Profis bei der Arbeit (41)

Herkulesaufgabe: Stadtarchivarin Tanja Roth will Ordnung ins Chaos bringen

Dr. Tanja Roth leitet seit Anfang Juni die Geschicke des Bad Hersfelder Stadtarchivs.
Fotos: Stefanie Harth

11.08.2017 / BAD HERSFELD - Ordnung ins Chaos zu bringen: Vor dieser Herkulesaufgabe steht Dr. Tanja Roth. Vor Bad Hersfelds neuer hauptamtlichen Stadtarchivarin – seit mehr als 35 Jahren war die Stelle vakant – liegt ein langer Weg, gespickt voller Herausforderungen. Die klimatischen Bedingungen im „Louis-Demme-Stadtarchiv“, das im Keller der Stadtbibliothek untergebracht ist, erweisen sich für die historischen Schätze als suboptimal. Zudem gesellt sich zu den rund 750 laufenden Metern an geschichtsträchtigem Gut etwa das Drei- bis Vierfache an ungesichtetem Material, das über die Stadtverwaltung verstreut ein Schattendasein fristet.



Der geplante Umzug der städtischen Dienststellen ins ehemaligen Telekom-Gebäude kommt erschwerend hinzu. „Hier läuft gerade sehr viel parallel“, sagt die aus dem Rhein-Main-Gebiet stammende Historikerin, die im Fach Zeitgeschichte promoviert hat. Ein weiteres Mammutprojekt klopft bereits an Roths Tür: Schließlich soll der barocke Fachwerkbau „Am Markt 16“, in dem derzeit das Ordnungsamt seinen Sitz hat, in naher Zukunft in ein Archiv umgebaut werden. „Um exakte Angaben zur Magazingröße geben zu können, müssen Unmengen an Material bewertet werden“, erläutert die 36-jährige Geisteswissenschaftlerin.

Als „Dienstleisterin für Geschichtsforscher“ sieht sich die Historikerin, die als Quereinsteigerin im Archivwesen gelandet ist. Öffentlichkeitsarbeit. Digitalisierung. Das Berufsbild sei vielfältiger geworden, betont die 36-Jährige, die Archive als Demokratieträger begreift. „Wir Archivare bilden den Grundstock für die zukünftige Forschung“, unterstreicht Tanja Roth. „Das ist ein verantwortungsvolles Unterfangen, da niemand weiß, wofür sich Wissenschaftler in hundert Jahren interessieren werden.“ Vor diesem Hintergrund gelte es, eine gewisse Bandbreite abzudecken. „Alles was weg ist, ist unwiederbringlich weg.“

Die fortschreitende Digitalisierung erachtet Roth als zweischneidiges Schwert. Einmal abgespeichert und für immer vorhanden, sei reines Wunschdenken. „Niemand vermag zu sagen, wie lange Dokumente oder E-Mails auf den Datenträgern wirklich vorhanden bleiben“, gibt die Archivarin zu bedenken. „Zudem ist es fraglich, ob die Computer unserer Zukunft die Formate überhaupt lesen können.“ Auch wenn dies irgendwann einmal technisch möglich sei, würde eine reine Digitalisierung immense Risiken in sich bergen. „Es würden immer wichtige Informationen, wie Material- und Siegelbeschaffenheit oder die Zusammensetzung der Tinte, verloren gehen. Wertvolles Gut würde verfälscht werden“, meint sie.

Aktuell ist Tanja Roth damit beschäftigt, sich ein detailliertes Bild vom Bestand des Stadtarchivs zu machen. Auf „schöne Schätze“ sei sie bereits gestoßen. „Das geht querbeet: von stadtdokumentarischen Fotos und Filmmaterial vom letzten Hessentag in Bad Hersfeld in 1967 über ein Zunft- und Festspielarchiv bis hin zu Urkunden aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert und Fragmenten aus dem achten Jahrhundert.“

Bauen kann Roth auf die Vorarbeit und Unterstützung von Gerhard Kraft und Jürgen Wolff, die ehrenamtlich im Stadtarchiv arbeiten. „Ohne die beiden, hätte ich komplett von vorne anfangen müssen.“ Es ist eine spannende, aber auch mühselige und aufreibende Zeit, die vor Bad Hersfelds hauptamtlicher Archivarin liegt. „Es sind tolle Bestände da – und es ist sehr viel zu tun“, berichtet sie. Also: Packen wir es an… (Stefanie Harth) +++

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