Arik Reiter zu Gast im Sportgespräch (13)

Dreifacher Europameister in Pool-Billard: "Dieses Turnier ist einmalig im Leben"

Dreifacher Europameister in Pool-Billiard Arik Reiter zu Gast im Sportgespräch
Fotos: Marius Auth

09.08.2022 / FULDA - Finally! European Open im Esperanto Hotel: Ab Dienstag findet in Fulda Europas größtes Pool-Billard-Turnier statt. Ein einzigartiger Wettkampf von einer solchen Größenordnung, die in Fulda bislang nie dagewesen ist. Fulda wird zum Schauplatz des Aufeinandertreffens der 256 weltbesten 9-Ball Spieler, die sich in den folgenden fünf Tagen miteinander messen. Dieses Spektakel wird in mehr als 253 Ländern von Sendern wie DAZN, Sky Sports oder auch YouTube rund um den Globus übertragen. Unter den zahlreichen Teilnehmern sind auch heimische Spitzenspieler wie Thorsten Hohmann, Raphael Wahl, Erik Köhler und Arik Reiter vertreten. OSTHESSEN|NEWS hat Letzteren zum Sportgespräch eingeladen, um mehr zum Turnier, aber auch über die Sportart, herauszufinden. 


Im O|N-Sportgespräch lassen wir - in diesem Fall am Dienstag - Sportler aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte. Heute folgt Teil 13 der Serie. 

Arik Reiter ist 49 Jahre alt und von Beruf gelernter Diplomkaufmann. Er ist schon lange im E-Commerce-Bereich tätig und war unter anderem bereits Geschäftsführer von Verivox (Pro Sieben) und Galeria Kaufhof. Zusätzlich besitzt er auch eine eigene IT-Firma. Vor 20 Jahren, und noch vor seiner erfolgreichen beruflichen Karriere, war Arik Reiter jedoch anderweitig beschäftigt: Er war leidenschaftlicher Pool-Billard-Spieler, der von 1986 bis 2002 zahlreiche Titel abgesahnt hat. 

Film-Klassiker "Die Farbe des Geldes" als Auslöser 

Pool-Billard ist womöglich nicht die erste Sportart, die einem sofort in den Sinn kommt. Für Arik Reiter sah dies anfangs ähnlich aus. "Ich war, bis ich 14 Jahre alt war, der klassische Fußballspieler. In den 80er Jahren habe ich mir dann einmal den Film 'Die Farbe des Geldes' von Martin Scorsese mit Paul Newman angeschaut und war sofort begeistert von Pool-Billard. Dieser Klassiker war meiner Meinung nach auch ausschlaggebend für die Begeisterung für diese Sportart weltweit. Ich hab' dann angefangen, zunächst abends im Billardcafé in Frankenberg (Eder) zu spielen. Dort wurde 1986 auch direkt der PBC Frankenberg (Pool Billard Club) gegründet", erinnert sich Arik Reiter. 

"Pool-Billard hat mich einfach fasziniert": Eine Leidenschaft entfacht

"Mich hat es einfach so begeistert, dass ich als Jugendlicher mit den Erwachsenen spielen durfte und man für Spiele in der Kreisliga beispielsweise schon mal nach Darmstadt gefahren ist. Mit Fußball hab' ich dann komplett aufgehört, denn Pool-Billard hat in mir eine neue Leidenschaft entfacht." In den darauffolgenden Jahren gewann er mehrere Titel, unter anderem 24 Mal die Hessenmeisterschaft, viermal die deutsche Meisterschaft (davon zweimal mit dem PBC Fulda) und dreimal wurde er Europameister. Während dieser Zeit lernte er auch Thorsten Hohmann kennen, der allein fünfmal die Weltmeisterschaft im '14.1 endlos' gewonnen hat. "Ich kenne Thorsten schon, seitdem er seine erste weiße Kugel gestoßen hat. Er war noch ein kleiner Bursche, der uns immer bei Spieltagen zugeschaut hat. Manchmal saß er da sogar noch im Schlafanzug" erzählt Arik Reiter mit einem breiten Lächeln. 

"Ich entschied mich für die Familie und meine Karriere"

Allerdings kam für Arik irgendwann der Moment, wo er und seine Leidenschaft getrennte Wege einschlugen. "2002 hatte ich eigentlich schon mit Pool-Billard aufgehört. Ich war einfach eingespannt durch Familie und Beruf. Als dann 2003 nach unserer Hochzeit auch unsere Tochter zur Welt kam, habe ich mich für die Familie und Karriere entschieden. Ich habe es einfach nicht vermisst, da war kein böses Blut oder derartiges dabei. Selbst heute ist es rückblickend betrachtet merkwürdig." Durch die berufliche Entwicklung und die seiner Familie hat er dann auch in seiner Freizeit kaum noch gespielt. Was vorher von ihm den Zeitaufwand eines Profis forderte, fand in seinem neuen Lebensabschnitt einfach keinen Platz - eine Tatsache, die ihn eigentlich traurig macht. "Es war nicht nur die Leidenschaft. Ich hatte auch keine Zeit mehr, um all die Freundschaften aufrechtzuerhalten. Hohmann habe ich glücklicherweise oft auf meinen beruflichen Reisen getroffen, doch sind die meisten Kontakte einfach abgebrochen."

"Dieses Turnier ist nicht nur für mich eine unglaubliche Bereicherung"

Umso erfreuter war er, als er von Thorsten Hohmann um Hilfe gebeten wurde, dieses große Event nach Fulda zu bringen. "Die ganze Vorbereitung hat in mir eine Art Flashback ausgelöst. Ich treffe Leute wieder, die ich zuletzt vor 20 Jahren sah. Die Freude ist kaum in Worte zu fassen. Im Nachhinein war es ein Fehler, alles so abzubrechen. Emotional ist das Ganze echt heftig, denn nach all den Jahren kommt dieser große Teil meines damaligen Lebens wieder zurück." Doch nicht nur die alten Freundschaften leben wieder auf. "Zusätzlich habe ich meine Leidenschaft für den Sport neu entdeckt. Ich bin wieder heiß auf Pool-Billard. Meine Kinder kannten mich immer nur als einen 'Business-Fuzzi' und haben jetzt ihren Vater zum ersten Mal spielen gesehen. Vorher hab ich es überhaupt nicht geschafft, sie für irgendeine Art von Sport zu begeistern, aber inzwischen sind sie oft bei der SG Johannesberg dabei."

SG Johannesberg schwimmt auf gigantischer Erfolgswelle 

Damit es zu seiner neuen Spielfreude kam, musste schon Einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. "Ein langjähriger Freund hatte mir erzählt, dass die zweite Mannschaft der SG Johannesberg einen erheblichen Personalmangel hatte. Er bat mich sehr hartnäckig um Hilfe, also half ich letztendlich aus." Mit einem solchen Profi zu spielen, motivierte die gesamte Mannschaft. Im Laufe der fulminanten Saison stieg die zweite Mannschaft in die Oberliga Hessen ein. Doch nicht nur die Zweite Mannschaft, sondern auch die Erste machte Schlagzeilen. "Die Erste Mannschaft ist derweil sogar in die Erste Bundesliga aufgestiegen. Ein enormer Erfolg, und zurzeit herrscht vor Ort nur eines - Euphorie." 

Den PBC Fulda gibt es seit 18 Jahren nicht mehr. Nachfolgeverein ist die SG Johannesberg, in der laut Arik Reiter auch noch viele Leute vom damaligen Verein aktiv sind. Dennoch kommen immer mehr neue Leute hinzu, vor allem aus Fulda und Umgebung. Aktuell habe der Verein 75 Mitglieder. 

"Die soziale Komponente ist enorm"

Nun stellt sich natürlich die Frage: Was ist an Pool-Billard so besonders? Arik Reiter hat dafür sofort die passenden Antworten parat. "Grundsätzlich rate ich erstmal jedem Jugendlichen, eine sportliche Aktivität zu machen. Pool-Billard an sich hat viele verschiedene Anreize. Man lernt das strategische Denken, da man oft bis zu neun Züge im Voraus planen oder sich neue Situationen adaptieren muss, wie beim Schach. Man lernt natürlich auch das Arbeiten und Spielen im Team, den Austausch mit Anderen und viel über die Psyche. Aber auch Mathematik und Physik finden unter anderem bei Trickshots ihre Anwendung." 

"Dieses große Event in Fulda ist ein neues Level"

Nach einem kleinen Exkurs über die verschiedenen Queue-Arten, ihrem Material, den Handgrifftechniken und verschiedene Rituale vor dem Spiel oder währenddessen (für Arik Reiter ist das Musik zu hören, um in den "Modus" zu kommen), erzählt er, was er von dem Turnier in Fulda hält. "Es ist wirklich grandios, für uns und für Fulda. Die Produktion von Matchroom ist erstklassig, so eine gab es hier noch nie. Innerhalb von 23 Minuten waren die Tickets ausverkauft. Zusammen mit dem tollen Sommerangebot hier in Fulda, sei es durch das Genussfestival oder die anderen kulturellen Angebote, wird das mit Sicherheit ein riesengroßer Erfolg. Die Stadt Fulda hat sich enorm engagiert, allen voran Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld. Es ist ein Weltklasse-Sport mit Weltklasse-Produktion. So hat man die Esperanto-Halle auch noch nie gesehen, da wurde eine richtige Arena mit Licht- und Musikshow errichtet, die nur dazu einlädt, heimische Spieler und mich alten Sack anzufeuern", scherzt der Profi. "Und diese Unterstützung werde ich mit Sicherheit brauchen, auch wenn ich so oder so schon gewonnen habe. Vor einem halben Jahr hätte ich nie gedacht, wieder so ein Niveau zu haben und so ein Turnier hier zu veranstalten."

Für Reiter ist dieses Turnier aber auch eine Art Erleichterung nach Corona. "Wieder so viele Menschen glücklich zu sehen, Spaß zu haben und spielen zu können ist einfach ein Traum. Für mich ist es auch wichtig, als Vorbild in dieses Turnier zu gehen. Ich will vor allem den Jüngeren zeigen, wie man mental ruhig bleiben kann und sich mit Anstand und Herz in einem Turnier beweisen kann. Denn letztendlich ist Teambuilding das Wichtigste. Nicht die vier besten Einzelspieler gewinnen - sondern das beste Team."

Konkurrenz zwischen Freunden schadet nie

Wer gewinnt denn eigentlich: Arik Reiter oder Thorsten Hohmann? "Ich kenne ihn schon sehr lange, kenne seine Schwächen und Stärken. Auch wenn er der zehnfach bessere Spieler ist, werde ich definitiv gewinnen. Ich bin ihm mental einfach überlegen." Eine Stichelei unter Freunden. Was will man mehr? Neben den beiden werden auch andere Weltstars wie Shane Van Boening (amtierender Weltmeister) vor Ort um das Preisgeld von 200.000 Dollar kämpfen.

"Also, nehmt dieses Event und den Sommer mit. Für Fulda ist das ein neues Level, und von so etwas brauchen wir viel mehr. Die Stadt hat es verdient, denn Fulda ist eine tolle Stadt, die so viel zu bieten hat, ich liebe sie." Wer Interesse am Turnier hat, findet hier mehr Infos.

Arik Reiter spielt übrigens am Dienstag, 13 Uhr, gegen den neuseeländischen Meister Sullivan Clark und wird sich über jeden begeisterten Fan in der Halle mehr als nur freuen. Thorsten Hohmann ist bereits um 10 Uhr an der Reihe. Mit 17 Euro für ein Tagesticket kostet es auch nicht die Welt. Und wer weiß, vielleicht wird in dem Einen oder Anderen - so wie bei Arik damals  - eine neue Leidenschaft entfacht. (Mathias Schmidt)+++


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