OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch (23)

Sascha Gramm: "Ich bin auf allen Vieren die Dünen hoch"

Sascha Gramm war zu Gast in der O|N-Redaktion
Fotos: Carina Jirsch

12.10.2022 / FULDA - Sechs Wochen nach dem "Ultra Norway" in den Lyngen Alps, bei welchem Sascha Gramm nur knapp einer Katastrophe entging, stand für den Hainzeller Extremläufer das nächste Rennen auf dem Programm. Diesmal ging es in die USA, wo er beim Grand-to-Grand an den Start ging. Im OSTHESSEN|NEWS-Sportgespräch schildert Gramm seine Eindrücke, spricht über seine nächsten Ziele und erzählt, wie er zum offiziellen Botschafter eines Städtchens in Utah wurde. 


Im O|N-Sportgespräch lassen wir immer Sportler aus verschiedenen Sportarten der Region zu Wort kommen. Wir erzählen die Geschichte hinter der Geschichte, losgelöst vom aktuellen Tagesgeschehen. Heute folgt Teil 21 der Serie. 

O|N: Sascha, du warst in den USA beim Grand-to-Grand-Ultra unterwegs. Was hast du dort erlebt?

Sascha Gramm: Es war der Wahnsinn. Ich bin nach Las Vegas geflogen und nach zweitägigem Aufenthalt weiter nach Kanab in Utah gereist. Dort haben sich dann alle getroffen. Vom Grand Canyon ging das Rennen über 280 Kilometer und sechs Etappen zum Grand Staircase - wie immer als Selbstversorger. Ich hatte also alles, was ich brauchte, in meinem Rucksack auf dem Rücken. Die Strecke umfasste steile An- und Abstiege über Felsmassive, Steine, Geröll, Feldern gespickt mit Kakteen, Flussbetten und Dünen. Das alles gepaart mit der enormen Hitze machte das Ganze so anspruchsvoll. 49 Prozent der Teilnehmer mussten auch aufgeben. Zum Glück konnte ich das Rennen dieses Mal ohne Zwischenfälle finishen.  

O|N: Das war bei deinem letzten Rennen in Norwegen noch ganz anders. Dort bist du nur knapp einer Katastrophe entgangen. Du musstest sogar mit einem Militärhubschrauber aus der norwegischen Wildnis gerettet werden. Haben dich diese Erlebnisse beim Lauf in den USA noch begleitet? 

Gramm: Man denkt natürlich immer mal wieder daran, gerade wenn ich bergab laufen musste. Aber es hat mich nicht behindert. Vielmehr habe ich große Freude gespürt, überhaupt dort laufen zu dürfen. Das war Balsam für die Seele. Ich habe mir bewiesen, dass ich es noch kann und bin total glücklich, wie es gelaufen ist. Dass ich es am Ende sogar als Neunter unter die Top Ten geschafft habe, war dann noch das i-Tüpfelchen. Die Eindrücke, die ich dort sammeln durfte, sind unbezahlbar. 

O|N: Gab es denn eine Etappe, die dich besonders gefordert hat? 

Gramm: Die anspruchsvollste war sicherlich die dritte Etappe. Dort ging es auf 86 Kilometer über 13 Dünen. Die Dünen waren haushoch und mit jedem Schritt, den man gemacht hat, ist man gefühlt wieder zwei zurückgesackt. Ich habe dann versucht, eine effektive Laufweise zu finden und bin auf allen Vieren die Dünen hoch. Mit knapp 10 kg Gepäck auf dem Rücken war das schon sehr anstrengend. Für diese Etappe hatte ich eine Zeit von 16 Stunden ins Auge gefasst. Wir sind morgens um 8 Uhr gestartet und ich kam tatsächlich um 0:02 Uhr ins Ziel (lacht). Die letzten kamen erst am nächsten Abend um 18 Uhr ins Ziel. Das war schon brutal. 

O|N: Wie muss man sich so einen Lauftag vorstellen?

Gramm: Die Amerikaner waren, was das angeht, sehr penibel. Wecken war immer um 6 Uhr. Um 7:30 Uhr mussten wir das Zelt besenrein verlassen haben, sonst gab es für alle Zeltmitglieder eine Zeitstrafe. Auch das gegenseitige Helfen war kaum möglich. Mal einem Mitläufer eine Cola geben oder Essen teilen, wurde von den Veranstaltern untersagt. Im Zelt waren wir zu acht, auf der Strecke lief dann jeder für sich. Außerdem war jeder Riegel in unserem Rucksack beschriftet, damit man ihm dem jeweiligen Läufer zuordnen kann. Wir sind ja in Nationalparks gelaufen. Direkt nach Zieleinlauf wurde dann alles gewogen. Wenn das Essen nicht in einem bestimmten Verhältnis zum Gesamtgewicht im Rucksack stand, gab es ebenfalls eine Zeitstrafe. Da waren sie sehr rigoros. 

O|N: Du hast in deinem Läuferleben schon viel erlebt, warst schon an vielen Orten der Welt laufen. Welchen Platz nimmt da der Grand-to-Grand ein? 

Gramm: Es war schon sehr emotional, aber ich gewichte die Rennen nicht. Jedes Rennen hat seinen Reiz und seine Besonderheit. Du kannst nicht die USA mit Australien oder Mosambik vergleichen. Selbst ein und dasselbe Rennen kann sich von einem aufs andere Jahr durch die Bedingungen unterscheiden. Man muss sich immer wieder auf die Gegebenheiten vor Ort einstellen und über seinen eigenen Schatten springen. Darin liegt der Reiz. 

O|N: Wird es denn eine Rückkehr zum Grand-to-Grand geben? 

Gramm: Schwierig zu sagen. Ich werde bestimmt noch mal mit der Familie hinreisen. Aber ob ich dort noch mal laufe, weiß ich nicht. Man nimmt sich damit ein Stück weit die Besonderheit eines solchen Rennens, man zerstört sich die Eindrücke, deshalb bin ich kein Freund von Wiederholungen. Es gibt andere Rennen mit anderen Bedingungen, die interessant wären. Aber bei diesem Rennen würde ich niemals nie sagen. (lacht) 

O|N: Gibt es denn schon konkrete Pläne für die Zukunft? 

Gramm: Wir schauen mal. Interessant ist sicherlich das asiatische Rennen der Continental Challenge in Vietnam. Das könnte das nächste Rennen werden. Das Rennen in Norwegen findet nächstes Jahr nicht statt, damit fällt das schon mal raus. 

O|N: Eine kuriose Randgeschichte gibt es von deinem Trip in die USA auch noch. Du bist nun offizieller Botschafter von Kanab im deutschsprachigen Raum. Wie kam es denn dazu? 

Gramm: Der Kontakt kam über den Veranstalter zustande. Wir haben uns schon im Vorfeld ausgetauscht und in Kanab habe ich mich dann mit den Leuten vom örtlichen Tourismusbüro getroffen. Es gibt auch eine Deutschlandvertretung in Hannover. Ja und jetzt bin ich Testimonial für Deutschland, Österreich und der Schweiz. Deshalb sitze ich auch hier mit einem Kanab-Pullover. (lacht) 

Sascha Gramm, vielen Dank für das Gespräch. (fh)+++ 

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