Was wir lesen, was wir schauen (71)
Stefan Kruecken, Das muss das Boot abkönnen - Das Meer, der große Sortierer
© Wikipedia/Google Art Project
09.07.2023 / REGION -
Wie geht es Ihnen? Vielleicht ähnlich durchgeschüttelt wie mir, die letzten Wochen waren anstrengend. Wer dachte, Pandemiejahre und Ukrainekrieg hätten einen gestählt für alles, was kommt, wurde eines Besseren belehrt. Zeit also für ein Kraft- und Nachdenkbuch.
Wir alle sind im Sturm unterwegs
Harte Arbeit unter Deck
Zeit für das Dienstgesicht
Über die Weltoffenheit alter, weißer Männer
Kruecken versichert, auch wenn fast alle Kapitäne weiße, nicht mehr ganz junge Männer sind, träfe auf sie die mit dem Diktum "alter, weißer Mann" bezeichnete Haltung nicht zu. Sie seien weltoffen und wüssten alle: "Sobald Du an Bord eines Schiffes gehst, ist deine Nationalität egal. Deine Hautfarbe, deine Religion, alles ist egal. Dann bist du nur noch Seemann."
Wir alle sind "meerblind"
Kruecken öffnet uns die Augen für die Bedeutung des Meers und der Schifffahrt für unser tägliches Leben. Sofern wir nicht Küstenbewohner sind, sind uns die lebenswichtigen maritimen Themen nicht bewusst. Dabei werden 90 Prozent des internationalen Güterverkehrs über die See transportiert. Sogar in einer Seefahrernation wie Großbritannien wissen das nur 0,1 Prozent der Bevölkerung. Der Begriff für dieses Phänomen ist "Sea Blindness".
Die Öffentlichkeit, leider aber auch Entscheiderinnen und Presse haben zu wenig Verständnis für die Bedeutung der Seefahrt und die Sicherheit der Meere. Das ist keine Petitesse, denn es führt dazu, dass die Seefahrt zu wenig Geld und Unterstützung bekommt und beruflich zu wenig attraktiv für Nachwuchs ist. Während der Corona-Pandemie wurde es erstmals überdeutlich: Die Seefahrt hält die Ökonomie am Laufen – oder eben nicht. Auch der Stau im Suez-Kanal 2021 war ein solcher Augenöffner. Kruecken weist darauf hin, dass der Unfall der "Ever Given" für ca. 15 Millionen Verlust pro Tag gesorgt habe – das summierte sich auf Milliarden für die Weltwirtschaft.
Anti-Kapitäne und moderne Sklaverei
Wer hofft oder denkt, dass Sklaverei auf See im 21. Jahrhundert kein Thema mehr sein könne, der irrt heftig. "Ausbeutung in der Seefahrt ist so alt wie die Branche selbst. Schon immer gab es Reedereien, denen das Wohlergehen ihrer Seeleute so wichtig war wie ein Möwenschiss in Madagaskar." Das zu ändern, wäre auch eine gute Maßnahme gegen Sea Blindness.
‚Rüm hart, klaar Kiming‘ (großes Herz, klarer Horizont) ist das Lebensmotto der Seefahrer aus Friesland. Und meint genau dasselbe wie ‚Das muss das Boot abkönnen‘. Der Satz fällt in Petersens Film "Das Boot", als die U-96 auf Tiefe geht und die Besatzung sich fragt, ob sie dem Wasserdruck auch standhalten könne. Wenn man in der Situation sagen kann, stell dich mal nicht so an, sollte es uns doch auch gelingen, oder?
Weiterführende Links
Gespräch mit Autor Stefan Kruecken: https://www.radioeins.de/programm/sendungen/mofr1013/buch/-das-muss-das-boot-abkoennen--von-stefan-kruecken-.html
Besprechung des Buchs: https://www.ardaudiothek.de/episode/die-literaturagenten/das-muss-das-boot-abkoennen-durch-sturm-und-krise/radioeins/12251461/
Stefan Kruecken zu Besuch im Hamburg Journal: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hamburg_journal/Das-muss-das-Boot-abkoennen-Das-neue-Werk-von-Stefan-Kruecken,hamj132392.html
Stefan Kruecken zu Besuch in der NDR-Sendung DAS: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/das/DAS-mit-Verleger-Journalist-und-Bestsellerautor-Stefan-Kruecken,dasx33024.html
Spiegel-Geschichte über eine der ältesten Radiosendungen der Welt (Gruß an Bord): https://www.spiegel.de/geschichte/radiosendung-gruss-an-bord-fuer-seeleute-gemeinsam-einsam-a-a1cecdba-2edc-4dc1-859d-98a1a21045dd
Artikel zum Thema Sea Blindness des Portals Safety4Sea: https://safety4sea.com/cm-shipping-still-suffering-from-sea-blindness-report-shows/
Spiegel-Kolumne über die Einflüsterer der FDP: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klimaschutz-die-heimlichen-herrscher-der-fpd-kolumne-a-d0defee9-85ea-4cdb-adac-93e49e3539de
Website Ankerherz: www.ankerherz.de
(Jutta Hamberger)+++
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