"Berufe. Berufungen. Menschen" (54)

Lukas lebt den Traum seines Lebens: Fliegen

Lukas lebt den Traum seines Lebens: Fliegen
Fotos: goa

06.05.2024 / GERSFELD (RHÖN) - Das Glück dieser Erde liegt für viele auf dem Rücken der Pferde – bei Lukas ist das anders. Seit dem Kindesalter hat ihn der Traum vom Fliegen gepackt und wird ihn wohl nie mehr loslassen. Leidenschaft und Hobby, seit einigen Jahren sogar Beruf und Berufung: Lukas Schmidt-Nentwig ist hauptberuflicher Leiter der Fliegerschule Wasserkuppe, der ältesten Segelflugschule der Welt. "Dem Himmel so nah" – Lukas verkörpert einen der größten menschlichen Ur-Träume.



Wasserkuppe: die Wiege des Segelflugs, ein Pilgerziel der Flieger. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts zog der höchste Berg Hessens, damals noch ohne jede Infrastruktur, wegen seiner Aufwinde einige Flugpioniere magisch an. Ihr unermüdliches Streben führte 1924 zur ersten Segelflugschule der Welt, die "Fliegerschule Wasserkuppe" – der Berg wurde damit schnell ein fliegerischer Hotspot. Seit drei Jahren hat die Fliegerschule einen recht jungen Leiter: den erst 32 Jahre alten Lukas Schmidt-Nentwig. Wie einst die Pioniere, so wurde auch er sowohl vom Gedanken des Fliegens als auch von der Wasserkuppe magisch angezogen. "Ich kann mich an keinen Moment meines Lebens erinnern, an dem ich nicht fliegen wollte", sinniert er. Bei einem Ausflug auf die Wasserkuppe im Kindesalter sei es geschehen, wie ein natürlicher Impuls: die Flieger sehen und begeistert sein. Lukas hat ihn nicht in der Familie geerbt, sondern beschreibt ihn als seinen ganz persönlichen "Urtraum". "Es brauchte viel Geduld meiner Eltern, seit meiner frühesten Kindheit dieses ständige Gerede vom Fliegerwunsch auszuhalten", muss er zurückblickend schmunzeln. Mit 14 Jahren ließen ihn die Eltern die Ausbildung zur Segelfluglizenz beginnen, die er tatsächlich mit 16 erhielt.


Gleichberechtigt mit allen anderen Fliegern

Bereits 14-Jährige können nämlich mit der Ausbildung beginnen und sind gleichberechtigt mit allen anderen Fliegern - immer unter der einzigen großen verbindlichen Überschrift "SICHERHEIT". Zum Studium zog Lukas einst in die Rhön direkt an den Fuß der WaKu: "Wollen wir es einen Vorwand nennen?", grinst er heute und gesteht: "Ich verbrachte mehr Zeit auf dem Flugplatz als in Vorlesungen der Theologischen Fakultät Fulda." Das Theologiestudium wurde nach immerhin neun Semestern abgebrochen, auch die begonnene Ausbildung zum Psychotherapeuten hatte keine Chance. "Als ich nach dem unvorhergesehenen Weggang eines Stelleninhabers das Angebot einer festen Anstellung auf dem Flugplatz erhielt, gab es für mich emotional überhaupt keine Alternative. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt: das Fliegen!". Der Plan ging auf: mit der erworbenen Fluglehrerberechtigung wurde er Leiter der Flugschule. Lukas hadert nicht mit der Zeit vorher, sondern sieht das Vorwissen als Gewinn: "Die theologischen und therapeutischen Kenntnisse sehe ich als Riesenvorteil, sie sind Teil meines Urvertrauens in mich und meine Mitmenschen".


"Wie Narnia: Die Fliegergemeinschaft bildet eine eigene Welt"

Ganz viele Menschen, die man auf der Wasserkuppe täglich trifft, tragen diesen Flieger-Urtraum in sich, versichert Schmidt-Nentwig. "Die Welt der Flieger ähnelt Narnia – sobald man die Grenzen des Flugplatzes überschreitet, geht man in eine eigene Welt. Die Menschen repräsentieren sämtliche gesellschaftliche Schichten, die alle vom Wunsch geeint sind, zu fliegen – das macht diese besondere Fliegergemeinschaft aus!"

Auf der Wasserkuppe wird sie nicht nur durch die Fliegerschule, sondern durch gleich fünf Vereine sowie die Gleitschirm- und die Modellflieger bis hin zur Gastronomie repräsentiert. Die vielen Ehrenamtler seien dabei der Motor des Fliegens, nicht wenige opfern ihren Jahresurlaub für dieses Gemeinschaftsgefühl.


Immer anders!

Lukas zitiert gerne das Sprichwort "Jeder Tag über dem Boden ist ein guter Tag" und begründet es mit der ständigen Vielfalt: kein Flug seit wie der andere. Andere Wetterbedingungen, immer andere Menschen um sich herum mit ganz unterschiedlichen eigenen Motivationen. "So erlebt man Fliegen immer wieder anders und immer wieder neu."

"Wir leben Begeisterung: Lebe deinen Traum!"

Markus Kurz ist Vizepräsident des gemeinnützigen Vereins "Gesellschaft zur Förderung des Segelfluges auf der Wasserkuppe e.V.", dem Träger der Fliegerschule und des Flugplatzes. Er erläutert das Hybridmodell des Vereins: "Bei uns gibt es keine Gewinnerzielungsabsicht. Wir betreiben keinen elitären Sport, sondern hier trifft sich der Querschnitt der Gesellschaft. Fünf Vereine teilen sich einen Platz und organisieren den gemeinsamen Flugbetrieb. Nach 10 bis 14 Tagen kann man allein fliegen, wechselt dann in einen Verein und wird dort wahnsinnig viel Spaß haben – oder umgekehrt." Den beiden Flug-Junkies Lukas und Markus ist eines ganz wichtig: "Natürlich braucht es keinen eigenen Flieger, sondern man bucht sich einen Vogel aus dem Fundus des jeweiligen Vereins – den Traum vom Fliegen teilen wir auf der Wasserkuppe gerne mit Jedermann!"



Dies ist im Sommer zum 100jährigen Bestehen der Fliegerschule sogar in sehr günstigen Einsteigerkurse möglich. Termine und Details sind der Homepage www.fliegerschule-wasserkuppe.de zu entnehmen. (goa) +++

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