Festspiel-Matinee

Große Lust auf großes Theater: Viel Musik und ein schwangerer Intendant

Das Ensemble von "A Chorus Line" präsentierte in der HZ-Festspiel-Matinee schon einige Szenen aus der diesjährigen Musical-Produktion der 73. Bad Hersfelder Festspiele.
Fotos: Christopher Göbel

10.06.2024 / BAD HERSFELD - Der Bad Hersfelder Festspiel-Intendant Joern Hinkel ist schwanger. Bäm! Nein, nicht, wie man vielleicht auf den ersten Blick denken könnte, sondern natürlich mit seinem Festspiel-Stück "Wie im Himmel". Er verglich die Entstehung eines Theaterstückes mit einer Schwangerschaft, bei der das Baby mit der Premiere das Licht der Welt erblicke und dann das Laufen allein lernen müsse. Das sagte der sympathische Festspielchef am Sonntag in der Matinee der Hersfelder Zeitung, die alljährlich vor Beginn der Spielzeit Einblicke in die aktuellen Produktionen erlaubt.



Die Stiftsruine war am Sonntagvormittag sehr gut gefüllt, was das große Interesse der Menschen an "ihren" Festspielen zeigt. Moderiert von Kristina Langbein-Marth und Nadine Meier-Maaz war es diesmal eine Neuerung, denn bisher hatten HZ-Chef Markus Pfromm und Redaktionsleiter Kai A. Struthoff durch die Matinee geführt. "Sie haben den Staffelstab übergeben und schauen sich das Ganze jetzt von der anderen Seite an", so Langbein-Marth, nachdem das Ensemble von "A Chorus Line" mit "Montage, Part 4" die Bühne mit Tanz und Gesang erfüllt hatte.

"Ein fantastisches Gefühl"

"Es ist ein fantastisches Gefühl, wenn es wieder losgeht. Die Proben laufen spitzenmäßig, und es ist mir jedes Mal eine große Freude, dabei zuzuschauen", sagte Joern Hinkel zu Beginn. "Alle, die hier sind, wollen unbedingt Theater machen. Ich kann mich auf alle Beteiligten auf und hinter der Bühne verlassen." Besonders freue er sich auf "Wie im Himmel", das er selbst inszeniert. Hinkel hatte auch das Rahmenprogramm mit "Der Vorname" im Schloss Eichhof, "Festspiele on Tour" sowie die beiden Konzerte von Alexa Feser und "ClockClock" erwähnt. Mehr sei aus finanziellen Gründen in diesem Jahr nicht möglich. "Wir konzentrieren uns auf das, was uns ausmacht: Die Festspiele in der Stiftsruine." 

Hersfeldpreisträger Simon Zigah, der die Festspiele als Ensemblemitglied aus den Jahren 2006 bis 2009 bereits kennt, kommt in diesem Jahr als Mackie Messer in der "Dreigroschenoper" zurück. Dass er auch singen kann, bewies Zigah in der Matinee mit der "Ballade vom angenehmen Leben". Auch Regisseur Michael Schachermaier kennt die Stiftsruine bereits aus seiner Zeit als Regieassistent in der Intendanz von Elke Hesse. "Es ist ein Gefühl des Zurückkommens, nach Bad Hersfeld und zu meinen künstlerischen Wurzeln", sagte Schachermaier. Der Raum der Ruine fordere heraus, man müsse "groß denken". "Diese Bühne ist für alle ein Erlebnis."

Auf die Frage, dass die "Dreigroschenoper" ein sehr bekanntes Werk sei und worauf sich das Bad Hersfelder Publikum freuen könne, antwortete Gioia Osthoff, die Polly Peachum spielt: "Wir finden unsere ganz eigene Dreigroschenoper und freuen uns darauf." Sie hat sogar ihre Hochzeit wegen ihres Engagements bei den Bad Hersfelder Festspielen verschoben. Simon Zigah erzählte, dass er mit elf Jahren eine Musikkassette des Stückes bekam. "Wir haben dann als Kinder in unserem Hamburger Viertel in einer Fußgängerzone die Dreigroschenoper gespielt. "Da ging die Liebe los", so Zigah. Mit dem "Barbara-Song" stellte Osthoff sich dem Publikum vor.

Ein Gespenst im Dunkeln

Musikalisch ging es dann auch gleich weiter, als Sophia Euskirchen als "Das kleine Gespenst" die Bühne enterte. Musikalisch begleitet von Regisseur und Komponist Oliver Urbanski sowie den Musikern Sebastian Merk und Friedrich Milz sang sie zwei Lieder aus dem Familienstück, das in diesem Jahr als einzige Wiederaufnahme auf dem Programm steht. Es wird - im Gegensatz zum vergangenen Jahr - auch Abendvorstellungen geben. "Das macht das Zurückkommen umso schöner", so Euskirchen. "Die Ruine ist perfekt als Burg Euleinstein", sagte Urbanski. Durch Vorstellungen am Abend könne man viel mehr mit Licht arbeiten. "Wir haben eine neue Darstellerin der Emma, neue Musiker dabei und weitere kleine Neuerungen", verriet der Regisseur. Die Proben für "Das kleine Gespenst" beginnen am Montag (10. Juni).

Wie bereits erwähnt, steht auch die Film-Adaption von "Wie im Himmel" auf dem Spielplan der 73. Bad Hersfelder Festspiele. "Durch eine Spende der Ippen-Stiftung von 10.000 Euro ist es möglich, den Chor auf 40 Personen zu vergrößern", sagte HZ-Geschäftsführer Markus Pfromm im Gespräch mit den Moderatorinnen. Als Anekdote erwähnte er, dass Dr. Dirk Ippen, der Verleger der Hersfelder Zeitung, sich vor zwei Jahren das Musical "Goethe!" in Bad Hersfeld anschauen wollte. "Just an diesem Abend musste die Aufführung allerdings abgesagt werden", so Pfromm. Der Hauptdarsteller war erkrankt. Laut Hinkel war das die einzige Vorstellung, die er jemals habe absagen müssen. Der Verleger sei dann mit einem kleinen Festspiel-Team durch die Stiftsruine geführt worden, was ihm - so Pfromm mit einem Schmunzeln - besser gefallen habe, als ein Musical-Abend.

Großer Chor in "Wie im Himmel"

Helena Charlotte Sigal, die Lena in "Wie im Himmel" und ehemalige Gewinnerin des TV-Formats "Wer stiehlt mir die Show", kennt Bad Hersfeld ebenfalls bereits. Sie spielte im Schloss Eichhof in "A long way down" im Jahr 2019 mit. In der Matinee sang sie "How can I find the words" aus der Feder von Jörg Gollasch, der die komplette Musik für die Bad Hersfelder Inszenierung geschrieben hat. Im Anschluss war der Chor unter der Leitung von Helgo Hahn mit "O love devine" dran. Hinkel stellte eine Probenszene mit Sigal und den aus Bad Hersfelder Chören bestehenden Sängerinnen und Sängern nach.

"A Chorus Line" wird laut Hinkel eine komplette Neu-Inszenierung des Broadway-Musicals aus dem Jahr 1975. Regisseurin und Choreografin Melissa King sagte: "Die Thematik des Stückes ist auch heute noch aktuell". Ihre Interpretation wird auch in der Gegenwart spielen, die Songs werden auf Deutsch gesungen. "Ich möchte auch Zachs Menschlichkeit zeigen", so King. Sie freue sich auf das internationale Musical-Team und rief dem Publikum zu: "Sehen Sie sich das Stück an!"

Mit einer Szene und dem Lied "Was mein Herz mir sagt" mit Arne Stephan als Zach und dem Ensemble ging die kurzweilige Matinee zu Ende. Nicht, ohne Lust auf das große Theater in der Stiftsruine zu machen, das am 21. Juni beginnt. (Christopher Göbel) +++

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