"Berufe. Berufungen. Menschen!" (5)

Musik als Beruf und Berufung – und viel zu selten als aktives Hobby

Mareike Wütscher lebt für die Musik.
Fotos: Goa

27.03.2023 / SCHLITZ - Die Landesmusikakademie Hessen (LMAH) in Schlitz hat im November 2022 eine neue geschäftsführende Direktorin erhalten. Auf den in Ruhestand getretenen Lothar R. Behounek folgte mit Mareike Wütscher erstmals eine Frau in der hauptamtlichen Leitungsfunktion der Akademie, es war aber auch ein Generationswechsel. OSTHESSEN|NEWS hat sie vor Ort besucht und mit ihr über ihre ersten Eindrücke aus der neuen Funktion, ihre Ziele und ihr Selbstverständnis als Chefin, aber auch über sie als Mensch gesprochen.



Für die 39-jährige Mareike Wütscher wurde mit der Übernahme der Leitungsfunktion ein Traum wahr: fünf Jahre lang war sie bereits als Referentin für Musik an gleicher Stelle tätig, um nun die Gesamtverantwortung zu übernehmen. Wütscher stammt aus Bad Neustadt / Saale, machte ihr Abi mit Musik als Leistungskurs in Schweinfurt und studierte Schulmusik in Würzburg und Dirigieren in Linz. Vor elf Jahren lernte sie ihren Mann kennen, mit dem sie in 2017 nach Schlitz kam. Da ihnen der ländliche Raum sehr zusagte, war Schlitz mit der LMAH als neuer Schaffensort prädestiniert. Perspektivisch bereitete sie sich mit dem Seminar "Führung einer Musikschule" sowie einem Studium ‚Kulturmanagement‘ auf die Leitungsstelle vor, privat mit einem Hausbau in Hutzdorf. Der Plan ging auf: mit Lothar R. Behouneks Verabschiedung wurde ihr die Leitung der LMAH übertragen (O|N berichtete). Zu dieser Phase hebt sie hervor: "Bei manchen Menschen, die aus Altersgründen aus einer Funktion ausscheiden, plätschert die letzte Arbeitsphase so dahin. Mein Vorgänger Lothar Behounek aber war bis zuletzt voll motiviert - das war sehr beeindruckend!"

"Ich versuche, für die Mitarbeiter 24/7 erreichbar zu sein", sagt sie. "Dass im Alltag so viele Termine zu bewältigen sind, kostet viel Energie. Manchmal habe ich das Gefühl, so richtig an eigenen Themen nur abends arbeiten zu können. Es macht aber unglaublich viel Spaß, den Betrieb aktiv und verantwortlich gestalten zu können!"

Schon seit 2017 gilt für sie: "Den Schlosspark zu betreten und für dieses Haus arbeiten zu dürfen, ist mir eine besondere Freude! Dieses Gefühl ist jetzt als Leiterin nochmal intensiver geworden und darauf bin ich auch stolz. Mir ist ein kooperativer Führungsstil wichtig, mit möglichst wenig Hierarchie, so bin ich mit allen Mitarbeitern auch per Du und genieße die Herzlichkeit des Miteinanders immer wieder aufs Neue." Die bisherigen fünf Jahre im Haus kommen ihr zugute, sie ist mit dem Haus und dem Personal bestens vertraut. Als Referentin war sie bisher mit dem Dozententeam für die Organisation und Konzeption des Kursprogrammes verantwortlich.

Thematische Öffnung der LMAH?

Als ihre Ziele formuliert sie unter anderem die Reform interner Strukturen und Arbeitsabläufe, zum Beispiel in Verbindung mit dem zweiten Gästehaus. Mittelfristig soll auch durch eine touristische Öffnung bei Bettenleerstand die Auslastung erhöht werden, "ohne dabei der Touristik zu schaden", wie sie betont. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit der Region, der Stadt und dem Vogelsbergkreis gefestigt werden, sie will sich ehrenamtlich in der Gremienarbeit mit einbringen – eine Bitte, die auch der Erste Kreisbeigeordnete Dr. Mischak bei einem Antrittsbesuch an sie gerichtet habe. Langfristig kann sie sich die LMAH auch als Plattform für andere kulturelle Sparten vorstellen: Tanz, Theater, Literatur. "Nicht nur für Veranstaltungen, sondern auch für Kurse – warum nicht!?"

Hausbau = Kinder?

Mareike Wütscher ist verheiratet. "Mein Mann steht voll hinter mir und übernimmt zu meiner zeitlichen Entlastung zum Glück auch viel im Haushalt", zeigt sie sich dankbar. "Mancher hat geunkt, dass unser Hausbau wohl das Signal für geplante oder zu erwartende Kinder sei. Diese Mutmaßung ist falsch. Alle Energie und Zeit geht nämlich voll in die Musik." Dabei gibt es neben dem beruflichen auch einen freizeitbezogenen musikalischen Strang: Wütscher engagiert sich im Hessischen Musikverband als Bezirksbeauftragte für Osthessen, aber vor allem ist sie Leiterin des Musikvereins Großenlüder, ein ambitioniertes Ensemble mit 60 bis 70 Aktiven. "Für weitere Hobbies bleibt da keine Zeit, und so kommt auch das eigene Klavierspiel zu Hause oft viel zu kurz."

Hausbau = Heimat?

Die Musik bildet sozusagen den Migrationshintergrund von Mareike Wütscher, weg aus dem bayerischen Unterfranken nach Oberhessen. Was definiert sie als ihre Heimat? Gab oder gibt es Heimweh? "Hmh, die Frage finde ich eher schwer. Aktuell ist Schlitz für mich Heimat, aber ich bin, glaube ich nicht so heimatverbunden wie manch andere; ich habe ja auch schon an unterschiedlichen Orten gelebt. Heimweh: nein – da ich ja eine neue Heimat gefunden habe, gibt es kein Heimweh!"

Harte körperliche Arbeit: tolle Erfahrung mit anderer Musik als sonst…

"Ich liebe Musikkabarett, zum Beispiel Bodo Wartke. Oder Andreas Hofmeir – seine Veranstaltung im Kulturkeller in Fulda war klasse!" Wenn sie sich Musik anhört, dann ist es stimmungsabhängig, am liebsten Klassik oder Jazz. Als eine spezielle, völlig neue Erfahrung in ihrem Leben, die sie aber nicht missen möchte, beschreibt sie den Hausbau mit ganz viel Eigenleistung. "Nach körperlich harter Arbeit fix und fertig, aber glücklich über das Ergebnis zu sein, das war eine tolle Erfahrung, die ich so noch nicht kannte!" Interessant: beim Kabelschlitze-Stemmen und dergleichen war dann auch mal eine gänzlich andere Musikrichtung in der Hutzdorfer Baustelle angesagt: "Wenn es richtig rund ging, dann brauchte ich mal keinen intellektuellen musikalischen Humor, sondern dann musste es einfach Hardrock sein!" (Gerd Ochs) +++

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