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Deutschlands vermutlich einzige Bestattungs-Zwillingsschwestern

Susanne (links) und Sabine Nau, Deutschlands vermutlich einziges weibliches Bestatter-Zwillingspaar.
Fotos: privat

06.11.2023 / ALSFELD - Wir alle wissen, dass unser Leben unausweichlich zu Ende gehen wird - früher oder später. Und obwohl der Tod doch irgendwie ganz selbstverständlich und natürlich zum Leben dazugehört, ist es für die meisten Menschen kein einfaches Themenfeld. Für einige Wenige gehören Tod, Sterben und Trauerbegleitung zur eigenen Professionalität: die Rede ist von bundesweit rund 5.500 Bestattungsunternehmen (Quelle: Statista 2023).



Eins davon wird von einem weiblichen Zwillingspaar geführt, diesbezüglich vermutlich bundesweit das einzige: den Schwestern Susanne und Sabine Nau, die das Alsfelder Traditionsunternehmen in der nunmehr vierten Generation gemeinsam leiten. OSTHESSEN|NEWS hat sie besucht.

Alsfeld, Ludwigsplatz. Der Büroraum der Pietät Nau ist freundlich eingerichtet, dezent und mit einer angenehmen Atmosphäre. Attribute, für die auch die beiden Geschäftsführerinnen sorgen. Es liegt in der Natur der Sache, dass sie an diesem späten Nachmittag noch geschäfts- und themenkonform dunkel gekleidet sind. Düstere Gemüter sind Susanne und Sabine Nau allerdings nun wahrlich nicht. Laut Bestatterverband sind sie Deutschlands einziges weibliches Zwillingspaar in der Leitung einer Pietät. Mit ganz viel Hingabe und Leidenschaft leben sie ihren Beruf – alles andere wäre auch nur schwer vorstellbar bei Einsätzen rund um ‚natürliche wie nicht-natürliche Todesfälle‘, Verkehrsunfälle oder sonstige Unglücksfälle, Suizide oder ähnliches.

Sie werden zu Großfamilien und Vereinsamten gerufen, zu gerade erst Verstorbenen oder solchen, bei denen der Todeseintritt bereits länger zurückliegt – mit allen sinnlich wahrnehmbaren Begleiterscheinungen. Manche haben den Tod erwartet oder empfanden ihn als Erlösung, in vielen anderen Fällen ist er eine Tragödie. Den Verstorbenen zu überführen ist dabei nur eine einzige Facette, der Umgang und die Hilfe für die trauernden Angehörigen ist die eigentliche Herausforderung. Susanne und Sabine vermitteln einen glasklaren Eindruck: sie haben einen professionellen Umgang damit gefunden.

Die vierte Generation

"Wir haben den Betrieb von unseren Eltern Adolf und Waltrud Nau übernommen", erzählt Sabine, die seit nunmehr 25 Jahren im Betrieb tätig ist - seit vier Jahren zusammen mit Zwillingsschwester Susanne in der Geschäftsführung. Äußerlich sind sie als eineiige Zwillinge kaum zu unterscheiden, aber ihre Werdegänge führten erst über Umwege zusammen: Sabine ist gelernte Verlagskauffrau und arbeitete auch einige Jahre nach der Ausbildung bei einem örtlichen Verlagshaus, bevor sie sich zum Wechsel ins elterliche Unternehmen entschied. Susanne, die "Jüngere", absolvierte zunächst eine Bankausbildung, um dann viele Jahre später eine Ausbildung zur geprüften Bestatterin anzuschließen.

"Das war und ist schon eine besondere Herausforderung", sagt sie. Die Rollen in der Geschäftsleitung waren 2019 somit schnell verteilt: Susanne übernahm von Vater Adolf nach dessen Rückzug den Part bei Abholungen, Trauerfeiern und Überführungen – also eher das Tätigkeitsfeld außerhalb des Büros. Die Büro-Zuständigkeit liegt demgegenüber primär bei Sabine, die sich in erster Linie um die Büro- und Verwaltungsangelegenheiten kümmert.

Emotionale Ausnahmesituationen – nicht nur für die Trauernden

"Trauernde befinden sich in aller Regel in einer emotionalen Ausnahmesituation. Sie brauchen oft viel Fürsprache und das Gefühl, dass sie bei uns gut aufgehoben sind und gut begleitet werden", sind sich die beiden Schwestern einig, und formulieren ganz nebenbei die zentrale Komponente, die als Bestatter gefragt ist: "Man sagt uns bei Sterbefällen eine große Empathie nach. Das ist für uns eine ganz wertvolle Bestätigung unserer Arbeit und der Art, wie wir von den Trauernden empfunden werden. Dies ist manchmal auch für uns sehr emotional und führt dazu, dass man auch hin und wieder selbst eine Träne in den Augen hat." Susanne und Sabine machen keinen Hehl daraus, dass es auch für sie und ihre Mitarbeiter teilweise schwer auszuhaltende Situationen gibt:

"Als ganz schlimm empfindet man es, wenn Kinder oder junge Menschen ihr Leben verlieren - das erfordert ein hohes Maß an Professionalität in der Situation und den richtigen Umgang damit im Anschluss." Will heißen: der vertrauensvolle Austausch im Team, das Sprechen über besonders belastende Momente ist sehr hilfreich. Dabei ist Diskretion das oberste Gebot: "Was im Team gesagt wird, bleibt im Team!" Falls erforderlich, stehen auch die Seelsorger als Supervisions-Ansprechpartner zur Verfügung.

Geboren, aber auch gestorben wird ohne Rücksicht auf die Uhrzeit: ein 24/7/365-Betrieb ist, zumindest als Rufbereitschaft, unerlässlich. "Das funktioniert sehr gut bei zwei Festangestellten, zwei Aushilfen und uns beiden. Ein sehr gutes Betriebsklima verbunden mit gegenseitiger Rücksichtnahme ist da selbstverständlich".

Bestattungswesen im Wandel

Urgroßvater Heinrich Nau hatte im Schnepfenhain eine Schreinerei und stellte die Särge noch selbst her. Daraus entstand später sein Bestattungsinstitut, das auf seinen Sohn Rudolf und danach auf dessen Sohn Adolf und nun in vierter Generation in die weibliche Zwillingsverantwortung überging. "Das Bestattungswesen ist heute individueller, vielseitiger und persönlicher geworden, wir versuchen auch immer, auf die Wünsche und Vorstellungen der Hinterbliebenen bei der Dekoration und den Musikbeiträgen einzugehen", betont Susanne. Gefragt seien nicht mehr nur die Klassiker wie "Befiel du deine Wege" oder "Jesu geh voran", sondern Stücke, die dem Verstorbenen oder den Hinterbliebenen wichtig waren. Der gleiche Blickwinkel bei der Dekoration: Was war für den Verstorbenen prägend? Vielleicht ein Musikinstrument, Bilder, eine Motorradjacke, eigene Bastelwerke, Strickarbeiten. Susanne appelliert an die Angehörigen, offen über vorhandene Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen: "Wir sind für alles offen!"

Neben dem Wandel bei den Trauerfeiern gibt es auch inzwischen eine Vielfalt bei den Bestattungsarten, die noch vor Jahren so undenkbar war. Als weitere wichtige Facette weisen die Naus auf den Beratungs- und Informationsservice im Vorsorgebereich zu Lebzeiten hin. "Viele Menschen haben inzwischen ihre recht konkreten Vorstellungen, wie die eigene Trauerfeier und die Bestattung einmal gestaltet werden sollen. Nach unseren Beratungsgesprächen fühlen sich viele Kunden dann besser – es wurde ihnen eine Last genommen, ob und wie ihre Ideen umsetzbar sind!"

Susanne Nau kommt zu einem eindeutigen Fazit: "Unser Beruf ist zwar heute auch mit viel Bürokratie verbunden, ich empfinde ihn aber jeden Tag wieder als reizvoll und herausfordernd. Ich habe für mich die Erfüllung gefunden!" Sabine stimmt ihr zu: "Es schafft einfach viel Zufriedenheit, wenn man sich abends wieder sagen kann, dass man jemandem in einer schweren Stunde helfen konnte! Manchmal ist allein schon das Zuhören wichtig. Dafür nehmen wir uns wirklich viel Zeit, denn die braucht es manchmal und dies ist dann durch nichts anderes zu ersetzen. Es kommt tatsächlich oft zu Rückmeldungen, dass wir eine sehr große Hilfe waren! Das erfüllt uns jedesmal mit Freude und Stolz!"

Falls ein Interesse geweckt wurde: Im Nau-Team wird noch eine Aushilfe als Verstärkung gesucht. Wichtige Voraussetzungen: Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit, Teamfähigkeit, psychische Stabilität beim Umgang mit Tod und Bestattung, aber auch eine gewisse physische Konstitution. (goa)+++

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