Echt jetzt! (24)

Summ, summ, summ - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller

Der Sommer lässt grüßen: unwirklich wirkende Blumen-Bilder und Bienen bei der Arbeit.
Foto: Michael Otto, Künzell

20.09.2024 / REGION - Jetzt lassen Sie sich doch einfach mal Honig ums Maul schmieren. Das klingt zwar etwas grob, und wer weiß schon, welche Absichten solch ein Schmierlapp hegt. Aber was soll’s, ein bisschen Süßholzraspelei tut der Seele gut. Und überhaupt, dieser Honig, den man sich auch wortwörtlich auf die Lippen streichen kann, ist ein paar Gedanken wert. Natürlich, wie in allen Geschichten wimmelt es auch hier von Schurken. Aber vor allem soll von einem Wunder berichtet werden. Das Wunder blüht in unserer Nachbarschaft, in der Rhön und im Vogelsberg, in Wäldern und an Stadträndern. Und manchmal hat es uns im Sommer auch daheim besucht, am Frühstückstisch.



Bienen sind echt wie wir. Ist schon mal herrlich, dass diese schwarz-gelbe Armada uns erscheint wie ein Volk von Borussia-Dortmund-Fans. Aber vor allem verkörpern diese Arbeitsbienen die von den alten Preußen importierten deutschen Tugenden. Zum Beispiel: Disziplin, Fleiß, Ordnungssinn, Verlässlichkeit... Hey, jetzt nicht lachen, nur weil das total gestrig klingt. Der moderne Germane wird wahrscheinlich erstmal fragen: Und wie steht’s mit der Work-Life-Balance? Schlecht, ganz schlecht, müssen wir einräumen. Die Bienen haben doch nur acht Wochen Zeit, um zu tun, was getan werden muss. Da bleibt keine Zeit für Freizeit-Träume und Selbstverwirklichung.

Sie schaffen, bis sich ihre Saugrüssel biegen

Mit den "germanischen Tugenden" ist es bekanntlich nicht mehr weit her, in Wahrheit sind die Bienen also kein bisschen wie wir. Vor allem ist bei denen schon vor Jahrhunderten ein totales Matriachat ausgebrochen, von dem manche unserer Frauen nur träumen können (viele Männer eher nicht). Freilich: ein Honigschlecken ist das Leben der Bienen-Ladys keinesfalls. Sie schaffen, bis sich ihre Saugrüssel biegen. Jedes Weib macht seins. Einige bauen Honig-Waben. Andere füttern die Bienen-Babys. Andere sammeln Pollen, Nektar und Wasser. Andere putzen die Waben. Andere müssen rund um die Uhr dafür sorgen, dass es der Chefin gut geht. Die Königin ist nicht nur nahezu doppelt so groß wie ihre Volks-Genossinnen, sondern hat auch als einzige Nachwuchs. Sie legt die Eier in die Waben – den Rest erledigt das Volk.

Und was machen eigentlich die Kerle, die übrigens eher unelegant und moppelig aussehen? Ei, die machen nix – na ja, aber wenn’s draufankommt und die Königin zur Begattung bittet, dann müssen sie halt ran. Bis dahin werden sie von den arbeitenden Girls gemästet. Der Literatur-Nobelpreisträger Maurice Maeterlinck äußert in seinem Meisterwerk "Das Leben der Bienen" Mitgefühl mit den Drohnen, die "in stetem Honigrausch leben und keinen anderen Daseinsgrund haben als die Vollziehung eines Aktes der Liebe". Ein kurzes Vergnügen. Im Moment der Befruchtung stirbt der eine, der von der "Mutter des Volkes" auserwählt wurde. Die übrigen werden hernach auch nicht mehr gebraucht: Sie werden nicht mehr gefüttert, ihres Heimes verwiesen – und wenn sie’s immer noch nicht begreifen, kriegen sie den tödlichen Stachel zu spüren.

Lügen-Honig?

600 Bienenarten gibt es in Deutschland, aber nur eine Honigbienen-Art. Ein Bienenvolk umfasst schon mal 60.000 Honigbienen (also fast so viele, wie Fulda Einwohner hat). Eine Biene besucht pro Tag bis zu 1.000 Blüten, deren Nektar und Pollen sie absaugt. 60 Kilo Honig spachtelt ein Bienen-Volk selbst pro Jahr – der Rest ist für die Imker. Kleiner Witz zwischendurch: Wenn Sie einen rennenden Imker sehen, sollten Sie sich auch auf die Socken machen. Imkerinnen und Imker erkennt man an ihrer Kleidung: Ganzkörperschutzanzüge, Astronauten-ähnliche Kopfbedeckung mit "Atmungsnetz". Wer Bienen liebt, scheint sie auch zu fürchten. Die Deutschen verputzen pro Kopf ein Kilo Honig im Jahr. 2020 wurden gut 29 Tonnen geerntet, das ist gerade mal ein Drittel des heimischen Bedarfs. Woher kommt der Rest? Hauptsächlich aus der Ukraine, aus Mexiko und Argentinien. Aber auch aus Fälscherstuben. Im Winter 2022 hat die EU bei Kontrollen ermittelt, dass 46 Prozent der importierten Proben unter Fake-Verdacht standen. Synthetischer Zucker, Wasser, Farbstoff – fertig ist der Lügen-Honig.

Und dann ist da noch dieser Wunderstoff Manuka aus Neuseeland, ein Allheilmittel, das auch in Fulda allenthalben verkauft wird – in Reformhäusern und anderen Spezialläden. Was dieser Manuka nicht alles kann: er wirkt antibakteriell, lindert Erkältungen und Magen-Darm-Probleme, und wenn man’s auf die betroffenen Stellen schmiert, bekämpft er Wunden, Pickel, Fußpilz und Neurodermitis. Das liegt am Methylglyoxal (MGO). Blöd nur, dass Bienen diesen Zauber-Stoff in hochdosierter Form (100mal stärker als in unserem Honig) ausschließlich aus dem Nektar der Südseemyrthe gewinnen können, im fernen Neuseeland. Der Ernteertrag ist begrenzt, der Preis nicht. Laut Verbraucherschützern sind nur zehn Prozent des in Deutschland verkauften Manuka echt – der Rest ist gepantscht. Mit Sirup oder anderem Honig sowie billigen Labor-Chemikalien. Das lohnt sich: Ein halbes Pfund Manuka kann schon mal 80 Euro kosten. Prüfen Sie das Etikett!

Was hilft ansonsten gegen den Lügen-Honig? Honig aus unserer Region! Zu finden in den meisten Hofläden in Rhön und Vogelsberg, aber auch in den Regional-Regalen der Supermärkte sowie auf den Wochenmärkten in Fulda, Hünfeld und Bad Hersfeld. Die Mitglieder des Imkervereins Fulda produzieren einen eigenen "Stadthonig". Vielleicht kommen Sie ja auch direkt bei einem Imker vorbei. Eine kleine Auswahl: Raps- und Blütenhonig bietet die "Rhön-Imkerei Jordan", Bad Neustadt. Blüten- und Waldhonig aus dem hessischen Kegelspiel hat der Imkermeister Ferdinand Keidel, Eiterfeld. "Hochrhön-Imker" Jürgen Enders in Bischofsheim hat seine Bienenstöcke in der Nähe vom Heidelstein. Außerdem: Jan Brockelt in Frischborn. Dieter Schölzke in Münnerstadt (dem man nach Termin-Absprache auch beim Imkern zuschauen kann). Der "Honig-Fritz" aus Hünfeld...

Wer Honig aus der Nähe zu sich nimmt, wappnet sich gegen Allergien und Entzündungen und tut seinem Herzen gut. Weil er so schön süß ist, müssen Diabetiker allerdings Obacht geben. Jeder Löffel Honig pflegt übrigens die Natur: Ohne Bienen ist Schluss mit den blühenden Landschaften. Die chinesische Bergregion Hanyuan hat das in den 80er und 90er Jahren zu spüren bekommen: Beim exzessiven Pestizid-Einsatz gegen Obstbaum-Schädlinge wurden auch sämtliche Bienen-Völker vernichtet. Die Blüten der Obstbäume wurden nicht mehr bestäubt, die Menschen mussten auf die Bäume klettern und selbst Hand anlegen. Wollen wir uns das etwa antun?

In diesen Tagen umschwirren die Bienen vermutlich zum letzten Mal in diesem Jahr unsere Balkon- und Gartenblumen. Sollen wir ihnen zum Abschied kurz ein Kinderlied singen, "Summ, summ, summ" oder ähnliche Klassiker? Ach nein, lauschen wir doch lieber dem Erfolgsrezept des vermutlich besten und elegantesten Boxers der Neuzeit, Muhammed Ali: "Schweb wie ein Schmetterling. Stich wie eine Biene!" Diesen Leitsatz kann man überall anwenden. Im Job. Im Regional-Express. An der Kneipen-Theke. Und natürlich auch bei Beziehungs-Gesprächen. Viel Erfolg! (Rainer M. Gefeller) +++

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