Was wir lesen, was wir schauen (95)
M. Atwood, Report der Magd -"Ich schreibe Bücher, damit sie nicht wahr werden"
© Wikipedia/Molgreen CC BY-SA 4.0
16.06.2024 / FULDA -
Stellen Sie sich eine Welt vor, die das Schlechteste aus allen Diktaturen und Schreckensherrschaften kombiniert. Eine patriarchale, theokratische Militärdiktatur. Das Auslöschen der Intelligenzia. Ausgeklügelte Lagersysteme zur Umerziehung und Bestrafung. Scharia-gleiche Strafen bei kleinsten Vergehen. Die unerbittliche Verfolgung von Schwulen und Lesben. Und überhaupt die Entrechtung von Frauen.
The Land of the brave – ein Horror-Szenario
"Die Verhältnisse sind beschränkt worden", heißt es im Roman. Für alle, besonders drastisch aber für die Frauen. Sie dürfen nicht mehr berufstätig sein, kein Eigentum besitzen, nicht lesen, nicht schreiben. Sie müssen sich dem nächsten männlichen Anverwandten unterordnen und sich aus den Geschäften des Staates heraushalten. Ihr Wirkungskreis ist das Zuhause. Und sie sollen Kinder gebären. Nichts davon geschah schlagartig, sondern alles nach und nach, fast unmerklich. Auch das sollte uns zu denken geben.
Desfreds Geschichte
Die Geschichte wird aus der Perspektive der Magd Desfred – im Original heißt sie Offred – erzählt. Sie ist Magd im Haus des Kommandanten Waterford. Dessen Frau ist unfruchtbar, Desfred soll ihm ein Kind gebären. Das monatliche Zeremoniell an den fruchtbaren Tagen Desfreds ist kaum zu ertragen: In einer kruden Kopie der Geschichte von Jakob, Rachel und Bilha muss die Ehefrau sich vollständig bekleidet auf das Ehebett legen, zwischen ihren Beinen liegt die ebenfalls völlig bekleidete Magd, die dann vom Ehemann begattet wird. Berührungen sind verboten, Spaß machen darf gar nichts, Erregung und Orgasmus hält man für überflüssig, es geht einzig um die Besamung. Diese Zeremonielle finden nur bei den Kommandanten statt, der höchsten Kaste Gileads. Sie bekommen bei Bedarf eine Magd zu Kinderzeugen zugeteilt. Wird die nicht schwanger, ist es selbstverständlich ihre Schuld.
Lesen oder schauen?
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