Was wir lesen, was wir schauen (129)

Zena Alkayat / Nina Cosford, Jane Austen - ein Leben voller Geschichten

„Zwischen gern tanzen und sich verlieben war nur ein kleiner, fast unvermeidlicher Schritt.“
© Groh Verlag

26.10.2025 / FULDA - Alles andere als Zuckerguss



Manche Bücher brauchen Zeit, bis sie auf dem deutschen Markt aufschlagen. So auch dieses illustrierte Geschichten-Buch über Jane Austen, das bereits 2015 in Großbritannien erschien, aber erst jetzt auf Deutsch herausgekommen ist. Endlich und Gottseidank, denn für alle, die Austens Romane gern lesen, ist dieses Buch eine Bereicherung. Im Gedenkjahr von Jane Austens 250. Geburtstag kommt es gerade richtig.

By a Lady – geheimnisvolle Autorenschaft

Es ist nicht das erste Buch, das eine andere Art der Annäherung an Jane Austen versucht – zu nennen sind etwa Gill Hornbys "Miss Austen", Natalie Jenners "Teatime im Jane Austen Club" oder liebevoll illustrierte Schmuckausgaben ihrer Werke wie etwa "Emma" von Marjolein Bastin. Was eigentlich lieben wir so an Jane Austen oder ihren Werken? Über die Frau selbst ist wenig mehr bekannt als – sagen wir, über William Shakespeare. Das geht schon mit der Autorenschaft ihrer Bücher los. Auf den Büchern stand nämlich nicht Austens Name, sondern lediglich der Hinweis "by a lady", denn Frauen publizierten damals nichts. Sollten Sie "Bridgerton"-Fan sein, dann haben Sie sicher genüsslich festgestellt, dass Penelope Featherington in ihrer Klatschkolumne mit dem Pseudonym "Lady Whistledown" Jane Austen zitiert. Und wie in der Netflix-Serie begann natürlich auch im 18. Jahrhundert sofort das Rätselspiel, welche Lady denn hier wohl geschrieben haben könnte.

Es gibt auch kaum bildliche Darstellungen Austens. Das bekannteste Porträt malte ihre Schwester Cassandra. Heute würde man dieses Bild ‚realistisch‘ nennen, denn schmeichelhaft ist Janes Darstellung mit spitzer Nase, verkniffenem Mund und sehr markanten Gesichtszügen sicherlich nicht. Für viele Leser:innen passte dieses Porträt so gar nicht zu ihrer Vorstellung von der Autorin, weswegen es später gewaltig aufgehübscht wurde, quasi eine frühe Form von Insta-Filtern. Auch auf dem Grabstein gibt es keinen ehrenden Nachruf. Auch dort wird ihre Autorinnenschaft verschwiegen, da steht nur "Jane Austen, jüngste Tochter eines Pfarrers".

War Austen emanzipiert?

Lieben wir Austen, weil sie wie kaum eine andere die Benachteiligungen und Einschränkungen in Worte gefasst hat, mit denen Frauen zu ihrer Zeit klarkommen mussten? Ohne Bitterkeit, aber doch mit bemerkenswerter Klarsichtigkeit hat Jane Austen es einmal so formuliert: "Eine Frau sollte, wenn sie schon das Unglück hat, etwas zu wissen, es immer so gut wie möglich verbergen." Zwar ging sie zur Schule, aber recht viel mehr als ein bisschen Bildung wurde ihr dort nicht vermittelt, immer ging es vor allem um die Zurichtung zur guten Ehefrau. Denn: Bildung erhöhte die Chancen auf dem Heiratsmarkt nicht im Geringsten. Eher sogar im Gegenteil. Für die beiden Austen-Töchter– neben sechs Brüdern – gab es nur eine Lebensperspektive, nämlich verheiratet zu werden. Eine Tatsache, die Austen in ihren Romanen immer wieder thematisiert. Wobei interessant ist, dass sie sich für das eigentliche Eheleben nicht die Bohne interessiert, nur für die Anbahnung der Ehen. Das ‚danach‘ wird ausgeblendet, und wenn es vorkommt, dann ist es nicht gerade eine Werbung für die Ehe.

Jane Austen wuchs in Steventon auf, das war ländlich, brav und eher langweilig. Die Familie gehörte zur Mittelklasse und keineswegs zur Welt der ‚Gentry‘, die sie in ihren Romanen immer beschrieb. Man war nicht arm, aber Geld war knapp. Austen heiratete nie – sehr ungewöhnlich zu ihrer Zeit – weil sie keinen fand, den sie wirklich mochte: "Alles ist wünschenswerter und erträglicher als eine Heirat ohne Liebe." Ein Grund war sicherlich auch, dass ihr die gesamte sogenannte 'gute' Gesellschaft eher dümmlich vorkam, das galt für die Frauen genauso wie für die Männer. Diese Entscheidung brachte erhebliche finanzielle Nachteile mit sich, denn nur über einen Ehemann hätte sie zu Vermögen und Eigentum kommen können.

War Jane Austen also emanzipiert? Ich finde, ja. Viel von dem, was sie tat oder eben nicht tat, war zwar äußeren Umständen geschuldet. Aber in ihren Werken hinterfragt sie die eingeschränkte Rolle von Frauen, sie behauptete sich als Schriftstellerin und sie verweigerte die ‚Versorger-Ehe‘ – damals war das revolutionär. Auch ihr Blick auf die bürgerliche Gesellschaft und ihre Normen ist kritisch. Wir sind in Austens Werk weit weg von Zuckerguss, wir sollten uns nicht von hinreißenden Kostümen und bezaubernden englischen Landschaften täuschen lassen, in denen die Verfilmungen so gern schwelgen. Auch der leichte Ton, in dem Austen schreibt, sollte uns nicht zum Fehlschluss verleiten, hier habe man seichte Literatur vor sich – das Gegenteil ist der Fall.

Radikal aus weiblicher Perspektive

Natürlich leben Frauen heute anders als vor über 200 Jahren, und ja, sie haben mehr Rechte und Möglichkeiten. In meinen Augen rührt die Faszination für die Autorin Austen daher, dass Frauen heute genauso mit Ungerechtigkeiten zu kämpfen haben wie in früheren Jahrhunderten. Nach wie vor bleiben viele Probleme rein weiblich – etwa Kindererziehung, die Vereinbarung von Beruf und Familie, oder die häusliche Pflege von Angehörigen. Wer "Emma", "Stolz und Vorurteil" oder "Sinn und Sinnlichkeit" liest, trifft darin also Heldinnen, mit denen sie sich sofort identifizieren kann.

Ja klar, es geht immer auch um Romantik und Liebe, aber all das Pittoreske verdeckt nicht die knallharten Konflikte, die Austens Heldinnen zu bestehen haben. Das Happy End kommt zwar, ist aber weniger erstrebtes Lebens-Highlight, sondern eher Belohnung dafür, dass die Romanfiguren sich ihre Integrität bewahrt haben. Durch die Verpackung – natürlich auch durch die Verfilmungen befördert – rutschen Austens Romane oft Richtung Eskapismus oder sogar Kitsch. Und auch dagegen ist nichts einzuwenden, jede Frau braucht das zwischendurch. Austen aber schreibt aus weiblicher Perspektive – es ist eben kein männlicher Blick auf Frauen – genau darin liegt die Überzeugungskraft, die uns bis heute so anzieht. Austens Romane sind moderner und emanzipierter als sämtliche Verfilmungen, und auch radikaler als etwa die vorgeblich so moderne Serie "Bridgerton", die ebenfalls in der Zeit des Regency angesiedelt ist.

"Jane Austen – ein Leben voller Geschichten" zeichnet die Wege, Umwege und Irrwege Austens nach. Die Zeichnungen sind liebevoll und detailreich, es finden sich Zitate aus Austens Werken und Briefen, und natürlich viel Hintergrundwissen über ihre Werke. Wir erfahren, was Austen auf ihrem Schreibtisch stehen hatte, wie stolz ihr Vater auf seine schreibende Tochter war, wie viele Verleger ihre Manuskripte ablehnten und wie viel sie später mit ihren Büchern verdiente. Beim Blättern, Schauen und Genießen wächst die Lust, sich einen ihrer Romane zu greifen und einzutauchen in Jane Austens Welt.

Jane Austen verstarb viel zu früh mit nur 41 Jahren – umgeben von ihrer Familie. Ihr Ruhm setzte erst posthum ein, denn die Zeit, in der sie als Autorin tätig war, war einfach zu kurz, um sich zu etablieren. Richtig verstanden in ihrer Tiefe, Klarsicht und erzählerischen Brillanz hat man diese Autorin ohnehin erst im 20. Jahrhundert.

(Jutta Hamberger)+++

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