Profis bei der Arbeit (81)

Ein himmlischer Genuss: Über das süße Geheimnis der „Nonnenseufzer“

Schwester Michaela (links) und Schwester Angela vor der Bäckerei Ballmaier am Severiberg in Fulda
Fotos: Erich Gutberlet (16), Matthias Witzel

18.01.2018 / FULDA - Sie sind klein, braun, süß - und ganz schön hart: die „Nonnenseufzer“ aus der Benediktinerinnen-Abtei in Fulda. „Wir geben unseren Kunden im Klosterladen deswegen auch immer den Tipp, nicht zu fest zuzubeißen, sondern sie eher im Munde zergehen zu lassen“, sagt Schwester Michaela, die Küchenchefin der Abtei, schmunzelnd. „Quasi als Gebrauchsanweisung. Wir haben zwar gute Kontakte zu den hiesigen Zahnärzten, aber leider keine Verträge mit ihnen.“



Wir treffen Schwester Michaela zusammen mit ihrer Mit-Schwester Angela in der Backstube von Dietrich Friesen am Severiberg, wo der Bäckermeister tags zuvor den Teig bereits vorbereitet hat, der nun in Form gebracht wird, bevor er für zwanzig Minuten in den Ofen wandert. Dass die Nonnenseufzer im Volksmund auch „Nonnen-Fürze“ genannt werden, ist bekannt. Kaum aber, dass sie ursprünglich „Graveneggchen“ (sprich: Grafen-Eckchen) genannt wurden. „Eine der Mitbegründerinnen unseres Ordens in Fulda hieß Scholastika von Gravenegg“, erklären die beiden Nonnen. „Sie starb 1667 mit nur 24 Jahren und vermachte der Abtei dieses alte Familienrezept, das streng geheim gehalten wird.“ Seither kennen immer nur zwei Schwestern die Rezeptur und vererben diese stets an die nachfolgende Generation weiter. Bäcker Friesen bildet eine Ausnahme. „Der hat aber das Schweigegelübde abgelegt“, mahnt Schwester Michaela augenzwinkernd an.

Wurde über die Jahrhunderte in der Abtei-eigenen Küche gebacken, so war 1987 der Ofen im wahrsten Sinne des Wortes aus: „Unser alter Holzofen ging kaputt, und irgendwie haben die Schwestern damals das alles nicht mehr stemmen können“, sagt Schwester Angela. Aber weil die Nachfrage in der Bevölkerung über die Jahre einfach nicht abriss, tat man sich im Jahr 2002 mit Bäckermeister Ottmar Ballmaier zusammen, der seine Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. „Als sich dieser 2013 zur Ruhe setzen wollte, habe ich ihn sieben Monate lang geradezu belagert, weil ich die Nachfolge antreten wollte“, erinnert sich Dietrich Friesen. Immerhin ist die Bäckerei am Severiberg schon 1548 gegründet worden und somit die älteste in Fulda überhaupt.

Auf der Homepage der Abtei werden als Zutaten Bienenhonig, Roggenmehl, Zimt, Anis, gezuckerte Apfelsinenschalen, gemahlene Nelken, Setzmehl und Bier genannt - was aber ist denn nun wirklich das süße Geheimnis der Nonnenseufzer? „Als der Ottmar Ballmaier mir damals das Rezept gezeigt hat, habe ich spontan gesagt: ,Das funktioniert nie im Leben‘“, sagt Dietrich Friesen und lacht. „Da hat er mich angesehen und gemeint: ,Genau das habe ich am Anfang auch gesagt‘.“ Neben durchweg hochwertigen Zutaten sei nämlich besonders eine äußerst unorthodoxe Art zu backen der Schlüssel zum Erfolg. Auf die Frage, ob denn die Nonnenseufzer sehr kalorienhaltig seien, weicht Dietrich elegant aus: "Sagen wir mal so: Es ist ein Gebäck, das glücklich macht."

„Wir haben im letzten Jahr im Klosterladen und über unseren Online-Shop etwa tausend Päckchen verkauft“, freut sich Schwester Angela, und Schwester Michaela ergänzt: „Die letzte Back-Aktion war im September, und wir haben gedacht, dass das bis weit nach Weihnachten reichen wird. Aber wir sind längst ausverkauft und die Wartelisten lang.“ Ab Montag könne der Klosterladen wieder liefern.

Woher aber kommt eigentlich der Name „Nonnenseufzer“? Da zeigt Schwester Michaela auf Bäcker Friesen, der gerade den dickflüssigen Teig mit einer Art Spachtel zerteilt und trotz mächtiger Oberarme dabei schwer zu schaffen hat: „Den Teig zu bearbeiten ist ganz schön anstrengend“, erklärt sie. „Da darf man als Nonne schon mal seufzen.“ (Matthias Witzel) +++

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