Was wir lesen, was wir schauen (55)
Emelie Schepp, Nebelkind - Manche Wunden heilen nie
© Visit Sweden
23.10.2022 / REGION -
Als ich die schwedische Autorin Emelie Schepp für mich entdeckte, habe ich mich aus ganz vielen Gründen gefreut. Ich liebe skandinavische Krimis. Die Autorin, die viele Jahre in einer Eventagentur arbeitete, wollte keiner veröffentlichen, als sie ihren ersten Roman "Nebelkind" fertig hatte. Und dann wurde Emelie Schepp zu einer von diesen wunderbaren Erfolgsgeschichten, an denen die Buchbranche so reich ist.
Von Nebelkind bis Rachezeit
Die Kindersoldatin
Jana und Danilo werden zu skrupellosen Killern ausgebildet, die ihre beträchtlichen Fähigkeiten für ihren Auftraggeber, aber auch zum Schutz des eigenen Lebens einsetzen. Beide Kinder tragen, quasi als Stammes-Tattoo, den Namen einer mythologischen Todesgottheit im Nacken und sind so für alle Zeiten gezeichnet. So erklärt sich auch der schwedische Originaltitel, "Märkta för livet" – gezeichnet fürs Leben. Ker – die Göttin des gewaltsamen Todes ist Janas Tattoo – sie hasst es und alles, wofür es steht.
Die Staatsanwältin
Auch Danilo überlebt, aber sein Lebensweg ist ganz anders – er arbeitet sich in der Verbrecher-Hierarchie des Landes hoch. "Es hatte eine Zeit gegeben, als Danilo und sie wie Geschwister gewesen und ihren Alltag geteilt hatten. Doch das lag weit zurück, in ihrer Kindheit. Nun teilten sie nur noch dieselbe blutige Vergangenheit, sonst nichts. Er trug eine Hautritzung im Nacken, und auch sie hatte eine, die sie ständig an ihre dunkle Kindheit erinnerte. Danilo war der Einzige, der wusste, woher Jana kam und warum sie so war, wie sie war."
Jana hat ihre frühen Jahre erfolgreich verdrängt, wird aber immer wieder von Alpträumen und Erinnerungsfetzen heimgesucht. Vieles davon hält sie in Tagebüchern fest. Nach außen wirkt Jana kalt und unnahbar. Ein hochintelligenter Eisberg, nach Perfektion strebend, von der äußeren Erscheinung bis zu ihrem beruflichen Handeln. Das stößt viele ab und ist von ihr auch so gewollt. Die selbstauferlegte Isolation hilft ihr, sich und ihr Leben zusammenzuhalten.
Die Nebenfiguren
Ein Ritt auf der Klinge
Für jeden Roman wählt Emelie Schepp einen bedrohlich aktuellen Ausgangspunkt und hält der schwedischen Gesellschaft so einen Spiegel vor. Einwanderung – legal wie illegal, und ihre Konsequenzen. Am Rande der Gesellschaft stehen – als Schwuler oder Transmensch, und mit diesen Verletzungen klarkommen. Die Aussichtslosigkeit, sich aus bestimmten Milieus heraus ein gutes Leben aufzubauen – was durch Alkohol, Drogen und Gewalt kompensiert wird. Die Tatsache, dass manche Stadtviertel von der Polizei gemieden werden, weil man sie längst Banden überlassen hat. Der Verstärkereffekt von sozialen Medien. Der brutale Stress, wenn man im Rettungsdienst arbeitet. Die krassen Einkommensunterschiede zwischen denen oben und denen unten. Die Tatsache, dass Familie oft eben kein Ort der Geborgenheit, sondern einer des Grauens ist.
Die Charakterisierungen der Figuren sind vielschichtig, es sind ihre Reaktionen auf die Geschehnisse, die die Handlung vorantreiben. Dadurch entstehen Intensität und Drive. "Nebelkind" ist die Art von Buch, das einem eiskalte Schauer den Rücken hinunterjagt und bei dem man sich dabei erwischt, wie man kontrolliert, ob man auch wirklich alle Fenster und Türen geschlossen hat. Und doch weiß man in der Tiefe seines Herzens – vor dem Bösen gibt es kein Entkommen.
Extra: Die richtige Reihenfolge der Berzelius-Krimis
1) Nebelkind / "Märkta för livet" (Gezeichnet fürs Leben)
2) Weißer Schlaf / "Vita spår" (Weiße Spur)
3) Engelsschuld / "Prio Ett" "(Das Wichtigste)
4) Im Namen des Sohnes / "Pappas pojke" (Papas Liebling)
5) Leichengrund / "Broder Jakob" (Bruder Jakob)
6) Rachezeit / "Nio liv" (Neun Leben)
9)"Björnen sover" (Der Bär schläft – noch nicht auf Deutsch erschienen)
Weiterführende Links
In Norrköping kann man Jana-Berzelius-Touren buchen – das Interesse ist groß: https://www.kultursidan.nu/?p=41529
Facebook-Seite der Autorin: https://www.facebook.com/profile.php?id=100044382463262
Website Autorin: https://www.emelieschepp.com
Rezension: https://www.nyjournalofbooks.com/book-review/marked-life
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