Was wir lesen, was wir schauen (133)

Geschenktipps zu Weihnachten - Zeit für schöne Geschenke

Weihnachtlich geschmückte Straße in Oslo
© pixabay

14.12.2025 / FULDA - "Schenken heißt, einem anderen etwas geben, was man am liebsten selbst behalten möchte", hat Selma Lagerlöf einmal gesagt. Stimmt. Andere Geschenke sind Verlegenheits- oder Peinlichkeitsangelegenheiten. Hier finden Sie eine Auswahl an Büchern, Filmen und CD’s, die Sie sich selbst schenken können – oder einem Ihrer Lieblingsmenschen.



Dichter der Umbrüche: Rainer Maria Rilke

Am 04. Dezember feierten Rilke-Fans den 150. Geburtstag des Dichters. Sie können Ihre Buchregale durchstöbern, was von Rilke Sie schon im eigenen Angebot haben, oder sich wirkliche Schätze gönnen. Da ist zum einen das Rilke Projekt von Schönherz & Fleer. 2002 kamen die drei CD’s heraus, auf der bekannte Schauspieler:innen Rilke-Gedichte zu Musik lesen – das ist berührend, und einfach wunderschön. Die Titel: "Das ist die Sehnsucht", "Bis an alle Sterne" und "Überfließende Himmel". 2025 erschien mit "So viel Himmel" noch eine vierte CD.

Wenn Sie sich selbst mit dem Klangzauberer Rilke vertraut machen wollen, wählen Sie lyrisch am besten die "Duineser Elegien". In ihnen hat Rilke die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs verarbeitet – aber auch die Zumutungen und Brüche der Moderne. Mein Tipp: Lesen Sie sich die Elegien laut vor, dann erst entfalten sie ihre ganze Wirkkraft. Oder Sie greifen zu den "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", dem vielleicht ersten Roman der literarischen Moderne! Sechs Jahre,von 1904 bis 1910, arbeitete Rilke an diesem Werk, es spiegelt den massiven Umbruch der Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Pop aus Norwegen: Zwei a-ha-Alben zum 40. Geburtstag

Gleich zwei a-ha-Alben gibt es in diesem Jahr in der Anniversary-Edition zum 40-jährigen Erscheinen. Zunächst einmal die Anniversary Edition von "Take on me", die Ende November 2025 erschienen ist – auf schickem rotem Vinyl. Die Ausgabe ist streng limitiert und bringt acht Versionen des vielleicht ikonischsten Hits der 80er Jahre. Sie zu besorgen ist aber eine echte Herausforderung!

Wer von nur einem Jubel-Album nicht genug hat, kann sich auch noch "Minor earth, major sky" gönnen, die Jubiläums-Edition erscheint im Dezember 2025 –festlich-feierlich auf silbernem Vinyl. Wer sich auskennt weiß es, es gab schon mal eine Vinyl-Ausgabe dieses Albums. Der Unterschied: auf dem jetzt erscheinenden Album sind vier zusätzliche Tracks des Valhall-Konzerts 2001 mit drauf, und natürlich die schicke Vinyl-Farbe. Klar, beide Alben sind toll, beide Jubiläumseditionen eine Freude – aber das hilft nur sehr bedingt darüber hinweg, dass die fabulösen Norweger wegen der Parkinson-Erkrankung ihres Leadsängers Morten Harket keine Konzerte zu ihrem 40. Bühnenjubiläum geben, geben können. Seufz!

Ein umstrittenes Kinderbuch: Astrid Lindgren, Die Brüder Löwenherz

Astrid Lindgrens Bücher kann man in jedem Lebensalter lesen und wieder lesen. Eines meiner Lieblingsbücher von ihr ist "Die Brüder Löwenherz", eine zeitlose Geschichte über eine Liebe, die so stark ist, dass sie den Tod überwindet. 1973 erschien dieses Buch, und wurde sogleich von ängstlichen Eltern und besorgten Pädagogen als ‚zu schwierig und viel zu ernst für Kinder‘ gelabelt. Außerdem – ein Märchen! Altmodisch und out. Und ein Abenteuerroman! Wo bleibt denn da das Gesellschaftlich-sozialkritische? Lindgrens Buch enthielt so gut wie nichts von dem, was Erwachsene in den 70-er Jahren in Kinderbüchern schätzten und als pädgogisch wertvoll einstuften. Auch die Presse fiel über das Buch her. Denn ja, es geht um den Tod, und der war in Kinderbüchern damals noch ein Tabuthema. Die Hauptfigur ist Krümel, der todkrank ist, Angst vor dem Sterben hat und dem sein großer Bruder Jonathan deshalb von Nangijala erzählt, jenem Land, in dem man jeden Tag Abenteuer erlebt.

Heute kann man die ganze Aufregung nicht mehr verstehen. Auch als Erwachsene empfinde ich die "Brüder Löwenherz" als Trostbuch und lege es Ihnen wärmstens ans Herz. Zum Selbstlesen genauso wie zum Vorlesen.

Die Samtstimme der 70er Jahre: Cat Stevens, Tea for the Tillerman

Hach, Cat Stevens!, als der noch so und nicht Yusuf hieß! Bei meinem ersten Besuch in London im Jahr 1977 führte der Weg meine beste Freundin und mich – Cat-Stevens-Fans waren wir beide – in die Carnegie Road, damals das Paradies für Musik mit vielen Plattenläden. Unser Plan: Cat-Stevens-LPs kaufen. Ich erwarb "Izitso", meine Freundin "Teaser and the Firecat".

Im November 1970 erschien "Tea for the Tillerman", das Album, mit dem Cat Stevens‘ internationale Karriere begann. Mit diesem und dem Vorgänger "Mona Bone Jakon" eroberte er sich seinen Status – fortan war er DER akustische Troubadour seiner Generation. Und er war die Stimme der Sinnsuchergeneration, wie die SZ das in einem Artikel vom 23.12.2020 schrieb. Cat Stevens war das Gegenprogramm zu den langmähnigen Hard Rockern und ‚männlichen‘ Männern in Musik und Film – Samtaugen, Lockenkopf und Lieder, die sich in den Gehirnzellen festhakten, inklusive. Über 100 Millionen verkaufte Alben sind ein deutliches Statement, oder?

Als Stevens 1977 zum Islam konvertierte, hörte er auf, zu musizieren – aber seine Lieder blieben ja da. Übrigens hatten wir damals von seiner Konversion absolut nichts mitbekommen! Wie so oft bei Konvertiten wurde auch Cat Stevens besonders religiös und superstreng. Er lehnte die Gitarre als ‚westliches‘ Instrument ab, sympathisierte mit der Fatwa gegen Salman Rushdie, verurteilte Schwulsein als Sünde und fand es normal, Frauen nicht mehr die Hand zu geben. Alles ziemlich schwer bis gar nicht erträglich.

Erst ab 1995 machte Cat Stevens unter seinem neuen Namen Yusuf Islam wieder Musik. Als Fan hört man sich natürlich auch das an, aber die neuen Alben kann man nicht mit seiner Musik aus den 70-er Jahren vergleichen. Heute lebt Cat Stevens übrigens in Dubai und engagiert sich in vielen sozialen Bereichen – ein muslimischer Heißsporn ist er glücklicherweise nicht mehr.

2020 spielte Cat Stevens "Tea for the Tillerman" übrigens nochmals ein, ein Zeichen, wie wichtig ihm dieses Album ist und welchen Stellenwert es in seinem Werk einnimmt. Was für grandiose Titel sind aber auf diesem Album: "Where do the children play?", "Hard headed woman", "Sad Lisa", "Longer Boats" und natürlich "Father and Son". Also – schwelgen Sie in dieser Musik, gern auch die Album-Versionen von 1970 und 2020 vergleichshören!

Verführt zum Verbrechen: Götz Aly, Wie konnte das geschehen?

In Zeiten, in denen Populisten von rechts in Deutschland und sonst wo auf der Welt zulegen, ist es besonders hilfreich, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Der Historiker Götz Aly hat in diesem Jahr ein Buch vorgelegt, von dem mancher sicher denkt, nee – nicht noch ein Buch über den Nationalsozialismus, gibt doch genug. Ich frage zurück: Kann es genug geben, wenn es so viele Menschen gibt, deren Wissen über diese Zeit marginal ist oder die sich den Erkenntnissen, die man aus der NS-Zeit ziehen kann, verweigern? Eben.

Alys Buch ist umfassend und umfangreich, und er gibt keine einfachen Antworten. Besonders widmet er sich den Fragen, wie und warum ganz normale Deutsche zu Mördern wurden und wie die NS-Herrschaft Deutschlands Demokratie von innen aushöhlte. Es ist nachgerade gruselig zu lesen, wie systematisch vorgegangen wurde, um jeden Widerstand zu brechen und die Bevölkerung langsam in immer mehr Verbrechen hineinzuziehen. Aly widmet sich besonders den Verführungsmechanismen des Regimes.

Die Normalisierung des Ausnahmezustands gelang auch deshalb, weil es nicht eine Clique weniger ‚da oben‘ war, die sich schuldig machte, sondern tatsächlich ‚die Deutschen‘ daran beteiligt waren: "Die Menschheitsverbrechen der Hitler-Jahre begingen Deutsche, die in der Regel weder vorher noch nachher kriminell handelten. Menschen auch, die sich intellektuell und moralisch kaum von uns Heutigen unterscheiden. Sie stammten aus allen Schichten der Bevölkerung. Gut ausgebildete Musiker und Juristen wurden ebenso zu Massenmördern wie Polizisten, Büroangestellte, Bauern, Fach- oder Hilfsarbeiter."

Eine wirklich profunde und hervorragend geschriebene Analyse, die übrigens auch sehr hilfreich ist bei der Analyse heutiger populistischer Parteien und Regimes.

Eins mit dem Universum: The Doors, Night divides the day

Wenn Sie zu den Menschen gehören, die wie ich die Doors für eine der größten, wenn nicht die größte Band der End-Sechziger und beginnenden 70er Jahre halten, dann sollten Sie sich diese in 2025 erschienene Anthologie besorgen. Das Buch ist ein textliches und visuelles Fest, denn hier sind Dokumente aus dem Archiv der Band versammelt – von ersten Auftritten, als noch niemand sie kannte, bis zum letzten Auftritt in New Orleans am 12. Dezember 1970, Fotos aus Kindertagen, handgeschriebenen Gedichten, Postern, Plakaten und unveröffentlichten Platten-Covern. In diesen Dokumenten erzählen die Doors ihre Geschichte, dazu kommen Beiträge anderer Künstler wie Van Morrison, Nancy Sinatra, Slash, Nirvana Bassist Krist Novoselic oder Dirigent Gustavo Dudamel.

Oder in den Worten Jim Morrisons: "Wir dachten über unsere Karriere nach, als sie passierte. Wir waren nicht trendbewusst, wir machten einfach genau das, was wir sowieso gemacht hätten". Deshalb sind sie so gut, deshalb ist ihre Musik über 50 Jahre nach Erscheinen noch so taufrisch und aufregend wie damals und besser als so ziemlich alles, was aktuell die Charts verstopft.

Superzuckriges Camp: Die Serie Maxton Hall

Das müssen Sie sich einfach geben: Da gibt es auf Amazon Prime und als DVD eine erfolgreiche deutsche Internats-Serie, die so tut, als sei sie ein britisches Erzeugnis. Klassenkampf hübsch verpackt. Im Zentrum stehen die Liebeshändel der armen Ruby und des reichen James. Die treffen sich in der Eliteschule Maxton Hall, und verlieben sich gegen alle Widerstände von innen und außen. Dann folgt ein Klischee auf das andere: zitternde Lippen, flatternde Augenlider, hölzerne Dialoge, Glyzerintränen und Beinahe-Sexszenen inclusive. Das Storytelling ist so vorhersehbar, dass man schon wieder Spaß daran bekommt.

Jedes ‚Trope‘, an das Sie denken könnten, findet sich. Ja, es gibt moderne Anklänge, aber alles entpuppt sich letztlich als Staffage und Kulisse für die uralte Erzählung von der armen, schönen Prinzessin, die von ihrem edlen, reichen Prinzen errettet wird, um fortan an seiner Seite für sein Glück zuständig zu sein – ok, für ihres auch ein bisschen.

Falls Sie jetzt denken, oh, ist wie Jane Austen, muss ich Ihnen heftig widersprechen: Austen wolle die Befreiung der Frauen und ihre Selbständigkeit, auf keinen Fall dieses Kitsch-Gesülze und die Zementierung alter Rollenklischees. Provinz pur, aber wunderbar, wenn Sie abends einfach beim Streamen das Gehirn in den Stand-by-Modus versetzen wollen. Oder wie ein Freund von mir sagt: Man kann problemlos Kierkegaard nebenher lesen. Aber manchmal braucht man genau diese Betäubung.

Dunkle Spannung: Christoffer Carlsson, Wenn die Nacht endet

Es gibt Krimis, die knallen, und es gibt Krimis, die sich langsam wie kalter Nebel ausbreiten und erst spät merken lassen, dass man längst tief drinsteckt. Dieser Krimi gehört eindeutig zur zweiten Sorte. Er spielt im fiktiven schwedischen Dorf Skavböke. Im Zentrum stehen zwei Jugendliche: Sander Eriksson und Killian Persson. Eine Nacht verändert alles — und das Dorf wird diesen Schatten nie wieder ganz los. Jahre später beginnt der Polizist Vidar Jörgensson, die alten Spuren erneut aufzunehmen. Carlsson pendelt zwischen damals und heute, und in diesem Wechsel liegt die Spannung: Die Gegenwart ist voller Risse, die nur existieren, weil die Vergangenheit nie richtig erzählt wurde. Früher und Jetzt verschwimmen.

Carlsson erzählt ruhig und mit einer Genauigkeit, die schmerzt. Ihn interessiert das Leben nach dem Verbrechen: die verdrängte Schuld und die Wahrheit, die immer wieder an die Oberfläche drängt, egal ob man das will oder nicht. "Wenn die Nacht endet" ist der dritte Band in der Reihe der Halland-Krimis – die man aber sehr gut unabhängig voneinander lesen kann, weil Carlsson mit einem lockeren Figurenkosmos arbeitet und es nicht die immergleichen Personen oder Ermittler sind, die uns begegnen.

Der Krimi wurde mit dem schwedischen Krimipreis des Jahres 2023 ausgezeichnet. Die Zeitung Dagens Nyheter befand, das Buch sei "einer der besten Kriminalromane des Jahres, hervorragend geschrieben und atmosphärisch, über das Erwachsenwerden und über Träume, alte Lügen und neue Erkenntnisse."
(Jutta Hamberger) +++

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