieden.

Tim Seitz: Ich bin erst vor drei Jahren nach Horas gekommen und konnte direkt im ersten Jahr in der Gruppenliga mitwirken. Da habe ich Claudius auch kennengelernt. Dieses Spiel am Mittwoch haben sich beide Mannschaften verdient, wenn man bedenkt, wie erfolgreich beide die Rückrunde gestaltet haben. Immerhin schafften wir es in der Rückrunden-Tabelle der Gruppenliga auf den zweiten Platz. In den drei Jahren hatten wir viele gute und schöne Momente im Verein, weshalb ich auch hoffe, dass wir das Spielam Mittwoch gewinnen können und uns so gebührend aus Horas verabschieden.

O|N: Welchen Verlauf könnte das Spiel nehmen?

Tim Seitz: Es ist, wie gesagt, ein Endspiel, so dass ich beide Ausgänge für möglich erachte. In solchen Spielen können Kleinigkeiten entscheidend sein. Wenn eine Mannschaft, egal wie, das erste Tor schießt, kann es ganz schnell in eine Richtung gehen. Das ist in so einem Finale ähnlich wie im Pokal.

Claudius Eckard: Ich sehe das ähnlich und rechne mit einem 50:50-Spiel. Die Tagesform wird entscheidend sein.

O|N: Wer hat die besseren Karten? Was spricht für Horas, was für Sickels?

Tim Seitz: Horas bringt die ältere und erfahrenere Mannschaft auf den Platz - mit Kevin Muth oder Daniel Wilde, der ja schon mit Bronnzell in der Jugend gegen Kaiserslautern um den Bundesliga-Aufstieg gespielt hat. Auch die Erfahrung, die viele Spieler mit der Horaser Jugend in der Hessenliga gesammelt haben. Sickels verfügt über junge und ehrgeizige Spieler, so dass einem spannenden Spiel nichts im Wege steht.

Claudius Eckard: Für Sickels spricht die Ausrichtung im Verein sowie der Aufschwung der letzten Wochen und Monate. auch wenn man bedenkt, dass die zweite Sickelser Mannschaft bereits in die A-Liga aufgestiegen ist. Da passt ganz viel. Die Jungs bleiben zusammen. Marc Friedel bleibt als Trainer. Die haben was vor. Das Paket passt. Bei Horas ist das etwas anders. Die Saison begann nicht gerade wie geplant. Mit dem Trainerwechsel im Winter wurden noch mal neue Akzente gesetzt und die Mannschaft ist enger zusammengerückt. Wir haben die letzten fünf Spiele alle gewonnen und fahren mit einem guten Kader zu FT.


O|N: Ihr hättet ja den Klassenerhalt am letzten Spieltag noch direkt schaffen können. Was ist da in euch vorgegangen?

Tim Seitz: Wir hofften zu jeder Zeit, dass wir den Klassenerhalt mit 43 Punkten sicher haben - aber so kam es leider nicht. Erst nach Abpfiff, als ich die Informationen bekommen habe, wie die anderen Mannschaften gespielt hatten, wurde mir so richtig klar, dass es nur für die Relegation gereicht hat.

Claudius Eckard: Da waren dann auch Emotionen, gerade auch, weil die direkten Begegnungen wie Horas gegen Lütter und Thalau gegen Hofbieber eine Art Endspielcharakter hatten. Ich wurde kurz vor Schluss ausgewechselt und konnte die Ergebnisse der anderen Spiele mitverfolgen - deshalb kam es für mich nach Abpfiff auch nicht so überraschend, auch wenn ich es nicht so richtig glauben konnte.

O|N: Wie sind die ersten Relegations-Spiele gegen Huttengrund - ihr habt jeweils 2:1 gewonnen - für euch gelaufen?

Tim Seitz: Relegationsspiele sind immer etwas Besonderes. Wir wussten nicht, mit welchem gegner wir rechnen mussten und haben uns deshalb auf uns konzentriert.

Claudius Eckard: Im Hinspiel waren wir 50, 60 Minuten besser, hatten alles im Griff, haben 2:0 geführt - und ein Riesen-Ding, das 3:0 zu machen. Hintenraus wurde Huttengrund besser. Im Rückspiel hat das Huttengrund gut gemacht und war zeitweise auf Augenhöhe. Wir konnten das Spiel aber aufgrund unserer clevereren und reiferen Spielweise gewinnen.

O|N: Ihr habt lange für den FV Horas gespielt. Warum habt ihr euch in der Winterpause zu einem Wechsel entschlossen?

Claudius Eckard: Eine schwierige Frage. Es war keine Entscheidung, die von jetzt auf gleich gekommen ist - sondern sich entwickelt hat. Ich war in Horas stark integriert im Verein. Aber durch die letzten Jahre, als wir von unserem Platz auf den BGS-Platz ausweichen mussten, gab es immer wieder kleinere Probleme im und um den Klub. Wir wurden vor organisatorische Mammutaufgaben gestellt, den Spielbetrieb betreffend - inklusive der Bewirtschaftung der Gäste und Fans aufrecht zu erhalten. Der Verein versuchte, das Beste aus dieser Situation herauszuholen. In Sickels spielen viele unserer Freunde und wir schätzen das Gesamtkonzept dort sehr. Es ist an der Zeit, mal was Neues auszuprobieren.

Tim Seitz: Ich bin damals zu Julian Keller nach Horas gewechselt. Wir haben zusammen eine Ausbildung zum Physiotherapeuten gemacht. Mir ist es wichtig, dass ich mit Freunden zusammen Fußball spiele. Es hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Der Verein versucht viel, aber ihm sind in gewissen Punkten auch einfach die Hände gebunden. Es ist schwer, das Vereinsleben ohne echte Heimspielstätte auf Trapp zu halten.

O|N: Mehr Emotion geht ja nicht am Mittwoch. Zwei Nachbarvereine prallen aufeinander. Zwei wollen hoch, einer kann nur. Das Spiel findet bei einem Team statt, das soeben abgestiegen ist aus der Gruppenliga. Mit wie vielen Zuschauern rechnet ihr?

Claudius Eckard: Zum Glück ist es gelungen, das Spiel bei FT auszutragen. Ich hatte schon Kontakt zum Verein. Der Rasen wurde extra nochmals gemäht. Es wird richtig was los ein, ich rechne damit, dass mehr als 1.000 Leute kommen. Das ist das, wofür man Fußball spielt. Große Emotionen kommen auf. Es ist einfach die Vorfreude. Man spürt die Anspannung. Es kann sein, dass mit einer Situation die ganze Saison entschieden wird.

Tim Seitz: Es ist einfach schön, vor so vielen Leuten die Hauptrolle zu spielen. Sobald ich auf dem Sportplatz stehe, fallen die ganzen Sachen im Hintergrund erstmal weg. Da will ich meine Leistung bringen und keinen Fehler machen.

O|N: Ihr seid dicke Kumpels und lebt in einer WG. Wie kam es dazu und wie muss man sich das vorstellen?

Tim Seitz: Ich bin 2021 in die WG gezogen. Mit Lukas Rech zusammen, der heute Sportlicher Leiter in Sickels ist. Wir haben die WG gegründet. Als Rech ausgezogen ist, hatte ich keinen Mitbewohner mehr. Da kam Claudius als guter Freund sehr gelegen.

Claudius Eckard (lacht): Das Eine hat sich zum Anderen gefunden. Es war praktisch eine Win-win-Situation. Ich hatte mit der Idee, in die Stadt zu ziehen, geliebäugelt. Ich habe mich gut eingelebt, das funktioniert super. Es ist einfach eine runde Sache.

O|N: Der FV Horas kennt das Gefühl, mit oder gegen fünf Direktabsteiger zu kämpfen. Wie war die Saison - wie das Spiel am Mittwoch auch ausgeht - für den Verein?

Tim Seitz: Wir sind ja schon in der vergangenen Saison am letzten Spieltag noch in die Abstiegsrunde gerutscht. Auch da sind ja fünf von zehn Mannschaften abgestiegen. Es waren halt die Nachwehen von Corona. Von daher kannten wir das Gefühl.

Claudius Eckard: Dieses Jahr war es viel gravierender. Man darf nicht an die Punktzahl denken, die du gebraucht hättest, um bei dieser Anzahl nicht abzusteigen ...

O|N: Was wäre, wenn es Sickels schafft? Käme der Verein in der Gruppenliga zurecht?

Tim Seitz: Falls es zum Aufstieg kommt, glaube ich schon, dass Sickels auch in der Gruppenliga gut unterwegs sein könnte. Sie habwen viele ambitionierte Spieler, mit Angel Natsev und Marc Friedel auch viel Erfahrung. Mit den weiteren Neuzugängen kann ich mir gut vorstellen, dass die Mischung passt.

Claudius Eckard: Ich bin da vorsichtiger. Man müsste schon zunächst versuchen, die Klasse zu halten. Es ist einfach eine Klasse höher.

O|N: Was macht den FV Horas aus - was die SG Sickels?

Claudius Eckard: Es sind beides Stadtvereine. Beide haben einen ähnlichen Werdegang, Horas hatte mit dem '99er/2.000er-Jahrgang seine große Zeit - mit Spielern wie Mark Zentgraf, Julius Günther, Julian Keller, Thomas und Daniel Fabrizius, Tim Lübeck oder Thomas Pekalla - Sickels erlebt sie jetzt.

Tim Seitz: Es sind beides Vereine, die auf junge Spieler setzen. Sie wollen nicht das große Geld für Spieler ausgeben. Sie spielen halt da, weil die dort spielen wollen.

Claudius Eckard: Für mich gehört das Drumherum im Verein einfach dazu. Gemeinsam ein Bier zu trinken, oder montags nach der Regeneration die Niederlage aufzuarbeiten. Es sind nicht nur die 90 Minuten. Es gehört viel mehr dazu.

O|N: Abschließend habt ihr die Gelegenheit, den Anderen zu charakterisieren ...

Tim über Claudius: Sehr zielstrebig. Wenn er sich ein Ziel setzt, führt er es auch aus. Egal, ob Job oder Fußball. Sehr hilfsbereit. Er versucht, das Bestmögliche, für Andere herauszuholen. Eine Schwäche? Vielleicht das konsequente Nicht-nach-Hause-Gehen vor dem Spieltag. Auch wenn sich das etwas gebessert hat ...

Claudius über Tim: Das Erste, das mir einfällt: verlässlich. Sowohl im Leben als auch im Fußball. Er ist Torwart, und da ist es auch für mich als Innenverteidiger wichtig ... (wk)

Zur Person

TIM SEITZ wurde erst am Montag 26. Er arbeitet bei der Physiotherapie Engel am Aschenberg in Horas. Zusammen mit Claudius Eckard wohnt er in Fulda und kommt aus einer der Wohnungen im Schloss Fasanerie in Eichenzell. In Eichenzell begann er auch zu kicken. In der D-Jugend wechselte er nach Haimbach und blieb dort, bis es im Nachwuchsbereich zur Fusion mit Borussia kam. Dort spielte er in seinem ersten Seniorenjahr in der Zweiten in der Gruppenliga. Dann ging er nach Haimbach zurück - und vor drei Jahren schloss er sich dem FVH an.

CLAUDIUS ECKARD ist 23 und arbeitet seit fünf Jahren als Bauingenieur beim Ingenieurbüro Gajowski in Baunatal. Seine Schwester heißt Paulina, sie kickt für Gläserzells Frauen. Claudius stammt aus Petersberg-Steinau, sein Vater Daniel trainierte ihn bis zum zweiten E-Jugend-Jahr. Dann wechselte er zum FV Horas. Seit 13 Jahren spielt er für den FVH - mit einem Jahr Unterbrechung. Unter Sebastian Sonnenberger und Benedikt Kaiser kickte er für Viktoria Fulda in der Hessenliga. +++

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