"Berufe. Berufungen. Menschen" (56)

Luca Schmidts atemberaubender Weg: Bike-Pionier - Profi - WM-Pistenbauer

Luca Schmidts atemberaubender Weg: Bike-Pionier - Profi - WM-Pistenbauer
Fotos: Luca Schmidt / Privat

01.07.2024 / REGION - Dirtbike fahren, springen, siegen, aber auch stürzen und sich verletzen – aus dem Ulrichsteiner Buben Luca wurde ein Bike-Profi, aus dem Fahrer wurde (k)ein Lehrer: Bikeparks vom Gemeinde- bis zum Weltmeisterschaftszuschnitt bauen, Talenten das Biken beibringen. Der 28-jährige Luca Schmidt ist zwar studierter Lehrer, hat aber als einer der beiden Geschäftsführer der Hungener Firma Schanzenwerk seine Berufung gefunden. Aktuell errichtet die Firma mit dem Bikepark Mücke ein überregionales Leuchtturmprojekt (wir hatten berichtet), das noch im Juli eingeweiht wird. OSTHESSEN|NEWS hat Schmidt auf der Baustelle getroffen.



Sein bester Kumpel wohnte in Ulrichstein auf einem Aussiedler-Bauernhof. So begann man mittels Traktorunterstützung und inspiriert von Fachmagazinen, Strecken zu improvisieren - es gab sonst weit und breit noch nichts Richtiges, blickt Luca Schmidt zurück. Das Konfirmationsgeld ging in den Kauf des ersten bruchfesten MTBs, das Bike-Fieber hatte ihn gepackt. Nach dem studienbedingten Umzug nach Gießen nahm er erfolgreich an Läufen der Deutschen oder der Weltmeisterschaft teil. Es kam allerdings auch zu schweren Verletzungen, wie vor sieben Jahren ein Totalschaden im Knie nach einem Rückwärtssalto in Hungen: neun Monate sportlicher Stillstand nährten die andere wichtige Entwicklung: hin zum Strecken-Planer und -erbauer. Ernüchterung beim Restart des Profi-Bikens: "Das ging anderthalb Jahre lang gut, bis sich mein Knie zum zweiten Mal mit einem Kreuzbandriss verabschiedet hat." Er stellte das Profi-Fahren ein, Bauen und Planen hatten nun Vorrang.

Vom Traktor zum Bagger und Radlader

2014 entstand die Kooperation mit Kumpel Janis Vogt aus Hungen. Das dortige Projekt "Schanzenfeld", ein kommunal-öffentlicher Bikepark, war für beide ein Meilenstein. Schmidt profitierte vom Jobben bei einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb, wo er Bagger und Radlader kennen- und schätzen lernte. 2019 wurde das gepimpte Schanzenfeld dann sogar Host der Weltmeisterschaft. Erfolgreiche Projekte wie der Dirtpark Burgsolms oder Gießen-Weststadt markierten die Chance, das zu machen, was Schmidt und Vogt auch während der aktiven Zeit immer schon wollten: das Hobby zum Beruf erheben, in der Selbstständigkeit das Profi-Wissen und die Kontakte nutzen. Beide sind nach wie vor bei großen Rennen wie kürzlich beim Dirtmasters Winterberg in der sportlichen Leitung und Moderation. "So bleiben wir bestens vernetzt mit den Fahrern und den Marken."

Im Januar 2023 kam es zur Gründung der Schanzenwerk GmbH. "Weil Janis und ich sind seit 14 Jahren ein Kopf und ein A… sind, hat das bestens gepasst!". Inzwischen haben sie mehrere Mitarbeiter und sind breit aufgestellt: von kommunalen Projekten bis zu Strecken für den Profibedarf wie spektakuläre Videoprojekte oder dem Bau der WM-Strecke in Innsbruck gleich im ersten Jahr. "Unsere Firma ist gerade meine Berufung, viel mehr geht gar nicht!" Ins Firmenportfolio wurde auch eine Bike-Schule integriert, so dass sich der "Lehrer Luca" dort auch ganz spezifisch wiederfindet.

No Dig, No Ride!

Kritisch reflektiert sagt Schmidt, dass ihre Arbeit Fluch und Segen zugleich sei, denn viele Jugendliche vergessen das frühere Jugendmotto "No Dig, No Ride!", wenn eine Firma kommt und die Strecke baut. "Eine Anlage aus reiner Erde benötigt Instandhaltungsmaßnahmen – und hierfür braucht es das Gefühl von Verantwortung aller Nutzer vor Ort. Daher versuchen wir die Biker von der Planung über den Bau bis zur Erhaltung mit einzubeziehen. So entsteht das Gefühl von Zugehörigkeit und Verantwortung zum Projekt – Nachhaltigkeit eben", so Schmidt.

Mücke: persönliche Priorität 1!

Der Bikepark der Vogelsberger Ski- und Sportfreunde e.V. in Mücke hat für Luca wegen seiner ganz persönlichen Vogelsberger Identität 2024 die größte Priorität, auch wenn es wirtschaftlich nicht die Nummer 1 ist. Im Entstehen solcher Anlagen geht er auf: "Vor drei Tagen war hier in Nieder-Ohmen noch gar nichts, Stück für Stück wächst nun hinter dem Bauzaun vor den erwartungsfrohen Kids etwas ganz Tolles. Das macht einen stolz und glücklich! Es gibt auch Tage, an denen es mal schüttet oder brutal heiß ist. Aber ich habe mir mein Motto ganz bewusst als Tattoo auf die Haut stechen lassen: "No Bad Days", denn selbst ein schlechter Tag auf der Baustelle ist besser als jeder Tag woanders." Beim Blick auf das Tattoo fällt eine größere, frisch verheilte Wunde am Arm auf. "Das war bei einem Rückwärtssalto, ist nicht schlimm, das gehört dazu."

Luca Schmidt strahlt eine bemerkenswerte Souveränität und Begeisterung aus: "Wir Biker sind wie eine große Familie, auch wenn man gegeneinander fährt, fährt man eigentlich miteinander, es ist eine Super-Community." Auf die Frage, wie geil ist dein Job auf einer Skala von 0 bis 10 sei, muss er nur kurz überlegen. "Vierzehn!" (goa)+++

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