Echt jetzt! (8)

Heiliger Bimbam! - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller

Die 14-Nothelfer-Kapelle in Hofaschenbach
Foto: Rene Kunze

16.05.2024 / REGION - Beim Wandern, wird gelegentlich erzählt, sei man auch unterwegs zu sich selbst. Dann mal los! Wenn wir im Hünfelder Land rund um den Ulmenstein spazieren, landen wir irgendwann unweigerlich am Rande von Hofaschenbach. Wenn’s bereits dunkel ist und der Himmel duldet keine Wolken, können wir am dortigen "Himmelsschauplatz" die Sterne bewundern; manchmal wabern sogar Polarlichter vorbei. Mit Hilfe des "Polarsternfinders" können sogar Laien den hellblitzenden Nordstern identifizieren. Ein gutes Gefühl!



Bei Tageslicht kommen Romantiker ebenfalls auf ihre Kosten. Vom Ort des Sternenkinos aus blickt man auf den Linsberg; obendrauf thront die "14-Nothelfer-Kapelle". Das über 275 Jahre alte Kirchlein wird von einer vielleicht 90 Jahre alten Sommer-Linde überragt – bei dem Anblick lässt kein Wanderer seinen Fotoapparat oder sein Smartphone im Rucksack. Mich freilich bewegt vor allem ein eingerahmtes Textblatt im Inneren der Kapelle. Eine gewisse Teresa von Avila hat dort unter dem Deckmantel einer Fürbitte an den Allerhöchsten ("Gebet eines Seniors") den älteren Herren ordentlich was auf die Mütze gegeben. Senioren, Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein – hier kommen ein paar Textauszüge:


Oh Herr,

Bewahre mich vor dem Verlangen, 
Bei jeder Gelegenheit etwas sagen zu müssen.

Bei der großen Ansammlung meiner Erfahrungen
Gib mir die Gnade, nicht zu glauben,
Diese alle weitergeben zu müssen.

Bewahre mich vor der endlosen Aufzählung
Vieler Einzelheiten von merkwürdigen Geschichten
Und verleihe meiner Rede leichte Schwingen,
Schneller auf den Punkt zu kommen.

Na, vielen Dank, Schwester Avila. Dass wir Älteren gelegentlich zur Geschwätzigkeit neigen, wissen wir selbst; darüber muss uns keine Nonne, die schon so lange tot ist, aufklären. Die Botschaft der Geistlichen kann man auch knapper fassen: Halt die Klappe, Alter! Ist es nicht aufschlussreich, dass sich in über 400 Jahren am Auftreten der Seniorenschaft nichts geändert hat? Teresa von Avila lebte von 1515 bis 1582 in Spanien; sie wird nicht nur in der katholischen, sondern auch der evangelischen Kirche verehrt. 40 Jahre, nachdem ihr von gefährlichen Krankheiten und wilden Visionen geprägtes Leben zu Ende gegangen war, wurde sie heiliggesprochen; als erste Frau wurde sie 1970 von der katholischen Kirche zur "Kirchenlehrerin" ernannt. Von ihr können wir also was lernen – zum Beispiel auch über das Lieblingsthema der Älteren:

Oh Herr, 
Lehre mich, schweigen zu können
Über meine Krankheiten und Beschwerden.
Sie nehmen ständig zu –
Und die Lust, sie zu beschreiben,
Nimmt von Jahr zu Jahr zu.

Sitzen zwei oder mehr von uns Älteren zusammen, so gibt es rasch einen Wettstreit um die schönsten Gebrechen: Wer hat dramatischere Krankheitsakten vorzutragen? Grippe, Corona, neue Hüften – das ist lediglich Mumpitz, wenn’s die anderen plagt. Aber wehe, uns belästigt ein harmloses Ohrensausen, dann ist das natürlich verheerender als alles, was die Welt der Krankheiten an Grausamkeiten bereithält. 

Danke nochmal, Schwester Avila. Wir sollten Obacht geben, dass unsere Kinder und Enkel sich nicht zu dieser Kapelle verirren und dort zu spöttischen Bemerkungen über ihre Alten verleitet werden. Ach was, das bringt ja sowieso nichts: Das Senioren-Mobbing-Gebet gibt es selbstredend in unterschiedlichen Versionen auch im Internet.

Wie sagte Walter Matthau in dem durchgeknallten Film "Ein verrücktes Paar" so gern und oft: Holy Moly – was in unserer Sprache so viel wie Heiliger Bimbam heißt. Entsprechend wünsche ich viel Spaß beim Beten! Wer dazu keine Neigung verspürt, möge sich anlässlich der bevorstehenden Feiertage an einem selbstverständlich völlig unangebrachten Kinder-Gedicht des bekennenden Atheisten Bertolt Brecht erfreuen:

Pfingsten
Sind die Geschenke am geringsten.
Während Geburtstag, Ostern und Weihnachten
Etwas einbrachten. (Rainer M. Gefeller) +++

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