Echt jetzt! (50)
Wenn der Postmann keinmal klingelt - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller

Bild: Gerhard51 via Wikimedia Commons
28.03.2025 / REGION - Die Vorfreude ist doch immer die schönste Freude. Das behaupten die, die uns lange Wartezeiten schön reden wollen. Pustekuchen! Vier Tage sollte die Zustellung meines Päckchens dauern – jetzt, nach über zwei Wochen, hat bei mir immer noch kein Postmann geklingelt. Eine Postfrau übrigens auch nicht. Das ist ja wie im Mittelalter! 1495 hat die Pferdepost für die 710 Kilometer von Mailand nach Worms, über diverse Alpenpässe, keine sieben Tage gebraucht. Vor zehn Tagen, morgens kurz nach zehn Uhr, hat der für mich zuständige Paketdienstleister frohlockt: "Die Sendung befindet sich in Zustellung". Ja, wo bleibt sie denn?
Postwagen-Fahrten waren hart
Ach, was hatten wir mal romantische Vorstellungen von jenen Rittern der Landstraße, die uns Rechnungen, Liebesbriefe, Hassgesänge, Kontoauszüge, Weihnachtspäckchen, Hiobsbotschaften und Einberufungsbescheide ins Haus brachten. Gepriesen war das Heer der 20.000 Landbriefträger, die 1885 über 156 Millionen Kilometer kreuz und quer durch Deutschland marschierten, "auf den krummen Stab sich stützend, rüstig und pflichtbewusst". Natürlich wären wir lieber Postreiter gewesen. Reichte schon, dass die wilden Sattelkünstler "hoiho" brüllten, schon sind alle an den Wegrand oder in den Graben ausgewichen. Und dann erst die Postkutscher! Andererseits: Postwagen-Fahrten waren hart. Bauernwagen ohne Federung, grobe Wege, ungehobelte und nicht selten betrunkene Postillions... Die bis zu 70 Zentner schweren Bollerwagen schafften häufig nur eine Meile in drei Stunden – und das, obgleich die Postler immer Vorfahrt hatten. Andere Kutschen mussten anhalten, Stadttore und Schlagbäume mussten "unverzüglich" geöffnet werden, sobald das Posthornsignal ertönte. Ein Reisebericht 1807 offenbart die matschige Seite der idyllischen Kutschfahrt: "Schon zehn Minuten nach dem Tore stiegen wir ab und keuchten mühsam im Morast neben dem Wagen her. Der Weg ein alles bedeckender Sumpf. Bald versanken die beiden vorderen Pferde bis an die Brust im Morast..."Wertpakete, die lässig vor der Haustür abgeworfen werden.
Social-Media, die Lebenshilfe-Abteilung des Internets, fließt über von einer Brühe aus Wut, Verzweiflung, Häme und Besserwisserei über die Leistungen der Zustelldienste. Ein angelsächsisch geprägter Zustelldienst konnte eine Adresse nicht finden, weil’s den Buchstaben ß im Englischen halt nicht gibt – bei uns aber schon: in jeder Straße. Ein gewisser Peter fragte die Netz-Gemeinde: "Findet ihr, dass 36 Monate Zeit, um ein Paket von Deutschland nach Polen zu bringen, zu wenig ist?" Wertpakete, die lässig vor der Haustür abgeworfen werden. Päckchen, die als "ausgeliefert" bezeichnet werden, aber nirgends ankamen...Wir armen Empfänger-Würstchen
Genug davon. Wir armen Empfänger-Würstchen schreiben einfach mal an den Paketdienst; eine aufmunternde Beschwerde kann ja nichts schaden. Sapperlot! Nach nur 18 Minuten eine Antwort: "Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um Ihr Anliegen so schnell wie möglich zu beantworten." Schau an, jetzt siezen sie mich wieder – natürlich nicht ohne mir noch eine reinzuwürgen: "Eine weitere E-Mail verlängert die Bearbeitungszeit. Bitte verzichten Sie deshalb auf weitere Anfragen zum selben Anliegen." Bei diesem Paketdienst ist der Kunde echt ein Kümmerling.Ach, lassen wir lieber den alten Romantiker Theodor Fontane zu Wort kommen, in diesem Reimwerk an seine Frau Emilie:
Briefträger setzen sich in Trab,
Sie reissen fast die Klingel ab,
Sogar Pakete treffen ein –
Mög es das ganze Jahr so sein.
Zurück in die Wirklichkeit. "Sie haben lange nichts von uns gehört. Bitte entschuldigen Sie". Schau an, was für vorbildliche Umgangsformen. Seit zehn Tagen soll das Päckchen bei mir sein, da meldet sich doch tatsächlich der "Kundenservice" des Paketdienstes mit "herzlichen Grüßen" und der Versicherung: "Wir kümmern uns." Das Päckchen ist futsch, davon bin ich überzeugt. Zwar verkündet der Paketdienstleister auf seiner Webseite immer noch, es werde "voraussichtlich heute" zugestellt – aber auch der Absender scheint das Vertrauen verloren zu haben. Jedenfalls ist der bereits gezahlte Rechnungsbetrag wieder auf meinem Konto. (Rainer M. Gefeller) +++
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