Simon Zigah im Interview

"Mackie Messer" auf der Festspielbühne, Kämpfer für Demokratie im Leben

Simon Zigah singt und spielt den "Mackie Messer" in "Die Dreigroschenoper bei den 73. Bad Hersfelder Festspielen.
Fotos: Christopher Göbel

14.07.2024 / BAD HERSFELD - Während des OSTHESSEN|NEWS-Interviews kommen Wassermassen vom Himmel. Das tut der Stimmung keinen Abbruch, denn Simon Zigah, der den Mackie Messer in "Die Dreigroschenoper" bei den 73. Bad Hersfelder Festspielen verkörpert, ist ein Sonnenschein. Er strahlt übers ganze Gesicht beim Plaudern über Rollen und Ressentiments, aber auch über Sommertheater und das Schauspieler-Leben.



"Es ist etwas ganz Besonderes, nach 15 Jahren wieder nach Bad Hersfeld zurückzukommen", sagt der 41 Jahre alte Schauspieler aus Hamburg. "In den Jahren dazwischen ist viel in meinem Leben passiert. Und doch erinnere ich mich an vieles von damals und wurde hier sehr warmherzig empfangen. "Die Atmosphäre in Bad Hersfeld ist familiär. Ich kenne es aus anderen Städten nicht, dass ich auf der Straße angesprochen werde", erzählt der sympathische Schauspieler.

Überzeugungsarbeit gegen Rassismus

Dabei sind nicht nur gute Erinnerung mit den Jahren 2006 bis 2009 in Bad Hersfeld verbunden. Damals erhielt er für seine Verkörperung des "Polyphem" in Torsten Fischers "Odyssee" den Hersfeldpreis. Und in seinem Briefkasten lagen damals rassistische Pamphlete, teilweise sogar mit Morddrohungen. "Eigentlich werde ich jeden Tag mit Rassismus konfrontiert", sagte der in Hamburg geborene Schauspieler. Anfeindungen seien für ihn immer Antrieb gewesen, sich politisch und widerständisch zu engagieren. "Auch an Theatern sind Schwarze Menschen oder allgemein ausgegrenzte Menschen unterrepräsentiert", konstatiert er. Auch sei er für einige Rollen aufgrund seines Aussehens nicht besetzt worden - entweder, "weil es laut Regie nicht passte" oder weil es Bedenken gab, dass Szenen als "rassistisch" aufgefasst werden könnten, wenn er bestimmte Rollen spiele. "Das schafft in mir Trotz- und Widerstandsreaktionen. Aber ich bin jemand, der damit gut umgehen kann", sagt Simon. Man könne es schaffen, Menschen mitzunehmen. "Ich versuche, viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Doch oft beiße ich dabei auf Granit."

Dem allem zum Trotz liebt er seinen Beruf. Sein Interesse am Schauspiel entstand bereits als Kind durch seinen 16 Jahre älteren Bruder, der Opern-Fan war. "Ich war so etwa neun Jahre alt, als er mich zum ersten Mal in die Staatsoper Hamburg mitgenommen hat", erinnert sich der 41-Jährige. Auf dem Programm stand "Madame Butterfly" von Giacomo Puccini. "Die Titelrolle sang eine schwarze, füllige Frau", sagt Simon. "Das war ein Schlüsselerlebnis für mich. Und da dachte ich mir: Das will und kann ich auch machen." Die erste Berührung mit der Musik von Kurt Weill und dem Text von Bertolt Brecht und Elisabeth Hauptmann hatte er ebenfalls bereits als Kind: "Ich bekam eine Kassette mit der 'Dreigroschenoper'. Wir haben uns als Kindergruppe zusammengefunden und dann auf dem Marktplatz in Mümmelmannsberg - einem Brennpunkt-Stadtteil Hamburgs - die 'Dreigroschenoper' aufgeführt", erzählt er.

"Einfach wunderbar!"

Nach dem Schauspielstudium in Hamburg hat Simon Zigah schon auf vielen Bühnen gestanden, derzeit ist er fest am Theater Bremen engagiert. Michael Schachermaier, der Regisseur der "Dreigroschenoper" in Bad Hersfeld, hat ihn als Mackie Messer angefragt. "Und ich bin echt froh, dass das geklappt hat", sagt Simon lachend. Bei der Arbeit in Bad Hersfeld habe er "immer wieder neue Perspektiven des Stückes" kennengelernt. Über den Regisseur und das Ensemble kann er nur eines sagen: "Einfach wunderbar!" In Bezug auf Zwischenmenschlichkeit und den Umgang miteinander sei hier "ein ganz tolles Ensemble" zusammengekommen. "Gemeinsam haben wir ein Stück geschaffen, das auf der einen Seite hochpolitisch ist, aber trotzdem gute Unterhaltung mit Tiefgang und einen unterhaltsamen Theaterabend bietet", sagt der 41-Jährige.

Auch in der proben- und aufführungsfreien Zeit treffen sich die Ensemblemitglieder in der Stadt. "Wir gehen leidenschaftlich gerne essen", sagt er lachend. Eigentlich war auch eine Kajak-Tour geplant, die aber aufgrund des anhaltend schlechten Wetters sprichwörtlich ins Wasser fiel. Simon versucht, sich mit Ernährung und Sport fit für seine Rolle auf der Festspielbühne zu halten. Seine "Belohnung" ist der allabendliche Applaus: "Nach einer Aufführung spüre ich eine Mischung aus absoluter Erschöpfung und absolutem Wow-Gefühl", erzählt Simon. "Ich bin absolut dankbar, meinen Beruf in dieser Form ausleben zu können". Und dazu die Bühne der Stiftsruine: "Das ist in Bad Hersfeld einzigartig. Der Raum schwingt immer mit."

Wohin geht es nach der Zeit in Bad Hersfeld?

Neben dem Engagement bei den Bad Hersfelder Festspielen probt Simon Zigah für "Antigone" in Saarbrücken. Dort spielt er König Kreon. "Ich sehe da Parallelen zwischen den beiden Figuren. Beide kämpfen mit der Macht und der Veränderung der Moral - jeder auf seine Weise", sagt der Schauspieler. Das Stück in der Regie von Armin Petras hat im September Premiere am Saarländischen Staatstheater. Und danach? "Dann geht es zurück ans Theater in Bremen".

"Ich denke, dass Theater ein Ort ist, an dem Kultur und Demokratie einen festen Platz haben, an dem die Menschen aber auch einfach ein paar wundervolle Stunden erleben können", sagt Simon Zigah am Ende des Gespräches. (Christopher Göbel) +++

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