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Der EKHN-Kirchenpräsident: bis heute wortwörtlich ein "Schlitzer Jung"

Seit 2009 und noch bis Ende 2024 ist Dr. Dr. h.c. Volker Jung Präsident der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN).
Fotos: EKHN

03.07.2023 / SCHLITZ / DARMSTADT - Seit 2009 und noch bis Ende 2024 ist Dr. Dr. h.c. Volker Jung Präsident der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN). Geboren und aufgewachsen in Schlitz absolvierte er im Vogelsbergkreis nach dem Theologie-Studium viele Jahre als Seelsorger in unterschiedlichen Funktionen, bevor er dem Ruf der Kirchensynode folgte und mit Dienstsitz in Darmstadt sechster Präsident der EKHN wurde. OSTHESSEN|NEWS hat ihn bei einem seiner häufigen Heimatbesuche in der Burgenstadt getroffen.



Innenstadt Schlitz an einem Samstagmittag. Wir klingeln an einem unscheinbaren Haus – es ist das Elternhaus eines Schlitzer Promis, den eine exponierte Funktion vor 14 Jahren nach Südhessen zog. Dr. Volker Jung besucht seine hochbetagte, aber sehr lebensfrohe Mutter, dies verbindet der Kirchenpräsident natürlich mit dem einen oder anderen Termin in der Region.

"Als ich vorhin auf den Parkplatz fuhr, habe ich gleich zufällig zwei Leute getroffen, die ich früher in der Fußball-E-Jugend trainierte. Natürlich gibt es dann erstmal einen netten Plausch." Unser Gespräch wird zeigen: dieser auf den ersten Blick belanglos erscheinende Moment geht bei ihm in die Tiefe, denn viele Herzensangelegenheiten kommen darin zusammen. Fußball-Bezug, Ankommen (mehr als nur physisch) in der unverändert geliebten Heimat, der bevorstehende Besuch bei der Mutter nicht nur aus Nettigkeit, sondern aus Fürsorge, Kontakt mit alten Bekannten. "Wenn ich hierherkomme, dann geht es mir gut!"

Gerade ein Mensch wie Dr. Volker Jung ist dabei aber reflektiert genug, die Eindrücke des heimatlichen "Gut-gehens" nicht durch einen Filter im Stile einer "Heile-Welt-Idylle" zu betrachten: "So gerne ich auch hier bin: ich fahre durchaus mit gemischten Gefühlen wieder weg, weil ich merke, wie sich Schlitz über die Jahre verändert hat und es noch tut, wie andere Kommunen in der Region auch. Viele Geschäfte und Betriebe aus meiner Kindheit gibt es nicht mehr. Das macht mich schon traurig. Meine Eltern hatten hier im Haus die Gastwirtschaft mit Metzgerei, es gab insgesamt sechs bis acht Metzgereien. Davon ist fast nichts mehr übrig."

Eine positive Veränderung verdient indessen Erwähnung: "Dass in Schloss Hallenburg die Hessische Landesmusikakademie (LMAH) einzog, ist eine tolle Sache. Ich gehörte nach dem 10. Schuljahr in der Schlitzer Gesamtschule als Geburtsjahrgang 1960 zu den ersten Oberstufenschülern, die nicht in Schloss Hallenburg, sondern in Lauterbach das Abitur gemacht haben. Dann entstand nach vielen Jahren des Leerstands dort die LMAH mit einer großartigen Nutzung und einer kraftgebenden Ausstrahlung für die ganze Region."

Seine Ehefrau Claudia stammt aus Sandlofs, sie lernten sich bereits in der Schulzeit kennen. Aus der Ehe gingen zwei erwachsene Töchter hervor, von denen eine in Berlin, die andere in Frankfurt lebt. Zwei Enkel im Alter von fünf und zwei Jahren bringen eine ganz andere Farbe und Bereicherung in den Jung’schen Kosmos. Während sein Vater in 2016 gestorben ist, lebt die Mutter noch im Elternhaus und der ebenso hochbetagte Schwiegervater in Sandlofs. Der Seelsorger Dr. Jung beschreibt die Thematik "Alter" einerseits als Gnade, andererseits aber auch als Last: "Es ist dann oft auch ein Loslassen von Dingen, die man ja einst machen konnte. Gerade da ist ein funktionierendes Umfeld, das Dinge auffangen kann, ein Segen. Bei meiner Mutter ist dies vor allem durch eine im Haus wohnende Familie gegeben. Sie haben einen Fluchthintergrund: der Familienvater kam während des Jugoslawien-Krieges hierher, dann folgte seine Verlobte. Ihre beiden Kinder kamen hier zur Welt, meine Eltern wurden zu ihren Ersatz-Großeltern. Nun kümmert sich die Familie liebevoll um meine Mutter – sie gehören ganz selbstverständlich längst zur Familie und wir zu ihrer. Dass sie Muslime und wir Christen sind, spielt dabei für niemanden eine Rolle. Diese wunderbaren Erlebnisse haben mich bei Fragen rund um die gesellschaftlichen Brennpunkte Flucht und Migration nachhaltig geprägt!"

Jung hatte schon immer eine große Heimatverbundenheit. Schon der Studienort Göttingen genoss die Gunst, weil der Jugendtrainer Volker Jung von dort aus an den Wochenenden zum Training nach Schlitz pendeln konnte. Die späteren Tätigkeiten im Vogelsbergkreis (Alsfeld, Stumpertenrod / Köddingen, Lauterbach) ermöglichten es ihm, viele Freundschaften zu erhalten oder gar den Kreis noch zu erweitern. "Trotz des Umzugs nach Darmstadt haben wir die Beziehung in die Heimat und den Erhalt vieler Freundschaften nie abreißen lassen, sowohl nach Schlitz als auch nach Lauterbach."

Theologie-Studium, Seelsorger, Kirchenpräsident

"Die tiefsten Lebensfragen haben mich schon in der Schulzeit besonders interessiert, so entstand das Interesse für Philosophie und Theologie. Ich habe die Arbeit als Pfarrer mit und wegen des täglichen Kontakts zu den Menschen in allen möglichen Lebensphasen immer sehr geliebt: man ist bei den Menschen zu Hause und hört alle möglichen Lebensgeschichten. Und auch den Religionsunterricht zu geben mochte ich: durch die jungen Menschen habe ich selbst noch mal unglaublich viel gelernt, was das Leben angeht." Jung blickt auf seine Bewerbungsrede vor der Kirchensynode hin, in der er sagte, er wolle als Pfarrer Kirchenpräsident werden und dabei dennoch als Kirchenpräsident Pfarrer bleiben. Dieses Motto hat er sich wegen der Nähe zu den Menschen erhalten: neben einem Predigtauftrag an der St. Katharinenkirche in Frankfurt erfüllt er zuweilen auch persönliche Anfragen wie bei Trauungen. Die Funktion bringt es mit sich, dass man auch auf Bundes-Kirchenebene in der EKD in die Verantwortung genommen wird: viele Jahre als "Medienbischof" und Sportbeauftragter seien als Stichworte genannt. In der letztgenannten Funktion weilte er 2019 beim DFB-Pokalendspiel der Frankfurter Eintracht gegen den FC Bayern im Berliner Olympiastadion. Eine überragende Eintracht war derart überlegen, dass der seinerzeitige Pokalsieg nicht (nur) an der Anwesenheit des kirchlichen Daumendrückers gelegen haben kann… "Wie sich die Eintracht in den letzten Jahren entwickelt hat, das hat mich genau so gefreut wie der diesjährige Bundesliga-Aufstieg des SV Darmstadt 98". Die eigene Sportlichkeit sieht man Dr. Jung übrigens auch mit nunmehr 63 Lebensjahren deutlich an.

Drei Prozent Mitgliederschwund der EKHN in 2022: "Es belastet mich sehr, das am Ende der Amtszeit so zu erleben! Es geht darum, harte Strukturveränderungen einzuleiten, um Einsparungen umzusetzen. Da ist viel Konfliktmanagement gefragt!" Man könnte sich eine weniger anspruchsvolle Phase für das Ende einer so langen Dienstzeit vorstellen und beneidet Dr. Jung sicher nicht um die Aufgabe, viele bittere Pillen verabreichen und die Notwendigkeit dessen erklären zu müssen. Zu Gute kommt ihm dabei seine zugewandte sympathische Art und seine kommunikative Stärke. Dr. Volker Jung wird viele seiner Trümpfe ausspielen müssen: nahbar und empathisch im Umgang mit Menschen, eloquent auf dem Podium, wortgewandt, spontan und glaubwürdig vor Kamera und Mikrofon – eine bis Ende 2024 in der Außenwirkung hervorragende Stellenbesetzung, wie es scheint.

Wer den "Schlitzer Jung" gerne wieder mal "Zu Hause Live on Stage" erleben möchte, hat in Kürze eine vorzügliche Gelegenheit dazu. "Zum Programm gehört bei uns immer das Schlitzer Trachtenfest. Ich freue mich darauf, am Sonntag, 9. Juli ab 10.00 h wieder die Festpredigt beim Gottesdienst halten zu dürfen!" (goa) +++

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