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Birgit Günther: Eine zertifizierte Schoko-Sommelière mit Leib und Seele

Birgit Günther – nicht nur ihre süßen Spezialitäten sind Vogelsberger Originale
Fotos: Gerd Ochs

23.10.2023 / ALSFELD - Falls es einmal den Slogan gibt "Alsfeld – die zarteste Versuchung, seit es Fachwerkstädte gibt" und dieser Slogan sollte mit süßem Inhalt verknüpft werden, dann wäre es garantiert ein Job für Birgit Günther. Die Konditoren- und Bäckermeisterin mit eigener Bäckerei und Café erwarb vor wenigen Jahren in einer aufwändigen Fortbildung einen sehr seltenen Titel: Sie ist geprüfte Schokoladen-Sommelière.


Zum Alsfelder Schokoladenmarkt am 29. Oktober kreiert sie wie in den vergangenen Jahren wieder eine neue Praline, die von ihr in einem Show-Act mit Bürgermeister Paule vorgestellt wird: diesmal ist es die "Vogelsberg-Praline". OSTHESSEN|NEWS durfte bei ihr hinter die Kulissen schauen.

Die 58-jährige Birgit Günther ist gebürtige Alsfelderin. In 1982 begann sie ihre Konditorlehre, an die sie noch die Bäckerlehre anschloss. In beiden Sparten erwarb sie auch alsbald den Meistertitel. Heute sitzt sie in beiden Innungen im Vorstand und Prüfungsausschuss, bei den Konditoren ist sie stellvertretende Obermeisterin auf Landesebene.

Das bekannte "Brunnencafé"

Birgits Mutter, eine Wilhelmshavenerin, lernte Birgits in Offenbach geborenen schwäbischen Vater in Bremen kennen, bevor sich die Eltern zur Selbständigkeit in Alsfeld niederließen: 1962 übernahmen sie hier das altehrwürdige "Brunnencafé". Vielen Alsfeldern zaubert allein dieses Wort auch heute noch ein Lächeln ins Gesicht. "Dort bin ich mit meinen drei Schwestern groß geworden, das war unsere Spielwiese, im Schwälmer Brunnen haben wir geplantscht. Es wird übrigens Zeit, dass die Baustelle wieder fertiggestellt wird!" Zu Aus- und Fortbildungen ging es zeitweise nach Düsseldorf und zur Meisterschule nach Köln, außerdem für einige Monate in ein Hotel in Bad Homburg und auf ein Schiff – aber Alsfeld blieb immer ihr Wohnort. In 1999 war es so weit – die Eltern zogen sich aus dem Geschäft zurück, Birgit übernahm das Café in der Obergasse.

Null-acht-fünfzehn ist nicht ihr Ding: Neues probieren, experimentieren, kreativ sein – so versteht sie ihr Metier und füllt es mit Lust und Leidenschaft. Gekrönt wurde diese Ader in 2019 mit einer Fortbildung zur geprüften Schokoladen-Sommelière. Sechs Monate Ausbildung beinhalteten neben der Praxis vor allem viel Theorie: welche Zutaten passen wie zusammen, Hintergründe zu den Anbaugebieten, wie sind die Arbeitsbedingungen für die Menschen vor Ort, Fair-Trade-Aspekte bis hin zu den Unterschieden zwischen Industrie- und Handwerksschokoladen. Sie zog es durch und führt den Titel Schokoladen-Sommelière als eine von nur rund 50 in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ein umfassendes Expertenwissen zu haben ist das eine – es als eine weitere Facette ihrer Leidenschaft mit anderen zu teilen, ist das andere: so werden regelmäßig unter dem Motto "Backstube Live" Seminare zu Themen wie Praline, Backen und der oberhessischen Spezialität Salzekuchen angeboten.

Wie es zur Schokoladen- und Pralinen-Leidenschaft kam

"Brot und Brötchen" sind, so erläutert Günther, durch die Discounter hart umkämpfte Areale, in denen für kleine Bäckerbetriebe wirtschaftlich praktisch keine Wertschöpfung mehr möglich ist – niedrige Mengen bei gleichen Kosten führen zu höheren Preisen, die der Verbraucher nicht zu zahlen bereit ist. Anders sei die Situation bei Schokolade und Pralinen: "Hier wird Qualität und Individualität noch wertgeschätzt: Dies wird zum Beispiel mit eigenen Logos, speziellen Designs und der Betonung von Regionalität deutlich."

Birgit Günther blickt inzwischen auf mehr als vier Jahrzehnte Pralinenkreationen zurück: Ihre erste Praline war 1990 das "Kopfsteinpflaster" zum ersten "Zunft- und Handwerkermarkt". So etwas wie der lokale Pralinen-Ur-Knall war die Kreation ihres Vaters 1980 nach einem Presse-Aprilscherz: Er erschuf kurzerhand das "Alsfelder Küsschen" – bis heute ist es nicht mehr wegzudenken. Bei Tochter Birgit fiel der Apfel nicht weit vom Stamm, sie blickt auf ein ansehnliches Portfolio süßer Alsfeld-Produkte, die in viel Handarbeit und mit hochwertigen Zutaten gefertigt werden. Selbstbewusst kann sie feststellen: "Die Vielzahl von ‚Alsfeld-Schokoladen und -Pralinen‘ macht in dieser Form sonst keiner – da habe ich ein Alleinstellungsmerkmal. Für die Alsfeld-Praline, die inzwischen auch prämiert wurde, habe ich letztes Jahr regionale Zutaten zusammengetragen: Der Birnenbrand stammt aus der Brennerei in Schlitz, die Äpfel sind aus dem Vogelsberg." Apropos Vogelsberg: zum diesjährigen Schokoladenmarkt am kommenden Sonntag, 29.10., wird es von ihr eine "Vogelsberg-Original-Praline" geben, die sie gerade fertigstellt. Noch schwankt die Sommelière zwischen einem Pflaumenbrand oder nussigen Zutaten aus der Region. "Morgen zur Füllung der jetzt zu gießenden Schokoladenhülle wird es entschieden!", legt sie sich während des Gespräches noch nicht fest. Man darf also auf den Sonntagnachmittag gespannt sein.

Nicht ohne Stolz trägt ihr Geschäft übrigens das Siegel "Vogelsberg Original" – ihre Produkte stehen unmittelbar für lokale Identität: als Alsfelderin und als Vogelsbergerin.

Selbständigkeit – nicht immer nur ein Zuckerschlecken…

"Ganz ehrlich: Mit dem Wissen um die bürokratischen Belastungen der Selbständigkeit würde ich das heute nicht nochmal machen! Mindestens ein Drittel der Arbeitszeit wird durch Verwaltung und Bürokratie gefressen, und damit ist nicht die Rechnungsstellung gemeint – die Dokumentationspflichten bei den Hygienevorschriften sind immer intensiver geworden, das macht einfach keinen Spaß mehr!" Wenn dieses Fazit von einer so erfolgreichen Geschäftsfrau kommt, macht das nachdenklich. Birgit Günther ist Arbeitgeberin von 15 Mitarbeitern in Voll- und Teilzeit oder als Mini-Jobbern. Eine Teilzeit-Verkäuferin würde sie gerne noch einstellen.

Günther ist auch jenseits des eigenen Betriebes rührig: beim Gewerbeverein "AlsAktiv e.V." ist sie Mitglied des Vorstands und kümmert sich dort mit Bastian Heiser insbesondere um Anliegen der Gastronomie, aber auch um generelle Fragen: Welche Weihnachts-Deko wird es in der Innenstadt geben, wie soll man mit den oft rücksichtslosen E-Scootern in der Fußgängerzone umgehen, alles rund um die erfolgreiche AlsGuthaben-Karte und so weiter. Seit 2011 ist sie verheiratet mit Jürgen Bellinger, dem Küster bei der Evangelischen Kirchengemeinde in Alsfeld. "Glaube war mir schon immer wichtig, das wurde so aber nochmal intensiver!", sagt Birgit. Den Reigen ihrer Interessen rundet eine Tätigkeit beim Turnverein Alsfeld ab: früher leitete sie mehr als 20 Jahre lang das Kinderturnen, nun begrüßt sie einmal pro Woche zur Gymnastik die Damenseniorinnen in der TVA-Halle. (goa) +++

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