Teil 20 der OSTHESSEN|NEWS-Serie

"Gastrosterben? Nicht bei uns!" - "Zur Linde" Bimbach: Lustig, satt und besoffen!

Der große Wunsch von Alexander Günther: "Ich hoffe, dass meine beiden Töchter unsere Linde später einmal übernehmen."
Fotos: Martin Engel

27.10.2025 / GROßENLÜDER - Es gibt lange Arbeitstage, an deren Abend man sich danach sehnt, sich in seiner Lieblingsgastronomie ganz gemütlich etwas Leckeres zwischen die Kiemen zu schieben - sei es ein schönes Schnitzel oder einfach nur ein saisonaler Salat - aber schmecken muss es. Doch: immer mehr gastronomische Existenzen liegen in Trümmern.


Personalmangel, Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer oder die Energiekrise samt Inflation. Das "Gastrosterben" ist real. 2023 hat jede zehnte (!) Gastronomie in Deutschland dicht gemacht. Es gibt allerdings auch Hoffnung, denn nicht jede Gastro ist im Abwärtstrend. OSTHESSEN|NEWS präsentiert Beispiele aus unserer Region. Heute: "Zur Linde" in Großenlüder-Bimbach (Landkreis Fulda).

Tradition unter der alten Linde

Im Schatten des mehr als 365 Jahre alten Lindenbaums liegt der große Biergarten des Landgasthofs "Zur Linde" - ein Ort, der den Charme vergangener Zeiten atmet und zugleich lebendige Dorfgemeinschaft verkörpert. Aber die Linde ist nicht irgendein Wirtshaus. Seit 1927 werden hier Speisen und Getränke serviert - in einem denkmalgeschützten Gebäude von 1780. Lange Zeit war die Immobilie Eigentum der Gemeinde, die sie 1994 übernahm. Doch das Verpachten erwies sich als schwierig, erzählt Lindenchef Alexander Günther. Daher wurde entschieden, das Gasthaus zu verkaufen.

Ex-FKG Prinz, Bauunternehmer und plötzlich Gastwirt

Kurz vor der Corona-Pandemie fiel dann die Entscheidung: Die Linde wurde versteigert - und der Zuschlag ging an den ehemaligen FKG-Prinzen. Aber wie wurde aus einem Bauunternehmer plötzlich ein Wirt? Günther schmunzelt, als er sich erinnert: "Als wir schon lange vorher im Urlaub zusammensaßen, haben wir gesagt: Eigentlich müssten wir mal ’ne Wirtschaft machen. Die Linde dann zu ersteigern, war ursprünglich gar nicht der Plan. Trotzdem haben wir gesagt: Komm, lass es uns kaufen."

Das Lokal musste zunächst umfassend saniert werden. Dann wurde die Linde vom Sommer 2021 bis Oktober verpachtet. Im Januar 2022 war für die Pächter jedoch schon wieder Schluss: "Es hat einfach nicht funktioniert", erinnert sich Günther. Also stand er erneut vor einer Entscheidung. "Was machen wir jetzt, wenn die Pächter raus sind - holen wir uns wieder neue?" Doch Alexander Günther wäre nicht Alexander Günther, wenn er die Dinge nicht selbst in die Hand nehmen würde. "Wir hatten durch das Frühstück für unser Hotel ja schon ein bisschen Gastronomie-Luft geschnuppert", erzählt er. "Und 2021 haben wir beim Weinfest in Fulda mehr als 300 Gäste bewirtet - nur mit der Familie! Das hat so gut geklappt, dass wir überzeugt waren, auch eine richtige Gastro zu schaffen. Ganz nach dem Motto: ‚Das bisschen geht auch allein.‘" Sogar die Bild berichtete über den gewagten Plan der beiden Günther-Brüder während Corona. Beide besitzen jeweils 50 Prozent der Linde.

"Kannst Gastronomie nicht leben, wenn du sie vom Privatleben trennen willst"

"Wir haben viel Leidenschaft hineingelegt und das wurde irgendwann immer mehr und mehr." Alexander Günther war dann so schnell stark eingebunden, dass sich sein Bruder Markus im Gegenzug intensiver um ihr Bauunternehmen Günther-Bau kümmerte. "Das klappte alles super. Wir hatten zudem gute Startbedingungen durch meinen Bekanntheitsgrad und mittlerweile haben wir uns einen guten Ruf aufgebaut."

Das hat sich längst herumgesprochen. Während im Gastraum rund 110 Gäste Platz bewirtet werden, platzt der Biergarten mit seinen 180 Plätzen im Sommer oft aus allen Nähten. Aber der Erfolg ist nicht allein das Werk von einem Mann - hier zieht die ganze Familie an einem Strang. "Du kannst Gastronomie nicht leben, wenn du sie vom Privatleben trennen willst", sagt der 50-Jährige. "Die ganze Familie hilft, wo sie nur kann. Selbst an Weihnachten arbeiten wir gemeinsam - als Familie, als Linden-Familie. Und die Gäste kommen gern hierher, genau wegen dieses Gefühls."

Das Linden-Erlebnis mit Familie Günther

Während sich seine Frau Ramona um den Hotelbetrieb mit 13 Zimmern und 24 Betten kümmert, stehen auch die beiden Töchter voll im Geschehen: Anna-Lena leitet den Service, Franziska verantwortet Social Media und Service. Unterstützt wird die Familie Günther von einem festen Team aus elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - mit den Aushilfen sind es rund 36 Personen. Für Tochter Anna-Lena ist die Gastronomie längst mehr als nur ein Arbeitsplatz - sie ist ein Zuhause. "Die Summe der Momente, die wir hier zusammen erlebt haben, macht es so besonders", sagt sie. Besonders zu spüren ist das an Silvester: "Die Gäste wollen hier nicht nur essen, sondern auch mit uns ins neue Jahr feiern. Ich persönlich kann mir gar nicht mehr vorstellen, Silvester woanders zu verbringen - denn hier ist die ganze Familie dabei. Das ist jedes Mal ein richtiges Erlebnis."

Zum echten Linden-Erlebnis gehört allerdings noch weit mehr als die rund 340 Quadratmeter Gastronomiefläche. Zwei Kegelbahnen, eine Dartscheibe, eine Theke, Außer-Haus Catering-Angebote, eine Feldküche für bis zu 500 Personen, ein großer Foodtruck und mobile Pizzaöfen runden das vielseitige Konzept ab. Ob Geburtstage, Weihnachtsfeiern, Firmen-Events, der bayrische Fingerfoodabend, die Kirmes oder ein Public Viewing - in der Linde wird aus jeder Veranstaltung ein echtes Erlebnis. Und natürlich kommt auch hier das Wichtigste nicht zu kurz: feinstes Essen und eine große Portion Herzlichkeit.

Vom Sauerbraten bis zum Dry Aged Kotelett - ehrliche Küche mit Geschmack

In der Küche führt Daniela Bleuel das Regiment - mit Leib, Seele und viel Leidenschaft. "Wir haben hier eine gutbürgerliche, typisch deutsche Küche", erklärt die Küchenchefin. Es gibt Rouladen, Sauerbraten oder den Dauerbrenner Schnitzel in sämtlichen Variationen. Zur Biergartenzeit darf es dann auch mal etwas leichter und kreativer sein. "Wir testen uns im Pizza-Geschäft mit besonderen Kreationen aus - das kommt bei unseren Gästen super an", erzählt Bleuel mit einem Lächeln.

Neben Klassikern wie Flammkuchen, Rumpsteak, Klößen oder einer mediterranen Gemüsepfanne finden sich auf der rund 30 Gerichte umfassenden Karte auch echte Besonderheiten - etwa das Dry Aged Kotelett, das der Chef persönlich empfiehlt: "Das kriegt man nicht überall." Doch Stillstand gibt es auch in der Küche nicht. "Unsere Speisekarte ist abwechslungsreich", erklärt die Küchenchefin. "Wir passen sie immer saisonal an. Wenn wir im Frühjahr Bärlauch und Spargel Saison haben, stehen jetzt im Herbst Pfifferlinge und Kürbis auf der Karte - und im Winter natürlich wieder der Gänsebraten." Ihr Ziel ist klar: gutes Essen für alle. "Unsere Karte ist für jedermann gedacht - natürlich auch für Vegetarier und Veganer."

"Warm, familiär und lustig", so beschreibt der Lindenchef die Atmosphäre. "Wir haben ein klasse Team und sind Gastgeber mit Leidenschaft. Für uns ist wichtig, dass jeder friedlich und glücklich nach Hause geht und gern wiederkommt. Wenn es jemandem nicht geschmeckt hat, dann kann ich nicht schlafen." Alexander Günther ist ein echter Tausendsassa, immer in Bewegung, immer mit einem Lächeln auf den Lippen. "Wir versuchen, an uns selbst zu arbeiten und mit der Zeit zu gehen", betont er. Zum Abschluss verrät Günther noch seinen ganz persönlichen Traum: "Ich hoffe, dass meine beiden Töchter unsere Linde später einmal übernehmen."

Wie Tochter Franziska treffend zusammenfasst: "Das Linden-Feeling kann man nur live erleben. Lustig, satt und besoffen." Wer einmal hier war, weiß: Man muss die Linde erlebt haben. Ein kurzer Blick auf Instagram verrät schon einiges - dort sieht man lachende Gesichter, deftiges Essen und den einen oder anderen Schnappschuss vom letzten Feierabendbier. Doch das echte Gefühl bekommt man erst vor Ort. Hier wird noch ehrlich gekocht, so wie bei Oma daheim. Die Gastfreundschaft spürt man sofort, sobald man die gute Stube betritt. Und dann kommt sie - die ganz persönliche "Kundenbetreuung" vom Chef. Immer herzlich, manchmal laut, selten ohne Bier. Klar, manchmal ist’s ein bisschen chaotisch und zu hundert Prozent verrückt. Aber mal ehrlich: Genau das macht den Charme der Linde aus. Das Gefühl, Teil der Linden-Familie zu sein, ist einfach einmalig. (Mathias Schmidt) +++

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