Was wir lesen, was wir schauen (61)
Reiner Engelmann, Der Fotograf von Auschwitz - "Uns der Geschichte stellen"
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22.01.2023 / REGION -
Am 27. Januar jährt sich der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 78. Mal. Am 31. August 1940 trifft dort der junge Pole Wilhelm Brasse mit einem Häftlingstransport ein. Von jetzt an ist er namenlos, er ist Häftling Nummer 3444.
Es ist nicht einfach, über Auschwitz zu reden
Wer waren die Täter?
Hatten sie ein Gewissen?
Waren sie Mitglieder jenes Kulturkreises der Dichter und Denker, dem auch Goethe und Schiller entstammten?
Hätten sie sich Befehlen widersetzen können?
Wo lebten die Täter danach, als es vorbei war?
Lebten sie mitten in der Gesellschaft? Mitten unter uns?
Würde man ihnen begegnen? Sie wiedererkennen?
Oder standen sie alle nachweislich vor Gericht? Wurden sie verurteilt?
Welche Strafen hatte man ihnen zugedacht für das Unaussprechliche und doch Geschehene?
Fragen, die immer wieder neu gestellt werden müssen."
Arbeit im Erkennungsdienst
Czeslawa Koka und Rudolf Friemel
Rudolf Friemel war ein aus Wien stammender Widerstandskämpfer. Im Januar 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert. Dort wurde er ein sogenannter Funktionshäftling und arbeitete in der Fahrbereitschaft. Im Lager schloss Friemel sich sofort dem Widerstand an. Er wollte unbedingt seine Geliebte, Margarita Ferrer heiraten und tatsächlich bewilligte Himmler ihm eine Heiratsgenehmigung für Auschwitz. Als Termin wurde der 18. März 1944 festgelegt. Zur Hochzeit reisten die Familien der Beiden aus Wien an, Brasse machte die Hochzeitsfotos. Am 27. Oktober 1944 bereiteten einige Häftlinge die Flucht aus Auschwitz vor, darunter auch Friemel. Sie zogen einen SS-Mann ins Vertrauen, der sie aber denunzierte. Friemel und die anderen Häftlinge wurden am 30. Dezember 1944 auf dem Appellplatz gehängt.
Fotos für die Lagerärzte
Dr. Johann Paul Kremer widmete sich der ‚Hungerforschung‘ und erhoffte sich in Auschwitz "lebendfrisches Material". Dafür wurden Häftlinge gezielt vorbereitet, ihnen wurde jegliche Nahrung entzogen, bis sie nur noch Haut und Knochen waren. Waren sie tot, sezierte Kremer sie. Brasse musste auch diese Häftlinge vorher fotografieren.
Die Russen vor dem Tor
Am 15. Januar 1945 befahl Bernhard Walter Brasse, alle Fotos und Negative zu vernichten, "der Iwan komme". Brasse aber entschied sich, die Bilder nicht zu zerstören, denn sie waren eine Dokumentation des Grauens von Auschwitz. Die Menschen auf den Fotos gab es nicht mehr, die Bilder waren alles, was von ihnen geblieben war. Am 21. Januar musste Brasse mit vielen anderen Häftlingen auf einen der Todesmärsche gehen. Das Ziel ist Mauthausen.
Weiterführende Links
Gespräch mit Wilhelm Brasse im Projekt Zeitzeugenpatenschaft https://www.youtube.com/watch?v=Bz6WCSlD9Jc
Lesung mit Wilhelm Brasse und Reiner Engelmann https://www.youtube.com/watch?v=o8OdTiPv-ss
Der Fotograf der Toten – Artikel im SPIEGEL über Wilhelm Brasse. Hier finden Sie auch weitere Fotos Brasses von Häftlingen und Tätern in Auschwitz https://www.spiegel.de/fotostrecke/fotograf-von-auschwitz-wilhelm-brasse-fotostrecke-122598.html
Die brasilianische Künstlerin Marina Amaral, die aus der Kolorierung historischer Schwarz-weiß-Aufnahmen ihren Beruf gemacht hat, hat Brasses Fotos eingefärbt. Sie will damit die Erinnerung an die Holocaust-Opfer wachhalten. "Wenn wir alte schwarzweiße Fotos sehen, dann bekommen wir das Gefühl, dass das, was abgebildet ist, nur in Geschichtsbüchern stattgefunden hat. Durch die Restaurierung der Farben erwachen die Bilder zum Leben."
https://www.watson.ch/wissen/history/221880252-kuenstlerin-koloriert-portraet-eines-maedchens-das-in-auschwitz-umkam
In der ZDF-Mediathek finden Sie den Film "Ein Tag in Auschwitz", eine Dokumentation über das sogenannte Auschwitz-Album, in dem die Ankunft eines Transports ungarischer Juden 1944 dokumentiert wird. Sie zeigen die Ankunft der jüdischen Opfer in vollgepackten Viehwaggons, die "Selektion" auf der Rampe, den Raub ihres Eigentums und die Verwandlung all derer, die nicht gleich getötet wurden, in kahl rasierte, uniformierte Arbeitssklaven. Viele Fotos stammen von Bernhard Walter, das Album selbst musste das Fotografen-Team, zu dem auch Wilhelm Brasse gehörte, anlegen. https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation-sonstige/ein-tag-in-auschwitz-108.html
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