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Jens Schneidmüller-Hanls süße Evolution: Metall - Torten - Schokoküsse

Es geht weiter mit den leckeren Schokoküssen
Fotos: goa

13.11.2023 / MÜCKE - "Seit meiner Kindheit habe ich die KEIL-Schokoküsse geliebt", beginnt der "Neue" die Story. Nachdem Vorgänger Wolfgang Keil im Oktober 2022 nach 35 Jahren seine Ein-Mann-Schokokuss-Manufaktur in Schotten-Wingershausen aus Altersgründen eingestellt hatte, fand er zunächst keinen Nachfolger.



Als Keil die Suche via Inserat betreibt, steht in Nieder-Ohmen ein Telefon nicht mehr still: "Mensch Jens, das ist doch die Gelegenheit für dich, übernimm doch die Keil-Nachfolge!".

Für viele Freunde ist klar, dass Jens genau der richtige ist. Wie es kam, dass ein 50-jähriger Industrie- und Zerspanungsmechaniker zum neuen Vogelsberger Schokokuss-König wurde und welche Bilanz er nach den ersten Monaten zieht, hat er im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS verraten.

Mücke, Ortsteil Nieder-Ohmen. Das ganz normale Wohnhaus offenbart von außen noch nicht, welche hochintensiven süßen Vorgänge sich seit dem Spätsommer im Kellergeschoss abspielen. Jens Schneidmüller-Hanl redet gleich Klartext: "Ich verwirkliche mir hier gerade einen Traum, nämlich meinen Traumberuf!"

"Was hier abgeht, das ist der Hammer!"

Eigentlich ist er bis heute Metaller, in 1988 absolvierte er erst eine Lehre als Industrie-, dann später eine weitere als Zerspanungsmechaniker. Seinen Job bei einem Verpackungsmaschinenhersteller in Gießen mag er durchaus - aber er ist nun dabei, aus einem Hobby, einer Leidenschaft noch viel mehr zu machen. Schon lange ist Jens bei seinen Freunden und Bekannten als absoluter Tortenexperte ein Geheimtipp und erweist sich dabei nicht nur als Geschmacksvirtuose, sondern auch in Puncto Formen und Farben als Gestaltungsgenie. Nun also ergab sich vor einem Jahr mit dem Ende der Keil-Schokoküsse eine Gelegenheit: Vorbesitzer Wolfgang Keil schaltete Inserate: "We Want You!".

Jens erinnert sich: "Meine Freunde riefen der Reihe nach an. Sie rannten ja mit ihrem Appell offene Türen ein, ich war sofort interessiert. Ich habe intensiv mit meiner Frau geplant, die Finanzierung geklärt und mit Wolfgang Keil, den ich zuvor noch nicht persönlich kannte, die Modalitäten besprochen. Und seit September geht es hier bei uns rund! Das ist der Hammer, was seitdem abgeht, wir kriegen die Schokoküsse sowohl hier bei uns als auch auf den Märkten aus den Händen gerissen!"

Equipment, Rezepte und Know-How vom Vorgänger übernommen

Jens sieht sich angesichts der grandiosen Nachfrage einem "Luxus-Problem" gegenüber: noch ist er voll in seinem Hauptberuf tätig, sein Antrag auf Teilzeit läuft. Das Problem: er kann (noch) gar nicht so viel produzieren, wie er verkaufen könnte. "Bei der Premieren-Verkaufsvorstellung am Feiertag, dem 3. Oktober, war hier in Nieder-Ohmen der Teufel los, und so geht es auch regelmäßig auf den Märkten: nach drei bis vier Stunden ist der Verkaufswagen jedesmal komplett leergefegt!" Er bittet um Verständnis bei den Kunden, die nach langem Schlangestehen dann leider vielleicht leer ausgehen. "Die allermeisten haben auch Verständnis dafür, dass ich einfach noch begrenzte Kapazitäten habe."

Er profitiert davon, auf den Märkten einen alteingesessenen Keil-Kundenstamm vorzufinden - und natürlich auch besonders davon, vom Vorgänger nicht nur die Maschinen und Rezepturen übernommen zu haben, sondern auch gleich noch seine Geheimnisse, sein Know-How: "Ich wurde mit Wolfgang schnell einig, dass er als Minijobber bei mir tätig ist und mir alles live zeigt. So erfolgt automatisch die perfekte Einarbeitung und wir bekommen eine einigermaßen hohe Warenmenge zusammen." Eine klassische Win-Win-Situation, denn für Wolfgang Keil ist es eine Herzensangelegenheit, sein Lebenswerk in den Händen eines Nachfolgers zu sehen, für den es viel mehr als nur ein "Beruf" ist: nämlich eine Leidenschaft, eine "Berufung", ein Traum.

"Es erfüllt mich mit meinen nun 72 Jahren mit Freude und Stolz, was Jens hier macht und dass es für die Kunden weitergeht. Bei ihm ist es ja wie damals bei mir: aus einem Hobby wurde mehr. Und dass ich ihm gerade in der Anfangsphase helfen kann, das ist klasse und macht mir einen Riesenspaß, zumal der Jens das auch richtig gut macht. Man merkt, dass er als Hobby-Konditor weiß, wie man mit den Zutaten umgeht!" Beim Miteinander der beiden wird schnell klar, was sie auch beide bestätigen: "Wir funken auf der gleichen Wellenlänge und brauchen nicht viele Worte, um uns zu verstehen!"

Innovationen im Sortiment und Probleme mit der Hose…

Modifiziert wurde das Sortiment: aus Keils 60 Sorten wurden die 25 gängigsten - ergänzt um die eine oder andere Neu-Kreation, bei der Jens' Frau Christiane ihre Experimentierfreude auslebt: Lavendel und Stollengeschmack sind schon mit dabei, es wird immer wieder saisonal gedacht, gemacht und weiter probiert. Wer die Schokoküsse bei Schneidmüllers vor Ort erwerben will, dem sei gesagt: ohne wochenlange Vorbestellung via WhattsApp unter der Mobilrufnummer 01733158671 besteht keine Chance.

Sollte Jens derzeit um eine charakteristische Handbewegung gebeten werden, hätte diese hier gute Chancen: immer wieder zieht er sich die Hose hoch. Sein Lachen ist dabei so unwiderstehlich wie die kleinen schwarzen, weißen und bunten Köstlichkeiten. "Die Hosen passen alle nicht mehr, ich habe seit der Übernahme durch die Doppelbelastung etliche Kilo abgenommen, und das obwohl ich auch selbst immer wieder gerne von dem nasche, was ich da mache! Freizeit kenne ich seit der Übernahme nicht mehr. Das macht aber nichts, es ist einfach toll, dass wir so einen super Start hatten, da darf die Hose ruhig mal rutschen...!"

Und wie ist es mit der Haltbarkeit...?

In die heilige Kammer im Kellergeschoss darf man nur von der Tür aus reinsehen, die strengen Hygienevorschriften verbieten einen Zugang für Betriebsfremde. Aber schnell ist klar: alles Handarbeit, jeder Schokokuss bedarf mehrfacher Bearbeitung. Der Autor dieser Zeilen konnte sich von der Qualität und der Vielfalt der Küsse überzeugen: eine Leichtigkeit im Schaumkörper, die einfach kaum zu beschreiben ist - da kann kein Massen-Schokokuss mithalten. Dem genießenden Autor ging die zugegebenermaßen rhetorische Frage durch den Kopf: "Kann man diese Schokoküsse auch einatmen, so fluffig wie die sind?" Die Leser werden allerdings um Verständnis dafür gebeten, dass eine andere, durchaus relevante Frage vom Autor nicht beantwortet werden kann: wie lange sich die Schneidmüllerschen Schokoküsse denn halten - die Dinger waren einfach zu schnell da, wo sie hingehören... . (goa) +++

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