Profis bei der Arbeit (78)

Klavierbauer Dirk Heinle verleiht jedem Klavier den perfekten Klang

Klavierbauer Dirk Heinle verleiht Klavieren den perfekten Klang.
Fotos: Carina Jirsch

08.01.2018 / FULDA - Dirk Heinle sitzt am Flügel, schlägt eine Taste an, schraubt ein wenig und zieht die Saiten fest, schlägt die Taste noch einmal an, bis er den perfekten Ton gefunden hat. Heinle ist Klavierbauer und ein fester Teil seines Berufes ist das Stimmen von Klavieren – und das tut er ohne Stimmgerät. Einzig sein geschultes Gehör reicht, um dem Flügel vor ihm den perfekten Klang zu geben. „Dafür braucht man natürlich eine musikalische Veranlagung, aber man kann es auch lernen, es ist Teil der musiktheoretischen Ausbildung“, sagt Heinle.



Bereits im Alter von sieben Jahren lernte er das Akkordeonspielen und widmete sich später auch dem Klavier. Schnell stand für ihn fest, dass er seine Leidenschaft zu seinem Beruf machen wollte, ohne aber Musik studieren zu müssen. Sein Wunsch führte ihn schließlich in den handwerklichen Bereich. Dreieinhalb Jahre lang erlernte er in Ludwigsburg, in der einzigen Berufsschule für Klavierbau in Deutschland, das Handwerk. „Es ist schon ein sehr außergewöhnlicher Beruf“, sagt Heinle. „Jährlich sind es etwas 20 bis 30 Lehrlinge, doch nimmt die Zahl immer mehr ab.“

Heute ist er freiberuflicher Klavierbauer, werde vor allem durch Musik Mollenhauer, dem Fuldaer Fachgeschäft im Kohlhäuser Feld, an Kunden vermittelt. „In den letzten Jahren ist der Kauf von Klavieren zurückgegangen, während E-Pianos immer mehr boomen“, sagt Heinle. Genügend Arbeit gebe es dennoch. „Man muss nur aus dem 400-Einwohner-Dorf rauskommen“, sagt der Bad Brückenauer. „Oft fahre ich 70 bis 80 Kilometer zu den Kunden, wenn es sein muss auch bis nach Geisa oder Eisenach. Nur von den Fuldaer Kunden kann man nicht leben.“ Auch müsse er immer wieder an Wochenenden arbeiten,zum Beispiel für Konzerte, bei denen er Klaviere stimmt. „So durfte ich auch schon mal für Udo Jürgens oder das Dresdner Gewandhausorchester Klaviere stimmen.“ Mittlerweile gebe es in der Umgebung nur noch drei Klavierbauer, Heinle eingeschlossen. „Die anderen beiden sind aber schon in Rente, da bleibe praktisch nur noch ich übrig“, sagt er. Eine Nachfolge zu finden werde schwer.

Die meiste Tätigkeit noch vor der Reparatur sei das Stimmen. Wenn Heinle zu seinen Aufträgen fährt, hat er in einem kleinen Koffer immer eine Standardausrüstung dabei. Größeres Werkzeug und Material nehme er im Auto mit. Und ganz wichtig: „Ich habe immer Saiten dabei, in allen Größen und Stärken, denn es kann sein, dass kurz vor einem Konzert nochmal eine Saite reißt.“ Natürlich müsse auch immer wieder sowohl innerlich als auch außen am Klavier etwas repariert werden. Bei sehr alten Instrumenten lohne sich eine Reparatur preislich jedoch kaum mehr und ein Neukauf sei oft günstiger. Auch beim Befall durch den Holzwurm sei die Rettung schwierig und sehr arbeitsintensiv. „Der Holzwurm ist meist der Todesstoß für ein Klavier“, sagt Heinle. Doch nicht nur Holzwürmer finde man in Klavieren. „Hin und wieder verirrt sich auch eine Maus in den Kasten, die kriechen durch die Pedale hindurch.“

Zum Stimmen benutzt Heinle einen Gummikeil, den er zwischen zwei der drei Saiten, die mit einer Taste verbunden sind, steckt. So kann er jede einzelne Saite für sich hören, wenn er die Taste anschlägt, und sie so perfekt stimmen. „Je tiefer der Ton desto länger die Saite“, erklärt Heile. Die Länge der Saiten zeichne besonders den Unterschied zwischen Klavier und Flügel aus: Beim Klavier verlaufen die Saiten vertikal, beim Flügel horizontal. Durch die Länge des Flügels könne man so eine größere Tonbreite erreichen, vor allem auch tiefere Töne haben. „Man kann nicht meterhohe Klaviere bauen, um ein weites Tonspektrum zu erlangen. Flügel jedoch gehen in die Länge, das ist in dieser Hinsicht ein Vorteil.“

Für den Bau eines Klaviers sei auch die Art des Holzes wichtig. So sei der Resonanzboden fast immer aus Fichte, da diese die Schwingungen der Saiten besonders verstärkt. „Manchmal will der Kunde den Ton weicher oder härter haben“, erklärt Heinle. Dies könne man durch Stiche in den Filz an den Hammerköpfen erzeugen, die gegen die Saiten schlagen, und so beispielsweise für einen weicheren Klang Spannung wegnehmen. „Ein Klavier besteht aus etwa 7.000 Einzelteilen“, ergänzt der Geschäftsführer vom Musikhaus Mollenhauer Manfred Wiegand. „Dass ein Klavier so schwer ist, liegt unter anderem an der Gusseisenplatte, die durch die Saiten eine Zugkraft von bis zu 20 Tonnen hat. Da können Sie sich vorstellen, dass es eine echte Herausforderung ist, Klaviere zu transportieren, besonders in engen Treppenhäusern.“ Dazu versuche man eine Rampe zu bauen, um das Klavier möglichst weit die Treppenstufen hochzuziehen. „Wir hatten auch schon mal einen Fall, da wurde ein Flügel per Kran von der Dachterrasse eines Hauses gehoben, damit es zur Reparatur gebracht werden konnte.“

„Der Beruf des Klavierbauers ist sehr abwechslungsreich, wie Sie sehen“, sagt Heinle. „Es ist ein Beruf, den ich jederzeit wieder ergreifen würde. Meine Motivation ist es, klanglich und technisch das Beste aus den Instrumenten herauszuholen. Außerdem lernt man viele Menschen kennen, schließlich sitzt man in vielen Wohnzimmern und trinkt sehr viele gut, aber auch schlechte Kaffees“, sagt er scherzend. (Leyla Rommel) +++

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