Profis bei der Arbeit (47)

Buchhändler-Ehepaar Berge - eine Geschichte, die das Leben schrieb

Ein gemütlicher Platz zum Schmökern mit Blick auf die Fulda
Fotos: Gudrun Schmidl

31.08.2017 / ROTENBURG - Das Leben schreibt oftmals die besten Geschichten. Zum Beispiel die von Stefan Berge, der über Umwege sein berufliches Ziel erreichte und als Buchhändler von Geschichten umgeben ist. Der gebürtige Rotenburger ist Inhaber der Buchgalerie Berge, die in seinem Heimatort im Steinweg zum Stöbern, Verweilen und zum Kaufen von Lesestoff und Artikeln aus dem erweiterten Sortiment einlädt. Vor vier Jahren hat er die von seinen Eltern Brigitte und Richard Berge im Jahr 1995 gegründete Buchgalerie übernommen, nachdem er vorab sechs Jahre im elterlichen Betrieb auf Augenhöhe mitgearbeitet hat.



Dabei war nach seinem bestandenen Fachabitur mit dem Schwerpunkt Bautechnik an den Beruflichen Schulen in Bebra nicht damit zu rechnen, dass der jetzt 36-Jährige seinen Lebensunterhalt später als Buchhändler verdient. „Im Gegenteil, ich wollte studieren und Architekt werden“, verrät Stefan Berge, der aber auch Gefallen am Handwerk fand und sich vorstellen konnte, als Schreiner zu arbeiten. Eingestiegen ist er in seinen jetzigen Beruf durch Praktika in der Buchgalerie seiner Eltern und in der alteingesessenen Buchhandlung Uptmoor und in der damaligen Filiale am Dom in Fulda, wo er sieben Jahre lang gelebt hat.

Nach den Praktika war sich Stefan Berge sicher, dass er „zum Buchhändler taugt“ und ließ sich als Einzelhandelskaufmann mit dem Zusatz Buchbranche in Fulda ausbilden. Zwei Jahre lang dauerte die aufgrund seines Schulabschlusses verkürzte Ausbildung, in denen er viele Bahnkilometer von Fulda zur Berufsschule in Kassel zurückgelegt hat, damals die einzige in Hessen für künftige Buchhändler.

Denise Berge, die in Wildflecken in der Rhön aufgewachsen ist, lernte ihren jetzigen Ehemann über gemeinsame Freunde kennen und lieben und ließ sich von ihm auch für eine Ausbildung als Buchhändlerin begeistern. Am ersten Berufsschultag in Kassel musste sie aber feststellen, dass es keine Buchhändlerklasse mehr gab. Die inzwischen 29-Jährige nutzte also die Möglichkeit, beim Mediacampus in Frankfurt am Main, einer staatlich anerkannten Ersatzberufsschule, zunächst zwei Jahre lang ihre praktische Ausbildung in der Buchgalerie Berge per Fernlehrgang mit dem Schwerpunkt Buch und Buchhandel zu begleiten. „Vor der Abschlussprüfung habe ich mein Wissen in einem drei Monate dauernden Blockunterricht vertieft und dabei auch auf dem Campus gelebt“, betont die junge Mama.

Die Eheleute Berge sind stolze Eltern der zwei Jahre alten Zwillinge Annelie und Sebastian, die beide von ihrem gemeinsamen Lieblingsbuch mit dem schlichten Titel „Das ist ein Buch“ (Lane Smith) immer wieder fasziniert sind, obwohl man damit weder twittern noch scrollen kann. Durch ihre Selbständigkeit können sie sich flexibel die Kinderbetreuung teilen, aber bei Bedarf auch auf die Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits als „Babysitter“ zurückgreifen. „Oma Brigitte“ und „Opa Richard“ sind zusätzlich gern bereit, die junge Generation in der Buchgalerie zu vertreten, wenn diese sich zum Beispiel auf kleinen und großen Buchmessen wie in Frankfurt am Main und Leipzig über Neuerscheinungen informiert oder einfach mal Familienzeit genießen will.

Wer Buchhändler oder Buchhändlerin als Beruf wählt, muss vor allem Spaß am Kundenkontakt, ein gutes Allgemeinwissen und Organisationstalent gepaart mit Ordnungsliebe haben. Die Leidenschaft fürs Lesen ist natürlich eine der Grundvoraussetzungen für den Beruf. Stefan Berge, der sich für Sachbücher über gesellschaftliche Themen begeistern kann, vertieft sich auch gern in Romane, in denen er sich schnell als einen Teil der Geschichte fühlt. Gerade hat ihn „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Yuval Noah Haran fasziniert. Als Reiselektüre empfiehlt der Rotenburger Buchhändler Reclam-Heftchen, die nicht nur handlich, sondern auch für die Bildung gut sind.

Denise Berge favorisiert als Lesestoff Fantasy, Jugendbücher und Krimis. „Young Sherlock Holmes“ von Andrew Lane findet sie überaus spannend. Das Jugendbuch „Zeitreise mit Hamster“ von Ross Welford, das es als Empfehlung in den Online-Shop der Buchgalerie Berge geschafft hat, gehört momentan zu ihren Lieblingsbüchern. Über genialokal.de sind für die Kunden die schnelle Bestellung und die zeitnahe Abholung in der Buchgalerie Berge ohne Versandkosten möglich. „Die Online-Seite läuft sehr gut“, freut sich der Inhaber, der damit dem Zeitgeist folgt. „Vor Jahren sind die Kunden besser informiert als ich in den Laden gekommen. Das hat viel Druck auf mich ausgeübt, denn einen Tag auf das bestellte Buch warten war für viele schon zu lange“. Inzwischen hat sich das Wettrennen mit den Online-Anbietern etwas normalisiert, zumal Bücher in Deutschland der Preisbindung unterliegen.

Die Kunden wissen mehr denn je die persönliche Beratung durch das junge, zugewandte Buchhändler-Team und die entspannte Atmosphäre in ihrem Ladengeschäft zu schätzen und setzen auch gern auf die Erfahrung der Buchhändlerin Evelin Wilke, die Dienstag und Mittwoch vor Ort ist. Donnerstags unterstützt Ursula Schmitt „aus eigenem Interesse am Buch“ die Eheleute Berge, die bestrebt sind, mit interessanten Lesungen, Büchertischen oder Messebesuchen in der Region auf ihre Buchgalerie aufmerksam zu machen. Zusätzlich locken sie Kunden in ihre Buchgalerie mit dem Verkauf von Tickets für regionale und überregionale Konzerte und Events. Exklusiv im Angebot führen sie „Kunst und Bild - Turnowsky Karten“ in großer Auswahl. Wer schon auf den Rotenburg-Wochenkalender 2018 mit 53 zauberhaften Fotos von Denise Berge wartet, sollte Mitte September vorbeikommen. (Gudrun Schmidl) +++
















Profis bei der Arbeit - weitere Artikel

↓↓ alle 149 Artikel anzeigen ↓↓

X