Profis bei der Arbeit (149 )

Christoph Sandrock betreut als Gruppenleiter besondere Menschen

Wertschätzung gegenüber den zu Betreuenden hat oberste Priorität für Gruppenleiter Christoph Sandrock. Hier baut er mit Ann-Britt mit Duplo-Steinen.
Fotos: Gudrun Schmidl

12.11.2018 / BAD HERSFELD - Die Wertschätzung gegenüber den ihm zur Betreuung anvertrauten Menschen hat für Christoph Sandrock oberste Priorität. Der 31-Jährige ist Gruppenleiter der Tagesförderstätte für schwerst-mehrfach-beeinträchtigte Menschen unter dem Dach der Bad Hersfelder Werkstatt der Sozialen Förderstätten an der Erfurter Straße. Nach umfangreichen Um- und Sanierungsarbeiten gibt es in den hellen und freundlichen Räumen deutlich mehr Platz und verbesserte Möglichkeiten für die zu Betreuenden und das Personal. In diesem angenehmen Umfeld holt Christoph Sandrock seine Schützlinge im Alter zwischen 17 und 54 Jahren im „Ist-Stand“ ab. „Ich bin die Insel, bei mir dürfen sie sein wie sie sind“. Dafür wird er mit großer Dankbarkeit und Ehrlichkeit belohnt.

Es stehen insgesamt 18 Betreuungsplätze zur Verfügung, von denen aktuell 16 in Anspruch genommen werden. Christoph Sandrock wird in seiner anspruchsvollen Tätigkeit in seinem Team von fünf weiteren Fachkräften unterstützt, die von Montag bis Freitag in der Zeit zwischen 7.30 und 16.00 Uhr den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden, „die nicht krank sind, sondern besonders“. „Harmonie als roter Faden“ verbindet die sechs Betreuer, die eng zusammenarbeiten in dem Wissen: „Man darf sich selbst als Mensch nicht verlieren. Das ist ganz wichtig“.

Wenn Tränen fließen, ist Christoph Sandrock als „Seelentröster“ da. Er ist auch zur Stelle, wenn die Frauen und Männer gebadet werden, die Toilette besuchen oder Windeln gewechselt werden müssen. „Wir müssen die Menschen ganzheitlich sehen, das gehört dazu“, geht er ganz selbstverständlich mit diesen Notwendigkeiten um. In seinem Beruf gehört viel Körperlichkeit durch Berührungen dazu, aber trotzdem wahrt Sandrock die gebotene Distanz. „Mein Gesicht ist Privatsphäre“.


Christoph Sandrock ließ sich zunächst als Erzieher ausbilden. Während seines freiwilligen sozialen Jahres an der Bebraer August-Wilhelm-Mende-Förderschule, wo ihm eine 1:1 Betreuung übertragen wurde, wurde ihm klar, dass er beruflich mit behinderten Menschen arbeiten möchte. Um auch den notwendigen pflegerischen Teil seiner künftigen Arbeit abdecken zu können,  schloss er eine Ausbildung zum Altenpfleger mit Examen ab. Damit hat Christoph Sandrock gleich zwei Berufe von der Pike auf gelernt, die als Ausbildungsberufe wenig beliebt sind, bei Männern schon gar nicht. Das liegt auch an den Arbeitszeiten mit Wechselschichten und der schlechten Bezahlung“, spricht er die Probleme an. Für ihn selbst gilt: „Arbeit muss Spaß machen“, und versichert, dass man mit diesen fundierten Ausbildungen durch Fortbildungen und Weiterentwicklung sehr viel erreichen kann. Er selbst hat sich als zweifacher Vater gegen die Wechselschichten an seinem ersten Arbeitsplatz in den Wohnstätten II in Sorga entschieden, um Familie und Beruf besser zu koordinieren. Auch in seiner jetzigen Position sieht er noch viel persönliches Entwicklungspotential.

Weiterentwicklung der Gesamtpersönlichkeit der zu Betreuenden ist das Ziel seiner Arbeit. „Die Individualität fördern, ihnen Arbeit und Aufgaben übertragen, damit sie sich auch in der Gesellschaft wert geschätzt fühlen“, ist sein täglicher Anspruch. „Dabei dürfen sie nicht über–,  aber auf gar keinen Fall unterfordert werden. Das kann sehr frustrierend sein“, betont Sandrock. Durch Biografiearbeit und genaues Beobachten kann er ihre Charaktere, Schwächen, Stärken und Interessen erkennen und einordnen. Um das Ziel zu erreichen, arbeiten  die Mitarbeiter der Tagesförderstätte außerdem eng mit den Angehörigen und weiteren Betreuern in Wohnheimen zusammen.

Inhaltlich bietet die Tagesförderstätte den geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen Hilfen bei der Kommunikation und der Gruppenfähigkeit. Sie leitet zur Selbständigkeit im lebenspraktischen Bereich an und übt zur Erhaltung und Verbesserung die bereits erlernten Fähigkeiten wie selbständiges Essen. Wenn mittwochs und freitags in der vorhandenen Küche gemeinsam gekocht wird, gehört auch der vorherige Einkauf dazu. Nicht nur in den Einkaufsmarkt, sondern auch zu Arzt- oder Schwimmbadbesuchen, im Rahmen weiterer Freizeitaktivitäten oder kleinen Ausflügen werden die hilfsbedürftigen Menschen von den Mitarbeitern begleitet. Die täglichen acht Stunden in der Tagesförderstätte werden unter anderem zur Schulung von Motorik und Wahrnehmung mit praktischen Übungen genutzt. Hierzu gehört auch, dass in Kleingruppen einfache Arbeiten aus dem Arbeitsbereich der Werkstatt übernommen werden oder „Arbeit auch erfunden wird“. Es besteht die Möglichkeit, dass Einzelne unter Betreuung Praktika durchführen.

Mit seiner Weiterbildung „Kollegiale Erstbetreuung“ leistet er im Kollegenkreis im Grunde „Erste Hilfe“ bei Übergriffen durch die geistig und körperlich beeinträchtigten Menschen. Außerdem schult er alle Mitarbeiter der Sozialen Förderstätten in Theorie und Praxis rund um das erforderliche „Deseskalationstraining“. Weiterhin engagiert sich Christoph Sandrock im Betriebsrat. „Es gibt sehr stressige Tage“, gibt er zu. Ein guter Arbeitstag für ihn ist einer, an dem er mindestens fünf Minuten mit jedem zu Betreuenden allein verbringen kann. (Gudrun Schmidl) +++   

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