Festspiel-Profis bei der Arbeit (126)

Puppenspielerin Gloria Iberl-Thieme führt mit Peer eine handfeste Beziehung

Puppenspielerin Gloria Iberl-Thieme erweckt den jungen Peer zum Leben.
Fotos: Gudrun Schmidl

02.08.2018 / BAD HERSFELD - Der junge Peer Gynt, der eine Puppe ist und von der Puppenspielerin Gloria Iberl-Thieme mit gezielten Handgriffen zum Leben erweckt wird, löst beim Publikum durchaus zwiespältige Reaktionen aus. Während viele Festspielbesucher in Henrik Ibsens Schauspiel „Peer Gynt“ die Puppe, dabei ganz besonders das unbespielte Gesicht gruselig oder verstörend finden, löst Peer bei anderen Besuchern ganz andere Emotionen aus. Sie finden ihn einfach nur niedlich. Hier sind den Assoziationen keine Grenzen gesetzt. Ich kann beides sehen“, versichert Gloria Iberl-Thieme, die inzwischen eine ganz besondere Beziehung zu der Puppe Peer entwickelt hat. „Zusammengerechnet habe ich mehrere Wochen meine rechte Hand in seinen Kopf gesteckt. Das verbindet“, erzählt sie lachend. Außerdem schleppt sie den strammen Jungen über die Bühne, sein Gewicht kennt sie nicht, betont aber: „Er hat ordentlich was drauf. Peer ist die schwerste Puppe, mit der ich bisher gespielt habe“.  Gloria Iberl-Thieme hat allerdings auch nur zwei Hände und da Peer seine Arme und Beine bewegen muss, wird sie von dem Puppenspieler Nasir Formuli unterstützt.



Nach ihrem Schauspielstudium wirkte Gloria Iberl-Thieme in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen mit, hat in ihrem bisherigen Berufsleben als Schauspielerin aber deutlich mehr „Theater gemacht“. Zum Puppenspiel kam die Berlinerin durch Zufall. Für ein Festivalprojekt in China wurde eine fünfte Puppenspielerin gesucht, die ohne nötige Vorkenntnisse mit vier weiteren Personen eine riesengroße Puppe führen sollte. Ihr Engagement als „linker Arm“ war der Auslöser für ein Studium in der Abteilung Puppenspielkunst der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch" in Berlin. Im Theaterfundus befanden sich zu Übungszwecken auch Puppen aus der Werkstatt von Suse Wächter, eine der bekanntesten Puppenmacherinnen Europas, die auch den jungen Peer erschaffen hat. „Es ist das erste Mal, dass ich mit einer Puppe von ihr am Theater spiele“, erklärt Gloria Iberl-Thieme. 

Auf der Festspielbühne spielt sie zunächst verdeckt, was sie so bisher noch nicht praktiziert hat. „Heutzutage ist es üblich, unverdeckt zu spielen, der Zuschauer das doppelte Spiel sehen und erleben kann“. So wird es im Verlauf des Stückes auch in Bad Hersfeld übernommen, wobei die begnadete, energiegeladene Puppenspielerin mit deutlich erkennbarem Gesicht, dabei immer den jungen Peer führend, für emotional bewegende Höhepunkte sorgt. Das Kindswesen bekommt eine Geschichte, eine Seele.

Als Zuschauer sieht man diese Puppe und begreift: Es ist eine Puppe. Und man sieht Gloria Iberl-Thieme und weiß: Sie spielt diese Puppe. Der junge Peer spricht mit der Stimme der Puppenspielerin. Irgendwann verschmelzen beide oder doch nicht? So eine Puppe irritiert durchaus. Um das Leblose zum Leben zu erwecken, gehört viel Übung dazu. Zum Beispiel mit der Puppe vor dem Spiegel, um die wütenden, fröhlichen, verbissenen oder traurigen Gesichtszüge zu perfektionieren. Die Puppenspielerin lässt sich aber auch zusätzlich mit Handys fotografieren oder filmen, um abzugleichen, wie welcher Gesichtsausdruck, die einzelnen Bewegungen, Szenen und Abläufe wirken.

Wer das faszinierende Spiel von Gloria Iberl-Thieme erlebt, merkt schnell, dass sie sich auf die Puppe mit ganzer Seele und ihrer Körpersprache einlässt. Nur weil sie den dargestellten Charakter von Peer lebt, kann seine Intention dem Publikum vermittelt werden. Das Puppenspiel, das die Berlinerin früher stark mit Kindertheater in Verbindung gebracht hat, ist inzwischen ihr Haupttätigkeitsfeld. Die letzten Engagements beispielsweise in Magdeburg, Halle oder im Ballhaus Berlin hatten allesamt mit Puppen oder Masken zu tun, berichtet Gloria Iberl-Thieme und freut sich auf ihr baldiges Engagement an einem Gelsenkirchener Musiktheater.

Je nach Arbeitsweise, die sehr körperlich sein kann, muss sie sich als Puppenspielerin mit Ausgleichssport fit halten. Die herrlichen Wälder rund um die Festspielstadt bieten dazu viel Gelegenheit. Gloria Iberl-Thieme, die vom ersten Augenblick in der „völlig kahlen“ Stiftsruine die Spielstätte „toll“ fand und gemeinsam mit dem jungen Peer eine „Fußballarena“ bespielen darf, die mit jeder Vorstellung scheinbar kleiner wird, würde als Schauspielerin gern auf die Festspielbühne zurückkehren. (Gudrun Schmidl) +++    Tickets 06621-640200 - www.bad-hersfelder-festspiele.de

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