Was wir lesen, was wir schauen (51)

Aiga Rasch, Im Schatten des Ruhms - Die Mutter der drei Fragezeichen

Cover zu „Die Rache des Tigers“ (1994) – ein Entwurf, den Aiga Rasch besonders schätzte, weil sie Keith Haring in die Gestaltung eingebunden hatte
© Kosmos Verlag

10.07.2022 / REGION - Mögen Sie Krimis? Und wenn ja – seit wann lesen Sie Krimis? Vielleicht gehören auch Sie zu den Millionen Fans der Reihe "Die drei ???"? In Stichworten: phänomenal erfolgreich seit 50 Jahren. Mehr als 16,5 Millionen verkaufte Bücher. Mehr als 45 Millionen verkaufte Hörspiele. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor sind die Umschlagillustrationen von Aiga Rasch, die am 9. Juli 81 Jahre alt geworden wäre.



Eine junge Grafikerin mischt die Szene auf

1969 sah die junge Illustratorin Aiga Rasch in der Redaktion des Kosmos Verlags zwei Titel der Reihe "Die Drei ???" liegen – "Das Gespensterschloss" und "Die flüsternde Mumie". Sie war fasziniert und wollte wissen, wie die Titel laufen würden. Nicht so gut, gestand die Lektorin, woraufhin Aiga Rasch ihr anbot, kostenlos neue Entwürfe zu zeichnen – Honorar nur dann, wenn der Verlag die Entwürfe nehmen würde.

Was damals sicher niemand für möglich gehalten hätte: Aus diesem spontanen Angebot entwickelte sich eine über 30 Jahre andauernde Zusammenarbeit. Denn Aiga Rasch entwickelte das ikonographische Design der Reihe, die wir so bis heute kennen: schwarzer Fond, der Schriftzug "Die drei ???" in weiß, rot und blau. Die ersten Cover entwickelt sie mit Filzstift und Tusche, ab den 1980er Jahren arbeitet sie dann mit einen Grafikprogramm am Mac. Sie illustrierte nicht heile Welt und Abenteuer, es sind v.a. Fotos in Zeitschriften, Zeitungen oder Werbeanzeigen, die sie inspirieren. Mit ihr hält der Realismus Einzug ins Kinderbuch. Es wurde nicht mehr blond-blauäugig gelächelt, es ging nicht mehr um heitere Harmlosigkeit. Die Geschichten nahmen junge Leser/innen ernst, gleiches taten die Cover-Illustrationen. Die Cover ‚erklärten‘ nicht die Geschichte, sie setzten ein visuelles, starkes Signal mit hoher Wiedererkennbarkeit. Und: sie sprechen Erwachsene genauso an wie Kinder und Jugendliche.

Mit Aiga Rasch brach erstmals eine junge Frau in die männliche Phalanx der Cover-Illustratoren ein. Wie anders und ungewöhnlich ihre Gestaltung war, wird klar, wenn man die Detektiv-Reihen anschaut, die sonst für Kinder geschrieben wurden (z.B. die Serien von Enid Blyton: Hanni und Nanni, Die Fünf Freunde, Geheimnis um…, Abenteuer... Stefan Wolf: TKKG. Thomas Brezina: Knickerbocker Bande und Tom Turbo etc.). Überall steht ‚Kind‘ im Fokus, die Gestaltung ist gefällig und bei keiner Reihe visuell eindrücklich.

"Der Fluch des Rubins" wird 1970 das erste Aiga-Rasch-Cover der Reihe. Viele und intensive Diskussionen waren diesem Cover vorausgegangen, denn es lag so ziemlich zu allem quer, was man damals im Jugendbuch für gut und richtig hielt. Schwarz und düster für Kinder und Jugendliche? Geht gar nicht, befand der Verleger. Aiga Rasch hielt dagegen – geht doch, muss sogar so, war ihr Standpunkt. Irgendwann gab Rolf Keller klein bei mit der Bemerkung, "Sie sind näher dran an den Lesern als ich" – das stimmte, Aiga Rasch war gerade mal 28 Jahre alt.

Matthias Bogucki, Aiga Raschs Nachlassverwalter, ist der Überzeugung, dass man in den 1970er Jahren an der Illustratorin Aiga Rasch gar nicht vorbeikam. Sie arbeitete für viele deutsche Verlage und entwickelte dabei mehr als 600 Umschläge. Und alles, was gerade die 1970er ausmachte, sei in ihren Covern wiederzufinden. "Die Vielfalt spiegelt sich auch in ihren Covern wider. Sie liebte die Beatles (v.a. Ringo), was man unschwer erkennen kann, wenn man das Plakat zu Yellow Submarine und ihr U-Boot bei "Das U-Boot Fritz" (James Krüss, 1977) vergleicht, man sieht sofort die Parallelen. Auch Andy Warhol und Keith Haring hat sie geliebt."

Wer diese faszinierende Illustratorin auch jenseits der "Drei ???" kennenlernen möchte, dem sei der von Bogucki 2021 herausgegebene Bildband "Aiga Rasch – im Schatten des Ruhms" ans Herz gelegt. Das ist ein Buch zum Schmökern und Staunen, in dem man die Vielseitigkeit der Illustratorin nacherleben kann.

Leser, die Fans sind und bleiben

Vielleicht eines der berückendsten Merkmale der Serie ist es, dass ehemalige Leser und Fans später oft auch zu Autoren wurden, sowohl für die Bücher als auch für die Hörspiele. Besonders spannend ist es, was die Leser/innen zu ‚ihrer‘ Serie sagen, hier einige Kostproben:

Jennifer Walther-Hammel, 39, Museumspädagogin, Bergisch-Gladbach: "Seit fast 30 Jahren lese ich "Die drei ???" Bücher und höre die Hörspiele – wie viele andere Fans bin ich Justus, Peter und Bob immer treu geblieben. Die Detektive sind ein Stück Kindheit, das geblieben ist. Schon immer gehörten für mich die prägnanten Cover-Illustrationen von Aiga Rasch zum "Drei ???-Feeling" dazu. Das bunte Bild vor dem düsteren schwarzen Hintergrund stand für Spannung, Rätsel und Abenteuer. Die Illustrationen von Aiga Rasch sind so für mich zum Sinnbild der Detektivreihe geworden. Jetzt – mit dem Blick der Kunsthistorikerin und Kuratorin einer Ausstellung mit ihren Werken im Bilderbuchmuseum ist meine Wertschätzung weiter gestiegen. Gerade im schnellebigen Geschäft auf dem Kinder- und Jugendbuchmarkt ist es umso beeindruckender, dass Aiga Rasch von Beginn an eine Vision für die Gestaltung der Buchreihe "Die drei ???" hatte und diese so konsequent umsetzte, dass sie Jahrzehnte überdauerte." 

Thalea Gaugler, 12, Stuttgart: "Ich lese schon seit vier Jahren "Die drei ???" Aufmerksam geworden bin ich durch die schwarz umrandeten Cover. Bei den "drei ???" mag ich das Cover des Buches "Die drei ??? und der Karpatenhund" am meisten, weil der Karpatenhund lebendig aussieht durch die vielen Schattierungen und die verschiedenen Farbtöne."
 
David Kieckbusch, 22, Ostfildern: Meine Eltern sind seit Jahrzehnten große "Die drei ???" Fans. Ich bin also in meiner ganzen Kindheit mit den Werken Aiga Raschs konfrontiert worden. Bis zum Erscheinen des Bildbands "Aiga Rasch – Im Schatten des Ruhms"  kannte ich nur die prägnanten Cover der "Die drei ???" Bücher. Sie waren einprägsam, nicht in dem Sinne, dass sie zu künstlerisch und daher wenig zugänglich waren, sondern weil sie schlicht waren und immer ins Auge stachen. Erst durch den Bildband wurde mir die ganze Bandbreite der Künstlerin Aiga Rasch bewusst."

Christoph Meier, 45, Fulda: "Leider habe ich Aiga Rasch nicht mehr persönlich kennengelernt. Begleitet hat sich mich jedoch seit meiner frühesten Jugend. Zuerst unbewusst, als künstlerische Schöpferin der Cover von "Die drei ???" auf Büchern, LPs und Hörspielkassetten. Die Mischung aus grellen Farben und dunklen Motiven, faszinierte mich. Von dieser Anziehungskraft ist bis heute nichts verloren gegangen. Im Gegenteil, als ich 2018 das erste Mal die Chance hatte, eine echte "Aiga Rasch" zu betrachten, hat mich die farbliche Brillanz schier überwältigt. Die Kombination aus Farben und Motiven ist einmalig und hat einen hohen Wiedererkennungswert."

Die Zukunft der Drei ???

Nun scheint es, als ginge die Ära Aiga Rasch bei den "Drei ???" zuende. Denn im März 2021 gab der Kosmos Verlag bekannt, dass er mit der Neuauflage der alten Fälle der Drei ??? ein komplettes Redesign der Serie vornimmt und sich damit endgültig von dem Aiga Raschs trennt. Für das Design zuständig sind jetzt Andreas Ruch und Silvia Christoph. Aus Redaktionssicht sei dieser Relauch nachvollziehbar, meint Matthias Bogucki. Ich sehe es so: Der Relaunch macht erneut deutlich, wie genial, wie kraftvoll und wie visionär die Aiga-Rasch-Gestaltung war (und ist). Denn der Relaunch ist weitaus konventioneller und braver. Dabei sind die Veränderungen durchaus drastisch. Der Schriftzug "Die drei ???" wird optisch dominant plaziert, aber die Versalien und die Unterstreichung tun des Guten zuviel – ich jedenfalls mag von einem Cover nicht angeschrieen werden.

Nicht in allen Covern bleibt der schwarze Hintergrund – der Aiga Rasch so wichtig war – deutlich sichtbar. Das führt zu einer Verunklarung und nimmt den Covern viel von ihrer Kraft. Auffallend ist auch, dass die neuen Cover wieder mehr ‚illustrieren‘ und ‚erklären‘, statt eine klar erkennbare neue Vision der Reihe umzusetzen. Und: in ihrer Wirkung verlierendie Cover ihre generationenübegreifende Faszination. Raschs Cover könnte man sich auch an die Wand hängen, die des Relaunchs eher nicht.

Sammler werden sich über das neue Format ärgern, das so gar nicht zu den ca. 200 Bänden passt, die vielleicht schon im Schrank stehen. Immerhin – basierend auf der Gestaltung Aiga Raschs steht noch im Impressum.

Ein großes Danke geht an Matthias Bogucki, Aiga Raschs Nachlassverwalter, und an Christoph Meier, Mega-Fan der "Drei ???" aus Fulda. Beide gemeinsam initiierten 2018 eine spektakuläre Schau der Original-Cover Aiga Raschs in der Kinderakademie Fulda und regten mich dazu an, Aiga Rasch zum Thema meiner sonntäglichen Buchkolumne zu machen. Das habe ich sehr gern aufgegriffen, da ich Mitte der 90er prägende und schöne Jahre im Stuttgarter Kosmos Verlag verbrachte und die Ära von Johanna Henkel-Waidhofer als Autorin mitverfolgt habe.

Weiterführende Links

https://osthessen-news.de/n11602507/millionen-lieben-die-drei-spektakulare-schau-in-der-kinder-akademie.html 

https://diedreifragezeichen.fandom.com/wiki/Aiga_Rasch

https://www.aiga-rasch.de/

https://www.kosmos.de//content/buecher/kinder-und-jugendbuecher/die-drei/die-drei-die-geschichte-eines-kults/
 
https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-drei-und-ihre-illustratorin-wie-aiga-rasch-zu-den-100.html

https://www.rocky-beach.com/cover/coverueber.html

Jutta (Hamberger)+++

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