Teil 17 der OSTHESSEN|NEWS Serie

"Gastrosterben? Nicht bei uns!" – japanische Gastlichkeit bei Tomasu-san

Ja, das scheint zu munden. Heute bei unserer Gastro-Serie: die Ramen-Bar "Tomasu-san" in der Löherstraße in Fulda.
Fotos: Melanie B. Weber/ Mathias Schmidt

23.06.2025 / FULDA - Es gibt lange Arbeitstage, an deren Abend man sich danach sehnt, sich in seiner Lieblingsgastronomie ganz gemütlich etwas Leckeres zwischen die Kiemen zu schieben - sei es ein schönes Schnitzel oder einfach nur ein saisonaler Salat - aber schmecken muss es. Doch: immer mehr gastronomische Existenzen liegen in Trümmern.



Personalmangel, Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer oder die Energiekrise samt Inflation. Das "Gastrosterben" ist real. 2023 hat jede zehnte (!) Gastronomie in Deutschland dicht gemacht. Es gibt allerdings auch Hoffnung, denn nicht jede Gastro ist im Abwärtstrend. OSTHESSEN|NEWS präsentiert Beispiele aus unserer Region. Heute: die Ramen-Bar "Tomasu-san" in der Löherstraße in Fulda.

Suppenküche im Haus der Hexe?

Wie lange genau das Gebäude in der Löherstraße 19 schon steht, in dem sich die Ramen-Bar Tomasu-san (Japanischer Titel: 麺屋 とーますさん) befindet, ist nicht bekannt. Inhaber Thomas van de Scheck weiß, dass hier "ganz früher mal eine Schreinerei war, danach ein Tattoo-Studio, dann eine Galerie und irgendwann ein Kosmetikstudio." Möglich ist auch, dass hier einst die letzte Hexe Fuldas zu Hause war, deren Familie in der Löherstraße lebte – man weiß es nicht. "Ich mag den Gedanken. Das Gebäude hat auf jeden Fall eine ganz eigene Persönlichkeit. Die Atmosphäre ist besonders", erklärt er.

Zur kleinen Ramen-Bar mit ihren 18 Sitzplätzen im Innenraum und acht Plätzen draußen gehört ein Nebenraum, der aktuell als Lagerraum genutzt wird. "Eigentlich wollten wir das als Washitsu ausbauen, mit original japanischer Einrichtung, und für Teezeremonien, Konzerte und andere Veranstaltungen nutzen. Aber dafür hätten wir so viele verschiedene Genehmigungen gebraucht … das wäre zu kompliziert geworden."

Ausgewählte Gerichte, alle von der Brühe über die Toppings bis hin zur Würze selbst zusammenstellbar – hier isst man nicht einfach, sondern hat bis ins Detail die Wahl. Verarbeitet werden fast ausschließlich frische Lebensmittel, ohne Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker. Das ist nicht nur lecker, sondern auch der Gesundheit zuträglich, ist Thomas van de Scheck überzeugt.

Metal-Star mit Stahl in der Hand – am Schneidbrett

Thomas van de Scheck steht selbst in der Küche. Der Künstler, Fotograf, Regisseur, Musiker und gelernte Lithograf hat in seinem Leben schon viel gemacht, war aber nie richtig angekommen – bis er während der Corona-Jahre die Zeit fand, sich selbst noch einmal zu erden. In der Entschleunigung der Lockdowns konnte er durchatmen und fand in der japanischen Kultur eine Heimat. Wie bei vielen Menschen entstand der Zugang über Anime. Und da liegt auch der Ursprung der Ramen-Bar: "Ich mag die Filme von Studio Ghibli, die sehr tief in die japanische Kultur, in den Volksglauben und die Mythologie gehen. Als ich irgendwann 'Ponyo' geschaut habe und gesehen habe, wie das kleine Mädchen auf diese Nudelsuppe reagiert, hat es mich erwischt– das wollte ich auch essen!"

Thomas van de Scheck experimentierte zuerst mit Instantnudeln, ließ sich über Jahre hinweg von der Matriarchin der japanischen Familie seiner Schwester in die Geheimnisse der Küche einweihen, traf schließlich 2022 bei einem Straßenfest auf Moe-san. Moe-san war mit seinen Ramen nur bedingt zufrieden. Zusammen mit der jungen Japanerin entwickelte er seine eigenen Rezepturen. Und die werden seit 2023 in der Ramen-Bar serviert.

"Wir haben ganz viel ausprobiert. Die Tare, die Grundlage unserer Brühen, sind alle selbst entwickelt. Miso-tare und Shoyu-tare habe ich mit Moe entwickelt, die Shio-tare ist ein geheimes Rezept aus den 1950ern, das ein japanischer Koch ins Internet gestellt hat. Das haben Takuji-san und ich verfeinert. Und dann hat noch ein Sterne-Koch drübergeschaut und uns bis hin zu den Toppings einige sehr, sehr gute Ratschläge gegeben."

Im Mittelpunkt der ausgewählten Gerichte stehen frische Zutaten, die ausgewogen sind und sättigen, ohne ein Gefühl der Schwere zu hinterlassen. "Ich kaufe jeden Tag frisch ein. Wir holen die meisten unserer Zutaten aus den Supermärkten hier in der Nähe. Nur die Ramen selbst bestellen wir bei einer Manufaktur in Japan – das sind einfach die besten Nudeln." Was auf den ersten Blick wie ein Szene-Laden wirkt, der auch in den einschlägigen Vierteln in Düsseldorf, irgendwo in Stuttgart, Hamburg oder Frankfurt mit ihrer jeweils eigenen japanischen (und Fan-)Community stehen könnte, bietet doch viel mehr. Hier werden qualitativ hervorragende Gerichte serviert, die authentisch und modern sind. Einrichtung, Gastlichkeit und Atmosphäre könnten so auch in Japan bestehen – und trotzdem fühlt man sich nicht fremd, sondern willkommen. So kennt man das aus Japan, oder zumindest aus Anime.

Nudelsuppe als Ausdruck eines Lebensgefühls

Anfangs stand Thomas van de Scheck alleine in der Küche, inzwischen wird er von Yukawa Takuji (nach japanischem Vorbild Nachname zuerst, korrekte Schreibweise: 湯川拓治) unterstützt. Verschiedene Angestellte helfen nach Bedarf mit. Heute dabei: Terrisa, die Thomas van de Scheck auch in der Band van:tom:s unterstützt.

Stammkunden kommen immer wieder, man kennt sich beim Vornamen. "Wir hatten neulich erst einen japanischen Studenten hier, der extra aus Heidelberg kam, um sich mit einem Freund aus Frankfurt zum Essen zu treffen", erzählt Thomas van de Scheck von den besonderen Gästen. Ein älteres Ehepaar aus Japan speiste in der Ramen-Bar und lud ihn glatt zum Gegenbesuch nach Tokyo ein. Die Rezepturen der Ramen-Bar überzeugen also auch echte Kenner, die Ramen sind authentisch und modern zugleich.

Aktuell sind die etwas schärfer gewürzten Tantanmen am beliebtesten, aber auch Shoyu-Ramen und Miso-Ramen werden häufig bestellt. Die noch recht neu auf der Karte befindlichen Shio-Ramen etablieren sich gerade. Zwei der Gerichte werden auf Wunsch der Gäste auch als kleine Portion serviert.

Gastronomie als Gesamtkunstwerk

Wie lange die Ramen-Bar Fulda erhalten bleibt? "Ich weiß es nicht. Kann man das Leben planen? Für mich ist das jetzt erstmal mein Mittelpunkt. Japan, das fasziniert mich immer mehr. Ich lerne Japanisch, ich spiele inzwischen Shamisen", sagt Thomas van de Scheck. In seiner Freizeit – die in der Gastronomie ohnehin ein rares Gut ist – befasst er sich mit dem Shinto, baut das gesamtkünstlerische van:tom:s weiter aus, probt mit seiner Band. Das Shamisen war am 25. April 2025 beim Metal-Festival FULDAMAGE zum ersten Mal mit auf der Bühne – Thomas van de Scheck und Japan, das ist also erst einmal eine Beziehung, die trägt. Na dann – darauf eine Nudelsuppe bei Tomasu-san. (mbw) +++

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