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Wer überzeugt am meisten?

"Bürger Speed-Dating" - drei Kandidaten kämpfen um die letzten Stimmen

Am Samstagabend hatten die deutschen Kanzlerkandidaten ein letztes Mal Zeit, um ihre Meinungen im Fernsehen zu präsentieren. Am Samstagabend hatten die deutschen Kanzlerkandidaten ein letztes Mal Zeit, um ihre Meinungen im Fernsehen zu präsentieren.
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23.02.2025 / KOMMENTAR - Drei Kandidaten, drei Minuten Zeit, um zehn Bürger von sich zu überzeugen! Am Samstagabend hatten die deutschen Kanzlerkandidaten ein letztes Mal die Chance, ihre Punkte einem breiten Publikum zu präsentieren. Beim "Bürger-Speed-Dating" von ProSiebenSat.1 konnten sie alles geben und unentschlossene Bürger für sich gewinnen.



Drei Kandidaten trafen sich am Samstagabend zum Speed-Dating mit Bürgern. Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Alice Weidel (AfD). Einer, der fehlte: Friedrich Merz (CDU). Dieser sagte zwei Tage vorher ab, aus terminlichen Gründen.

Insgesamt zehn Bürger kamen mit ihren unterschiedlichen Themen zu den Kandidaten. Darunter eben diese, die sehr viele Menschen in Deutschland derzeit umtreiben: etwa Bürokratieabbau, Migration, Rassismus, Schutz der Familien. Die Teilnehmer selbst kamen aus verschiedenen Berufen, waren in unterschiedlichen Alters und hatten verschiedene Anliegen - ein breiter Schnitt durch die Bevölkerung also.

Die Kandidaten gaben ihr Möglichstes, um die Fragen zu beantworten, die Bürger zu beschwichtigen und sich Probleme und Sorgen anzuhören - jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Für mich ist es die erste Bundestagswahl, bei der ich meine Stimme abgeben darf. Es ist mir also wichtig, mir ein eigenes Bild von den Kandidaten zu machen, ihre Lösungsansätze zu hören und mir meine eigene Meinung dazu zu bilden:

Olaf Scholz (SPD): Der amtierende Bundeskanzler gab sich auch wie einer. Er versuchte, mit souveränem Auftreten zu überzeugen. Das fiel auch einigen Kandidaten auf. Ich hatte das Gefühl, er versucht sich an einem Spagat aus Nahbarkeit und professioneller Distanz. Mit seinen klaren Antworten überzeugte er einige der Teilnehmer. Bemerkenswert: Er versuchte, auf Augenhöhe zu begegnen. An manchen Stellen fehlte mir jedoch ein wenig das Verständnis der doch teils sehr schwierigen Situationen, in denen sich die Menschen befinden.

Scholz versuchte oftmals damit zu punkten, was er in der seiner Regierungszeit bereits geleistet hat. In meinen Augen: An mancher Stelle war es zu viel Selbstlob und zu wenig handfeste Lösungsstrategien für die derzeit schwierigen Situationen der Bürger. Dennoch kann ich auch die Sympathie derer nachvollziehen, die ihm am Ende des Gesprächs lobten. Er nannte die konkreten Probleme und Lösungsideen, redete nicht 2,5 der drei Minuten um den heißen Brei herum und hatte für die Anwesenden ein offenes Ohr. Bei dem Anliegen der Bekämpfung der irregulären Migration gab er die klare Antwort der Abschiebung von straffälligen Migranten, auch nach Afghanistan und überzeugte damit den Fragesteller im Gespräch.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen): In den Gesprächen gab sich Habeck sehr nahbar, sehr menschlich. Er hatte ein offenes Ohr, hörte sich die Probleme an, zeigte Mitgefühl. Besonders auffällig: Er sagte ehrlich, wenn er in einem Thema nicht gut genug informiert war und fragte nach. Das war meist erfrischend, ich hatte das Gefühl, ihm liegt wirklich etwas an der Verbesserung der Situation der Menschen. Dennoch: nicht jeden Kandidaten konnte er damit überzeugen. Bei der Frage, wie er das Gesundheitssystem in Deutschland verbessern wolle, hatte ich das Gefühl, er interviewt die Kandidatin mehr, als sie ihn.

Das Nachfragen empfand ich überwiegend als positiv: Lieber das Problem genau verstehen wollen, als unwissend leere Phrasen zu dreschen und um den heißen Brei herumzureden. Im Falle des Gesundheitssystems war sein Ansatz jedoch etwas zu wenig lösungsorientiert. Ein Thema, bei dem er merklich aufblühte und mit guten Ideen glänzte: das Erreichen der Klimaziele. Hier stellte er gleich mehrere Forderungen, wie die Beihaltung des 49-Euro-Tickets oder das Verbinden des Stromnetzes mit E-Autos. Habeck wirkte auf mich insgesamt sehr einfühlsam und verständnisvoll. An manchen Stellen fehlte eine sichtbar harte Meinung und ein strikter Wille, seine Ideen in die Tat umzusetzen.

Alice Weidel (AfD): Weidel fing die Gespräche meist wie folgt an: mit einem Kompliment oder der Wertschätzung der Arbeit des ihr gegenüber sitzenden Bürgers. Besonders sind mir während der Sendung einige Dinge aufgefallen, die sie immer und immer wieder tat. Zum einen das Schimpfen auf die Politik der vergangenen Jahre. Eine Art, mit der sie viele Menschen für sich gewinnen kann. Was es dann aber auch braucht: Einen Lösungsansatz, der gut umsetzbar ist, das fehlte mir oft. Ich hatte das Gefühl, es ist ihre Strategie, sich erst mit den Bürgern gut zustellen, ihnen Komplimente zu machen, um dann gemeinsam gegen die Regierung zu wettern.

In meine Augen redete sie zu oft um den Brei herum und der Lösungsansatz kam zu wenig. In puncto Migration dagegen kam sie mit knallharten Regelungen, die sogar dem Bürger, der mit dem Anliegen kam, zu übertrieben waren. Auf die Antwort, wie sie die Grenzen denn sichern wollte, kam nur, "indem keiner reinkommt". Für die vorherigen stark polarisierenden Aussagen, war mir diese Antwort zu schwach. Beim Klimaschutz kam sie außerdem mit einer ganz abstrusen Antwort. Mit den Worten "selbst wenn wir an den menschengemacht Klimawandel glauben" begann sie den Satz, um ihre eventuellen Lösungen zu präsentieren.

Fazit

Das Bürger-Speed-Dating war eine spannende Reihe an Gesprächen, bei dem den Bürgern in Deutschland die Möglichkeit geboten wurde, die Kanzlerkandidaten von einer ganz anderen Seite kennenzulernen. Gespräche auf Augenhöhe, bei denen die Kandidaten sich die Probleme der Bürger direkt anhören konnten. Das Fehlen des CDU-Kandidaten Merz ist mir ein Dorn im Auge: Sollte man denn nicht gerade am Abend vor der Wahl noch einmal alles geben und sich die Probleme anhören, die den Menschen in Deutschland am Herzen liegen? Der Unions-Kandidat sieht das augenscheinlich anders. Wer am meisten überzeugt hat, dass muss jeder für sich entscheiden. Ganz wichtig aber und das betonten auch die Moderatoren am Ende der Show: wählen gehen! (Ein Kommentar von Katharina Geppert) +++

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