Festpiel-Kritik

Das kleine Gespenst spukt wieder durch die Ruine - diesmal sogar im Dunkeln

Sophia Euskirchen ist das kleine Gespenst bei den Bad Hersfelder Festspielen.
Fotos: Christopher Göbel

30.06.2024 / BAD HERSFELD - Bereits im vergangenen Jahr spielte sich das kleine Gespenst nach Otfried Preussler bei den Bad Hersfelder Festspielen in die Herzen der Zuschauer. Die inzwischen fast 60 Jahre alte Geschichte im neuen Gewand von Oliver Urbanski begeisterte auch das Premierenpublikum am Freitagabend in der Stiftsruine. Und diesmal durfte das kleine Gespenst sogar im Dunkeln herumspuken.



Oliver Urbanski, der Regie führte und die Songs des Familienstückes schrieb, hat seine Inszenierung in kleinen Punkten verändert, sodass das Stück in diesem Jahr noch ein bisschen lustiger und lebendiger erscheint. Sophia Euskirchen, die 2023 den Hersfeldpreis für ihre darstellerische Leistung erhalten hatte, ist der absolute Sympathieträger. Fast ununterbrochen ist sie auf der Bühne. Sie spielt, singt, tanzt, springt kopfüber in ihre Kiste und fliegt zum Finale sogar über die Bühne.

Humor, aber auch melancholische Momente

Urbanskis Inszenierung sprüht vor Lebendigkeit, die an Humor - auch manchmal Slapstick - nicht spart, aber auch einige melancholische Elemente beinhaltet. Beispielsweise, wenn das kleine Gespenst mit seinem Sonnenlicht-Spuken nicht mehr zufrieden ist und sich nach den Mondnächten zurücksehnt. Euskirchen stellt die emotionale Bandbreite absolut glaubwürdig dar und spielt sich so in die Herzen des Publikums "von 4 bis 400".

Das Geschwisterpaar Emma und Jonas verkörpern Julia Zupanc und Till Raskopf. Spielend, zankend, aber auch mutig vereint auf dem Weg zur Rettung des kleinen Gespensts agieren Zupanc und Raskopf mit glaubwürdiger Energie. Gleiches gilt für die drei Gestalten aus den Bildern (Harry Potter lässt grüßen), die ebenfalls zur Geisterstunde ihren Rahmen entfliehen und lebendig werden dürfen. Nele Neugebauer als Pfalzgräfin Genvoveva Elisabeth Barbara, Peter Englert als Burggraf Georg-Kasimir und Georgios Tsivaoglou als schwedischer Feldherr Torsten Torstenson erweisen sich als eingespieltes Trio, das neben Solo-Einsätzen auch den Backgroundgesang hervorragend meistert.

Neugebauer wirbelt zudem als hektische Oberlehrerin Thalmeyer und tanzende Zimmerpflanze über die Bühne, Tsivanoglou als weiser Uhu Schuhu und Toupet-verlierender Bürgermeister und Englert als trotteliger Kriminaloberwachtmeister Holzinger. Alle drei verkörpern noch weitere Rollen in "Das kleine Gespenst".

Statisterie bringt viel Leben auf der Bühne

Leben bringen auch die Kinder der Theater-AG der Konrad-Duden-Schule in die Geschichte. Als tanzende Krähen oder Schulklasse, die vom kleinen Gespenst erschreckt wird, agieren die Mädchen und Jungen wie die Profis. Auch die Statisten, die die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Eulenberg darstellen, bereichern beispielsweise die Marktszene und das große "Festspiel" zum 325. Jahrestag der Errettung vor dem schwedischen Eindringling Torstenson. Auch die Feuerwehr-Szene sorgt für viele Lacher.

Die Band um Oliver Urbanski, der neben Klavier auch Saxophon und Akkordeon spielt sowie der Säge gruselige Töne entlockt, ist ein wunderbarer Begleiter, der die von Urbanski komponierten Songs hervorragend umsetzt. Sebastian Merk, Oliver Potratz, Dima Bondarev, Friedrich Milz und Jason Liebert spielen Rock, Pop-Balladen oder Tango - oder auch mal einen Marsch beim Spaziergang über die Bühne.

Das Gespenst lässt die Sorgen vergessen

"Das kleine Gespenst" weiß auch im zweiten Jahr zu begeistern und in den Abend-Aufführungen (es gibt auch einige an Vor- und Nachmittagen) trägt die Beleuchtung (Andreas Fuchs) zur Stimmung bei. Das Bühnenbild (Jens Kilian), die Kostüme (Zoe Agathos) und die liebevollen gestalteten Requisiten (Doris Engel) bilden ein stimmiges Bild, das die Zuschauer für eineinhalb unterhaltsame Stunden in die Welt Preusslers und Urbanskis mitnimmt - und Sorgen vergessen lässt. Das Publikum dankt mit langem, begeistertem Applaus am Premierenabend. Und Bürgermeisterin Anke Hofmann (parteilos) verriet bei der Premierenfeier, dass "Das kleine Gespenst" im vergangenen Jahr bereits ihr "heimliches Lieblingsstück" gewesen sei - und sie es sich in diesem jahr bestimmt noch einmal ansehen werde.

Die 73. Bad Hersfelder Festspiele dauern bis zum 18. August. Auf dem Spielplan stehen "Die Dreigroschenoper" das Musical "A Chorus Line", "Wie im Himmel", "Das kleine Gespenst" und im Schloss Eichhof die Komödie "Der Vorname". Den kompletten Spielplan sowie die Möglichkeit, Tickets zu erwerben, gibt es hier. "Das kleine Gespenst" wird noch bis zum 20. Juli gespielt. (Christopher Göbel) +++

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