Profis bei der Arbeit (61)

Der letzte seiner Zunft? Schindelmacher Dietmar Heil macht auch Wettbretter und Holzrechen

Dietmar und Annette Heil in ihrer Werkstatt in Abtsroda. Sie sind die einzigen Schindelmacher in der Rhön
Fotos: privat

26.10.2017 / ABTSRODA - Auf die Herstellung und Montage eines ganz typischen Rhöner Produktes hat sich Dietmar Heil aus Abtsroda spezialisiert und ist damit einer der letzten seiner Zunft: Er ist Schindelmacher. Schindeln sind typisch für die Verkleidung von Häusern in der Rhön. Mit dem Naturprodukt aus Holz werden die Fassaden umweltfreundlich und ansehnlich vor Wind und Wetter geschützt. Die Häuser mit den Schindelfassaden gehörten in der Vergangenheit ganz selbstverständlich zum dörflichen Bild vieler Rhöner Orte. Doch in den späten 60er und 70er Jahren stand die Holzschindel vor dem Aus. Damals galt sie plötzlich als unmodern, stattdessen verwendeten viele Bauherren vermeintlich haltbarere Baustoffe wie Zement- oder Eternitplatten zum Schutz der Hausfassade - die Nachfrage nach Schindeln brach ein. Lediglich Ausbesserungsarbeiten am historischen Bestand alter Häuser standen noch an. Diese Entwicklung hat auch die Firma Heil in Abtsroda erlebt.



„Erst die staatlich geförderte Dorferneuerung seit Anfang der 80er Jahre brachte wieder eine Wende zum Guten“, erklärt Dietmar Heil, der seit 1983 im Betrieb tätig ist. Im Jahre 1989 übernahm er den Betrieb von seinem Schwiegervater Siegfried Brinkmann, der ihn wiederum von seinem Schwiegervater geerbt hatte. Seit hundert Jahren ist die Firma jetzt in Familienbesitz und sorgt dafür, dass die Häuser in den Rhöngemeinden ihr traditionelles Erscheinungsbild pflegen können. Staatliche Zuschüsse aus dem Dorferneuerungsprogramm sorgen dafür, dass rhöntypische Gebäude erhalten bleiben. Das Holzprodukt stand und steht auch heute noch bei vielen Kunden, die ihre Häuser sanieren, wieder hoch im Kurs.

„Inzwischen gibt es immer mehr Kunden, die auch ohne staatliche Subventionen Gefallen an der Holzverkleidung finden und damit Traditionsbewusstsein und Individualität demonstrieren wollen“, erzählt der 56-Jährige. In der Regel kommen die Aufträge nur aus der Region, aber auch im Rhein-Main-Gebiet ist die Firma aus Abtsroda mittlerweile bekannt. So sind Häuser in Frankfurt-Seckbach oder Kelkheim mit Schindeln verkleidet worden. Eines wurde im Freilichtmuseum Hessenpak Neu-Ansbach wieder aufgebaut. Es ist ein altes Rhöner Haus aus Sieblos mit Schindeln und Wettbrettern, erzählt er stolz. Ein Bild davon hängt in seinem Büro.

Die Schindelfassaden werden heute als vorgehängte Fassade montiert, so dass auch die Montage einer Wärmedämmung nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung möglich ist. Es gibt drei Schindeltypen: den Schwalbenschwanz, der typisch für die Rhön ist, den Biberschwanz, der im Vogelsberg oft verwendet wird und das Stutzeck, das man häufig in der bayrischen Rhön und im Schwarzwald sieht. Es werden auch öfters Sonderformen von Schindeln produziert, um denkmalgeschützte Fassaden wieder zu erneuern oder auszubessern.

Eine weitere Variante, auf die sich die Firma Heil in Abtsroda spezialisiert hat, sind Wettbretter, die ebenfalls eine typische Fassadenverkleidung in der Rhön darstellen. Auf diese Art und Weise wurden früher die Scheunen verkleidet. Für die Verkleidung von Wohnhäusern gibt es auch die Kombination aus Schindeln und Wettbrettern. Das jüngste Beispiel für eine Wettbrettfassade an einem Neubau ist das Zollmann-Haus auf Schloss Bieberstein, das erst kürzlich eingeweiht wurde. Ein weiteres Beispiel für eine Wettbrettfassade an einem modernen Gebäude ist am Segelflugzeugmuseum auf der Wasserkuppe zu sehen.

Für die Herstellung der Schindeln und Wettbretter wird Buchen- und Lärchenholz aus der Rhön verwendet. „Wir haben einige Sägewerke aus der Region, die uns beliefern.“ Neben der Schindelproduktion und der Fassadenverkleidung stellen die sieben Mitarbeiter in Abtsroda auch Holzrechen und Sensenstiele her. „Etwa ein Drittel des Umsatzes erzielt der Betrieb aus der Herstellung dieser Gartengeräte. Das war früher das Hauptgeschäft, als die Firma vor über 100 Jahren gegründet wurde. Der Landwirt Josef Hahl fertigte im Nebenerwerb die Rechen. Die Maschinen, die dabei zum Einsatz kamen, wurden angetrieben über eine Windmühle, die oberhalb des Dorfes stand. Heute gibt es die Windmühle nicht mehr. Aber die Rechen gehören noch zum Geschäft. Im Januar haben die Mitarbeiter mit der Produktion begonnen, denn in den ersten Monaten des Jahres werden weniger Schindeln nachgefragt. Etwa 40.000 Rechen und Sensenstiele stellt die Firma im Jahr her. Doch das Hauptgeschäft bleiben die typischen Rhöner Schindeln und die Fassadenverkleidung mit diesen Rhöner Produkten, die hoffentlich nie mehr aus der Mode kommen.(Carla Ihle-Becker)+++

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