Profis bei der Arbeit (68)

Restaurator Jörg Büchner : "Wider den falschen Glanz"

Restaurator Jörg Büchner in seinem Atelier am Luckenberg 1
Fotos: Carina Jirsch

04.12.2017 / FULDA - Der von vielen Journalisten so oft bemühte Satz, den alle Restauratoren verfluchen, heißt: "Das Kunstwerk (wahlweise auch Möbelstück, Gemälde, Fresko oder die Skulptur) erstrahlt jetzt wieder in neuem Glanz!" Das zeugt von tiefer Unkenntnis dieser wichtigen Profession, denn anders als renovieren, bedeutet restaurieren eben gerade nicht, etwas Altes wieder neu zu machen. Dem staatlich geprüften Restaurator Jörg Büchner sind in den fast 20 Jahren seiner Tätigkeit beinah Fusseln am Mund gewachsen, so oft hat er Kunden und Auftraggebern diesen feinen Unterschied erklärt. Und deshalb kann jeder Passant schon an seiner Schaufensterscheibe am Luckenberg groß lesen "Wider den falschen Glanz". 


"Möbel und Skulpturen sind Zeugnisse aus vergangenen Zeiten. Die Jahrhunderte sind nicht spurlos an ihnen vorübergegangen, sondern haben ihnen zugesetzt. Deshalb ist die Aufgabe des Restaurators, den Bestand und die Substanz zu sichern und damit auch die Geschichte, die das Objekt erlebt hat, zu bewahren." Nach der Restaurierung hat das gute Stück eben keinen "neuen Glanz", stattdessen aber ein optisch geschlossenes Gesamtbild. Muss er denn viel Überzeugungsarbeit bei den Kunden leisten, die möchten, dass er "etwas aufhübscht?" Der gelernte Möbeltischler und studierte Restaurator hat da ein unschlagbares Argument parat: "Wenn ich zu bedenken gebe, dass ein historisches Möbelstück dadurch erheblich an Wert verlieren würde, hat das die meisten doch schnell umgestimmt!"

Am Sekretär, den er gerade in seinem gut ausgeleuchteten Atelier - und damit quasi auf dem Präsentierteller - bearbeitet, hat der Zahn der Zeit heftig genagt. Das Erbstück stand länger in einem unbewohnten Haus, das Mahagonifurnier hat gelitten, es fehlen Schubladen. Jörg Büchner zeigt an einer kleinen Stelle, wie wunderbar die alte Politur aussehen kann, wenn man sie fachmännisch reinigt: "Das ist eben der a l t e Glanz!" Außer handwerklichem Geschick und bester Material- und Stilkenntnis braucht es in seinem Metier oft auch ein fast kriminalistisches Gespür. "Die genaue historische Einordnung und Provenienz erfordern professionelle Voruntersuchung, Erfahrung und Recherche." Manchmal bergen die Möbel auch längst vergessene Dokumente ihrer Zeit: Notizzettel, alte Rechnungen oder Liebesbriefe in verborgenen Geheimfächern. Der Spiegel eines historischen Schranks war mit einer hinterlegten Zeitung stabilisiert worden - spannende Lektüre. 

Der Luckenberg ist eigentlich keine gute Lage für Laufkundschaft. "Als ich die Ladenwerkstatt 2009 übernahm, war hier gar nichts los, es hat seine Zeit gedauert, bis sich das rumgesprochen hat", sagt der 40-Jährige. Dass er heute so gut mit Aufträgen ausgelastet ist, dass er sogar eine Mitarbeiterin beschäftigt, hat sicher auch mit der großen Transparenz zu tun: ihm kann man ohne weiteres bei seiner Arbeit über die Schulter und auf die Finger schauen. Ob er eine museale Ladeneinrichtung mit 95 Schubladen, eine Sänfte aus dem Stadtschloss oder eine Heiligenfigur bearbeitet - die Passanten verweilen vor der Schaufensterscheibe und staunen über die häufig sehr kleinteilige und fummelige Arbeit. "Wichtig ist, dass alles reversibel, also zurücknehmbar ist", erklärt er einmal mehr den Unterschied zum bloßen Verschönern. Die Stücke, die Jörg Büchners Atelier schließlich verlassen, strahlen zweifellos, aber in ihrem echten Glanz mit geschichtsträchtiger Patina. Ihr Alter ist dank Büchners Handwerkskunst konserviert, wertvoll und ansehnlich, nicht "auf neu" getrimmt. (Carla Ihle-Becker)+++  






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