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Prof. Oliver Planz: Von einer Hamburger Bierkneipenidee in die Tagesthemen

Ein Ur-Alsfelder an einem Lieblingsort in der Heimat: Prof. Oliver Planz und die Villa Raab.
Foto: goa

30.10.2023 / ALSFELD - Seine Geschichte erinnert (in abgewandelter Form) ein wenig an den amerikanischen Traum. Anstatt vom Tellerwäscher zum Millionär, entwickelte sich der mittelmäßige Abiturient und zunächst lustlose Alsfelder Biologie-Student Oliver Planz plötzlich durch einen USA-Studienaufenthalt zum Überflieger. Ein Infektionsimmunologe war geboren – und es sollten fachliche Sternstunden folgen.



Für eine mediale Präsenz von Prof. Planz in Sendungen wie Report, Panorama und den Tagesthemen sorgte dann der Beginn der Covid19-Phase. Über 140 Medikamenten-Patente besitzt der an der Uni Tübingen tätige Infektionsimmunologe inzwischen – und kann damit bei vielen Patienten für Linderung und frühere Heilung sorgen. Den Heimatbezug hat Planz nie verloren – im Gegenteil. OSTHESSEN|NEWS hat ihn bei einem seiner geliebten Aufenthalte in Alsfeld an einem für ihn besonderen Ort getroffen.

1982 machte der Alsfelder Bub, wie er sich auch selbst nicht ohne Stolz nennt, sein Abi an der Albert-Schweitzer-Schule. "Mit sieben Punkten in Bio", lächelt er heute über das damals eher magere Resultat, das nun wahrlich noch keinen Fingerzeig für seine spätere Entwicklung bedeutete. Es schlossen sich zwei Jahre Bundeswehr in Marburg an sowie "aus einer Laune heraus ein Biologie-Studium in Gießen, mehr schlecht als recht und insgesamt relativ lustlos". Dies sollte sich bald ändern: "Die Frage eines Englisch-Professors, ob ich Lust hätte, für ein Austauschsemester in die USA zu gehen, bejahte ich – und daraus wurden drei, weil ich es dort mit Virologie und Immunologie zu tun bekam. Mir war klar: das war es!" Planz beendete nach seiner Rückkehr das Studium in Rekordzeit, Diplom und Doktorarbeit folgten.

Beim Medizin-Nobelpreisträger in Zürich: "Auf dem Olymp der Immunologie!"

Als Meilenstein erwies sich dann seine Zeit in Zürich bei Rolf Zinkernagel, der in 1996 den Medizin-Nobelpreis bekam. Planz: "Das war der Olymp der Immunologie!". Noch in 1996 erhielt Planz im Alter von 33 Jahren das Angebot aus Tübingen, dort im Bereich der Forschung zu arbeiten. Dies tat er zunächst als Professor am Friedrich-Löffler-Institut, und habilitierte sich an der Uni, wo er seit 2011 als Professor für Translationale Infektionsimmunologie tätig ist. Der Infektionsimmunologe hatte ein spezielles Interessensgebiet für sich entdeckt: wie erkennt und bekämpft das Immunsystem Viren? "Angefixt davon wurde ich in den USA", blickt er zurück.

Vom Kneipengespräch zum Serien-Patentinhaber

Die bahnbrechenden Medikamenten-Entwicklungen, die Prof. Planz mit anstieß, führt er letztlich auf einen besonderen Abend zurück. "1998 saß ich mit zwei Gießener "virologischen Kumpels" in Hamburg in einer Kneipe: Prof. Stephan Pleschka aus Münzenberg und der Busecker Prof. Stephan Ludwig von der Uni Münster. Unsere Überlegung bei dem einen oder anderen Kaltgetränk: Das Virus braucht die Körperzelle, um sich zu vermehren. Aber WAS genau braucht das Virus? Wir gelangten zur Interaktion des Virus mit den Signalwegen, mit nicht-fachlichen Worten: Das Virus muss in der Körperzelle das Licht anschalten, um sich vermehren zu können – und wir haben den Lichtschalter identifiziert und ein Mittel dagegen entwickelt. Wir nehmen keinen Besen und hauen die Lampe kaputt, sondern wir schalten den Schalter aus – der kann aber auch wieder eingeschaltet werden." Bemerkenswert, so Prof. Planz, ist der Umstand, dass die entwickelte Substanz nur geringe Nebenwirkungen hat. Im weiteren Fortgang wurde "ein weiterer Schalter gefunden" und zu einem Covid 19-Medikament weiterentwickelt, woraus das große Medieninteresse zu Beginn der Corona-Zeit resultierte. Planz bilanziert: "Studien bestätigten ganz klar: viele Krankenhaus-Patienten konnten unter der Mittelvergabe nachweislich schneller nach Hause entlassen werden oder brauchten keine Intensivbehandlung – eine vor allem am Höhepunkt der Patientenzahlen wichtige personelle Entlastung sowie Kostenersparnis, aber auch eine Minderung des Patientenleids!"

Drei Professoren, die Stones und der Planz‘sche Heimatbezug mit "Import und Export"

Die drei Professoren sind dicke Freunde und gehen seit über 20 Jahren zu Rolling-Stones-Konzerten. "Inzwischen war meine Tochter auch schon wiederholt mit dabei. "Olli", wie ihn seine Freunde nennen dürfen, hat seinen Heimatbezug nie verloren: im Auto hat er einen Karton Zwetschgen-Schnaps mit dem Alsfelder Rathaus auf dem Etikett. Die Früchte sind aus Alsfeld und werden im Ländle ganz offiziell gebrannt. "Ich bin Alsfelder und Hesse!" lautet sein klares Bekenntnis. Für den Gesprächsort gab es einige Favoriten, unter anderem das Alsfelder Schwimmbad. "Ich war sehr lange im Schwimmverein aktiv und kannte dort wohl jede Fliese!" Oder eine Kneipe, die sich durch ihre namensgebende Gemütlichkeit auszeichnet und wo ein unverzichtbares Heimat-Ritual wartet: der Verzehr eines halben Hähnchens. "Ich kann nirgends ein Hähnchen essen, ohne das mit Alsfeld zu assoziieren!" Die Wahl an diesem sonnigen Nachmittag fiel dann aber doch auf die Villa Raab: "Auf dem Weg nach Altenburg ins Calypso musste ich früher hier an der Raabschen Villa vorbei, die ja jahrzehntelang eine Ruine war. Dieses Bauwerk hat mich schon immer fasziniert. Es ist der Hammer, wie das gestaltet wurde, daher ist das für mich meine Unterkunft, wenn ich hier bin." Der gerade von der Autobahn gekommene "Olli" freut sich auf das Wiedersehen mit seinem Vater, seiner Schwester und vielen anderen. "Dieses Jahr bin ich 60. geworden. Mein Lebensmittelpunkt liegt nahe Tübingen, aber perspektivisch wird es vielleicht so ein Zwitterding, da ich gerne wieder mehr Zeit hier verbringen würde."

Während er Zwetschgen-Schnaps aus dem Schwabenland importierte, wird er für den Export noch einkaufen müssen: "Die mitzubringende Oberhessische Kartoffelbratwurst schmeckt mittlerweile auch den Schwaben!"

Abschließend ein Hinweis an die Leser, die auch sehr spezifische medizinische Fachliteratur konsumieren: Ende Oktober geht eine neue Fachzeitschrift an den Start. Titel: "Frontiers in Influenza", Chef Editor: Prof. Oliver Planz. (goa) +++

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