Profis bei der Arbeit (42)

Standesbeamtin Andrea Braun - Ja-Sager willkommen

Andrea Braun ist Standesbeamtin aus Berufung
Foto: privat

15.08.2017 / BAD HERSFELD - Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare, Formulare – an der Standesbeamtin oder dem Standesbeamten kommt kein Bürger dieses Staates vorbei. Das kann Andrea Braun, die seit 2011 als Standesbeamtin für die Kreisstadt Bad Hersfeld tätig ist, nur bestätigen. „Was machen sie im Winter?“ wird sie dennoch in Anspielung auf wenige bis gar keine Trauungen in den dunklen Monaten angesprochen. „Das ist schon lange nicht mehr der Fall. Selbst der früher so beliebte Wonnemonat Mai ist gar nicht mehr so gefragt.



Das Hochzeitsdatum wird von den heiratswilligen Paaren ganz individuell gewählt“, ist die Erfahrung von Andrea Braun. In diesem Jahr war der Juli der Renner mit den Hochzeitsdaten 1.7.2017, 7.7.2017 und 17.7.2017. Diese aktuellen Wunschdaten wecken bei der erfahrenen Standesbeamtin Erinnerungen an Samstag, den 5.5.2015. Im Stundentakt wurden fünf Paare von ihr getraut und es hat den ganzen Tag Bindfäden geregnet. „Wenn man Pech hat, ist das leider so“, bedauert die 51-Jährige.

Die Durchführung der Trauungen sind für Andrea Braun sozusagen die Highlights, machen aber nur einen kleinen Teil von ihrem Job aus. Ihre Haupttätigkeit ist die Sachbearbeitung. In Zusammenarbeit mit den weiteren Fachkräften im Standesamt beurkundet sie zum Beispiel rund 1.000 Geburten jährlich, die zum allergrößten Teil vom Klinikum Bad Hersfeld an das „Geburtsstandesamt“ gemeldet werden und rund 900 Sterbefälle pro Jahr, die von den beauftragten Bestattern übermittelt werden. Die von ihr selbst vorgenommenen Trauungen hat sie nicht gezählt, weiß aber, dass sich etwa 150 Paare pro Jahr im Standesamt Bad Hersfeld das Ja-Wort geben. Davor müssen die Standesbeamten die Ehevoraussetzungen geprüft haben.

Andrea Braun hat ihre Beamtenlaufbahn bei der Stadt Bad Hersfeld im August 1984 begonnen, wurde während ihrer bisherigen Dienstzeit in der Stadtkasse, im Passamt, im Fundbüro und in dem Ressort Straßenverkehr/Feuerwehr eingesetzt. Ab 2001 arbeitete sie im Standesamt als „normale Beamtin“ und qualifizierte sich an der Akademie für Personenstandswesen mit Sitz in Bad Salzschlirf als Standesbeamtin. Ständige Weiterbildung ist wichtig, die gesetzlichen Entwicklungen und die Rechtsprechung muss sie im Blick behalten.

Bei jeder Trauung steht für sie allerdings das Brautpaar im Vordergrund. „Da muss ich mich ins Zeug legen“, beteuert Andrea Braun in dem Wissen, dass jedes Brautpaar anders ist, jedes seine eigene Geschichte mitbringt. Bei der Gestaltung der Trauzeremonie gibt es keine Vorlage und das kommt ihr entgegen. Andrea Braun ist es als Standesbeamtin wichtig, sich auf das jeweilige Paar einzustellen, die Traurede mit mehr oder weniger Hintergrundwissen immer persönlich, aber auch mit viel Fingerspitzengefühl vorzubereiten und mit der von ihr stilvoll ausgewählten Musik eine feierliche Atmosphäre zu schaffen.

„Es steht dem Paar natürlich frei, eigene Musikwünsche zu äußern“, versichert Andrea Braun, die allerdings schon so manchen Lieblingssong hörte, der so gar nicht zu der Zeremonie passte. Für Live-Musik während der standesamtlichen Trauung steht im Konzertraum des Kurhauses ein Flügel bereit. Hier wurde 2009 die neueste Trauörtlichkeit von Bad Hersfeld eingerichtet mit Blick in den zweitschönsten Park Deutschlands und optimalen Rahmenbedingungen. „Der Konzertsaal ist am beliebtesten“, erläutert Andrea Braun, weil sich hier nicht nur Ja-Sager aus Bad Hersfeld, sondern aus der ganzen Region wohlfühlen. In puncto Eheschließungen gewinnt das Standesamt sowieso immer mehr an Bedeutung, ist heutzutage viel mehr als eine reine Amtshandlung. Immer mehr Bräute kommen klassisch in Weiß, da mit der standesamtlichen Trauung vielfach das große Hochzeitsfest gefeiert wird, weil eine kirchliche Trauung nicht gewünscht ist. Klassisch ist auch die überwiegend gewählte Variante des Nachnamens des Mannes als Familiennamen.

„Auch viele junge Menschen, die ihre Heimatstadt verlassen haben, kehren zurück, um hier zu heiraten“, freut sich die Standesbeamtin, die aktuell viele Heiratswillige der Jahrgänge 1989/90 traut. Vor ihr stehen aber auch Paare, die schon zwei Scheidungen hinter sich haben, gerade am Jahresende viele Kurzentschlossene oder ganzjährig Brautpaare, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind und einen vereidigten Dolmetscher an ihrer Seite benötigen. „Diese kunterbunte Mischung“, ist ganz nach dem Geschmack von Andrea Braun, die gern mit Menschen umgeht, offen für Neues ist, sich auf die unterschiedlichsten Fallkonstellationen einstellen und Entscheidungsstärke beweisen muss. Standesbeamte sind als Urkundsbeamte in der Kommunalverwaltung unabhängig, sind keinen fachlichen Weisungen von Vorgesetzten unterworfen.

Beurkundet werden Vaterschaftsanerkennungen bzw. die gerichtliche Feststellung von Namenserklärungen für Kinder, Adoptionen im In- und Ausland, Namenserklärungen während der Ehe oder nach Auflösung der Ehe und Namenserklärungen nach Einbürgerungen. Als Standesbeamtin hat sie auch das letzte Wort bei der Namenswahl der Eltern für ihre Neugeborenen, sollte diese zu skurril sein. An Scheidung, die sie auch beurkundet, wird kein Brautpaar denken, wenn Andrea Braun ihnen das mit dem Hersfeld-Wappen verschönte Familienstammbuch aushändigt, in das sie auch noch einen passenden Spruch zu ihrer Traurede und ein von ihr unmittelbar nach dem Ja-Wort fotografiertes Erinnerungsfoto einfügt. Aber auch die Paare selbst können sie überraschen, zum Beispiel mit dem mitgebrachten Hund, der die Ringe in einem wurstähnlichen Gefäß transportierte und während der Zeremonie zwischen dem Brautpaar sitzen durfte.

Für Trauungen stehen außerdem das Trauzimmer des Standesamtes selbst und das Lutherzimmer im Schloss Eichhof zur Verfügung, das aber trotz Reformationsjubiläum und „Luther in aller Munde“ nicht häufiger ausgewählt wurde. Alle zwei Jahre kann in Bad Hersfeld in schwindelerregender Höhe geheiratet werden. Immer wenn das Riesenrad auf dem Lullusfest aufgebaut ist, wünschen sich schwindelfreie Paare diese exklusive Trauung. „Die Pflicht erledigen wir im Trauzimmer, das Ja-Wort geben sich die Paare in der schön dekorierten Gondel hoch über der Stadt“, begeistert sich Andrea Braun, die als Standesbeamtin mit in den siebten Himmel schwebt. Dazu hat sie 2018 wieder Gelegenheit.

Das sind die schönen Erlebnisse im Arbeitsalltag, der noch immer von den besonderen Herausforderungen aufgrund fehlender Pässe und Papiere im Rahmen der „Flüchtlingskrise“ geprägt ist. Die nächste Herausforderung ist die gesetzlich neu geregelte Umsetzung der „Ehe für Alle“. „Wie das im Detail in der Praxis aussieht, werden wir in den nächsten Wochen bzw. Monaten erfahren“, gibt sich Andrea Braun gelassen. (Gudrun Schmidl) +++















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