Was wir lesen, was wir schauen (82)

Ein Gabentisch für Sie mit lohnenden Büchern, CDs und Filmen

Liebevoll eingepackte Geschenke – jetzt kann Weihnachten kommen!
Symbolbild: pixabay

19.12.2023 / FULDA - Weihnachten kann leicht in Schenk-Stress ausarten. Deshalb kommen hier ein paar Anregungen für Bücher, CDs und Filme, mit denen Sie sich selbst und Ihre Lieblingsmenschen glücklich machen können.

Esther & Abi Ofarim, Songs of our life



Der Name Ofarim war in den letzten Wochen eher unrühmlich in den Medien, aber hier geht es nicht um Gil Ofarim, Sohn Abis, der sich mit seiner Antisemitismus-Lüge vermutlich nachhaltig aus dem Geschäft katapultiert hat. Hier geht es um eines der berühmtesten Pop-Duos der 1960-er Jahre, DIE Ofarims. Die waren Ende der 60er Jahre ungefähr so erfolgreich wie die Beatles, sie hatten zeitweise sogar denselben Manager wie die Liverpooler. Die Ofarims zählten mit Daliah Lavi und Ephraim Kishon zu den bis heute wohl beliebtesten israelischen Künstlern in Deutschland.

Die "Rehkitze", das nämlich bedeutet der Name Ofarim, sangen überwiegend auf Englisch, Deutsch und Hebräisch. Auf dieser Doppel-CD sind ihre größten Hits versammelt, natürlich auch "Morning of my life" und Cinderella Rockefella". Die beiden coverten in der Regel Songs – etwa von den BeeGees, Bob Dylan, Donovan oder Peter, Paul & Mary. Sollten Sie also Lust haben, im Folkrock der 60er zu schwelgen, lustvoll-lautstark die Hits von damals mitzusingen, dann ist diese CD genau das Richtige. Esther Ofarims klare, tragende Stimme hat nichts von ihrem Reiz verloren. Abi Ofarim verstarb 2018 in seiner Wahlheimat München, Esther Ofarim macht auch heute, mit 82 Jahren, weiter Musik.

Heike Faller, 100

Dieses wunderbare Buch erschien im genauso wunderbaren Züricher Verlag Kein & Aber – von dieser Adresse können Sie eigentlich alles ohne Bedenken kaufen. Wenn man anderen Menschen etwas über Lebensweisheiten, To Do’s und No Go’s erzählt, wird das schnell belehrend und hat oft den entgegengesetzten Effekt. Heike Faller vermeidet all diese Fallen elegant, humorvoll und mit viel Kreativität. Denn die 100 Dinge, die man ihrer Meinung nach tun könnte, mutiert hier nicht zur bevormundenden ‚bucket list‘. In diesem Buch steht so einiges, das man sich als Erwachsener meist nicht mehr traut – wohl dem, der Kinder hat, die einen ermutigen! Herausgekommen ist ein Gedicht auf das Leben, das von der ersten Liebe über Purzelbäume, dem ersten Lächeln bis zu gutem Kaffee alles umfasst, das uns reich macht. Die Illustrationen von Valerio Vidali machen das Buch zu einem anrührenden Lese- oder Vorlesevergnügen – mit und ohne Kinder.

Sense of Tumour

Ich gestehe, ich kenne nur wenige TV-Serien oder Filme aus Belgien. Auf meiner belgischen Top-Position steht unangefochten die Medical-Drama Serie "Sense of Tumour", die 2018 auf der Berlinale als beste europäische Serie ausgezeichnet wurde. Sie können sie aktuell in der ZDF-Mediathek sehen, die TV-Sendetermine sind leider zu nachtschlafender Zeit.

Held der Serie ist Tristan – ein Überflieger, dem alles gelingt, ein Womanizer, der jede Frau rumkriegt, und daneben noch Medizin studiert und Football spielt. Der Lebens- und Karriereplan steht längst fest, Tristan will in die Neurochirurgie. Es könnte also alles so schön sein, aber dann schlägt das Schicksal zu – Tristan erhält die Diagnose Krebs. Arzt wird Patient – das ist lehrreich, vor allem für die Hauptfigur. Die Stelle als junger Facharzt ist erst mal weg, denn Tristan muss sich auf seine Behandlung und Genesung konzentrieren. Wir sind hier weit weg von amerikanischen Ärzteserien, deutschen Bergrettern und Schwarzwaldkliniken. Das liegt auch daran, dass die Serie auf den Erfahrungen echter Krebspatienten basiert, die am Ende jeder Episode selbst in kurzen Statements zu Wort kommen.

Mit Tristan durchleben durchleiden und durchlachen wir die verschiedenen Krankheitsstadien. Nebenbei muss er auch noch mit der Ehe- und Identitätskrise seiner Eltern klarkommen, mit einem Mitpatienten und dessen nerviger Tochter Hanne und mit seiner permanent schwangeren Schwester Inge und deren chaotischen Familienleben. Irgendwann funkt die Liebe dazwischen, nicht romantisch, sondern zwischen Krankenhaus, gestrickten Mützen und Tankstellenshop. Bevor die Serie aber rosarot ausklingen kann, haut das Schicksal Tristan erneut aus der Spur.

Stieg Larsson, Millennium-Trilogie

Leider, leider schrieb der Schwede Stieg Larsson ‚nur‘ diese Trilogie – Verblendung, Verdammnis, Vergebung. Als die 2006 den deutschen Buchmarkt erreichte, schoss sie auf der Bestseller-Liste sofort nach oben. Ich weiß noch sehr genau, wann ich den ersten Band las. Ach was, las – verschlang! Ich hatte mir "Män som hatar kvinnor" (= Männer, die Frauen hassen) zu Weihnachten im schwedischen Original geschenkt. Heiligabend 2006 war rum, die Familie einschließlich mir selbst gemütlich in den Betten verstaut, und ich dachte mir, komm, fang doch mal an mit dem Buch. Ich las mich fest und legte hundemüde, aber sehr befriedigt das Buch in den frühen Morgenstunden weg. Gut, wenig bis nicht geschlafen, dafür begeistert von einem mir damals neuen Autor, und hochbeglückt, dass es zwei weitere Bände gab. Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander haben seitdem einen festen Platz in meinem Krimi-Olymp. Schnell, politisch und ungeheuer spannend – nein, es ist kein Bullerbü-Schweden, das Larsson hier beschreibt, sondern eine brutale Welt, die aus den Fugen zu geraten droht. Darin ist er Sjöwall/Wahlöö und Henning Mankell sehr nahe. Aber nicht Zynismus ist die prägende Grundhaltung, sondern Sympathie für diejenigen, die sich gegen Brutalität, Machtmissbrauch und Geldgier zur Wehr setzen, auch wenn der Kampf scheinbar aussichtslos ist. Der Name des Helden erinnert an eine Figur Astrid Lindgrens und ist nicht von ungefähr gewählt.

Larsson selbst hat seinen Mega-Erfolg nicht mehr erlebt, schon 2004 erlag er einem Herzinfarkt. Es sind bisher vier Fortsetzungen erschienen (Verschwörung, Verfolgung, Vernichtung und Verderben), die auf Entwürfen und Exposés Larssons basieren, aber bei weitem nicht an die Qualität der Millennium-Trilogie heranreichen. Verfilmt wurden die Romane natürlich auch, mit Michael Nykvist und Noomi Rapace und Teil 1 dann erneut mit Daniel Craig und Rooney Mara. Sie haben also die Qual der Wahl, wenn Sie filmisch in Larssons düsteren Kosmos eintauchen wollen.

Valer Sabadus, To touch, to kiss, to die

Der aus dem rumänischen Banat stammende und in Deutschland aufgewachsene Countertenor Valer Sabadus stammt aus einer musikalischen Familie. Dass er einmal als Counter von sich reden machen würde, daran sei – so beschrieb er das selbst – Countertenor Andreas Scholl schuld, den Sabadus in einer Fernsehsendung erlebte. Er war hin und weg, so wollte er auch singen. Heute ist Sabadus einer der besten seines Fachs. Auf dieser CD singt er altenglische Lieder von Purcell, Matteis und Dowland – unglaublich genau in der Intonation, sehr textverständlich und mit wunderbarer Stimmführung. "Oh Solitude" und "If music be the food of love" gehören zu meinen Lieblings-Tracks auf dieser CD. Bis in schwindelnde Höhen beherrscht Sabadus Koloraturen, und das alles mit größter Natürlichkeit. In meinem persönliche Counter-Himmel wohnt Sabadus direkt neben Philippe Jaroussky. In Fulda konnten wir uns vor kurzem von seinen Qualitäten überzeugen (Konzert mit dem Ensemble Alta Ripa am 26. Oktober).

Astrid Lindgren, Tomte Tummetott

Und nochmal geht es nach Schweden. Wichtel sind adventsdesignmäßig gerade schwer angesagt. Allerdings herrscht in den meisten Deko-Artikeln und Bastelbüchern eine fast schon radikale Infantilisierung vor. Alles ist furchtbar nett, kleinbürgerlich und geblümt. Vom ursprünglichen skandinavischen Tomte ist da wenig übriggeblieben. Gut, dass es dieses himmelschöne Weihnachts-Bilderbuch von Astrid Lindgren gibt, in unserer Familie war es ein Vorlese-Klassiker.

Dessen Ursprung ist eine der bekanntesten Weihnachtsgeschichten in Schweden, das Gedicht "Tomten" von Viktor Rydberg, es beginnt so:

Bitterkalt ist die Winternacht,
Sterne glitzern und funkeln.
Menschen und Tiere schlummern sacht,
Haus und Hof sind im Dunkeln.
Still zieht der Mond durch den Himmelsraum,
weiß glänzt der Schnee auf jedem Baum,
glänzt auf der Hausdachschräge.
Einzig der Wichtel ist rege.

Schattengleich steht er am Scheunentor,
grau vor dem weißen Toben,
schaut, wie so viele Winter zuvor,
sinnend zur Mondscheibe oben,
schaut nach dem nahen Waldesrand,
der um den Hof steht wie eine Wand,
grübelt, ein Rätsel zu lösen
von undurchdringlichem Wesen.

Rabén & Sjögren, Lindgrens Hausverlag, hatte dieses 1881 geschriebene Gedicht von Harald Wiberg neu illustrieren lassen. Der Verlag stieß aber vor allem auf dem so wichtigen deutschen Lizenzmarkt auf Ablehnung. Oetinger wollte zwar die Illustrationen Widbergs, aber nicht das Rydberg-Gedicht, das fand man zu metaphysisch. So schrieb Lindgren eine neue Geschichte zu den Bildern – und damit begann die Erfolgsgeschichte von Tomte Tummetott.

Ich wünsche Ihnen von Herzen frohe und gesegnete Weihnachten.
(Jutta Hamberger)+++

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