Teil 10 der OSTHESSEN|NEWS-Serie
"Gastrosterben? Nicht bei uns!"- Zuhause bei Freunden im "Landhaus Kehl"
Fotos: Carina Jirsch
26.02.2025 / TANN (RHÖN) -
Es gibt lange Arbeitstage, an denen man sich danach sehnt, sich in seiner Lieblingsgastronomie ganz gemütlich etwas Leckeres zwischen die Kiemen zu schieben - sei es ein schönes Schnitzel oder einfach nur ein saisonaler Salat - aber schmecken muss es. Doch: Viele gastronomische Existenzen liegen seit Corona in Trümmern. Das "Gastrosterben" ist real. 2023 hat jede zehnte (!) Gastronomie in Deutschland dicht gemacht.
Von Dorfkneipe, über XXL-Schnitzel mit Fremdenzimmer, bis hin zu feinster Kulinarik
Es begann alles mit Uroma Aloysia, die im Jahr 1930 gemeinsam mit ihrem Ehemann Rudolf den mutigen Schritt aus der Landwirtschaft in die Gastronomie wagte. Sie eröffneten etwas Neues, das den Grundstein für die Geschichte einer Familie legen sollte, die mit der Zeit immer mehr Fuß fasste. Jahre später setzten Opa Paul und die ebenfalls Aloysia genannte Oma dieses Erbe fort und gaben in Lahrbach der zünftigen Hausmannskost ein Zuhause. Zu dieser Zeit waren vor allem die Riesenschnitzel von Aloysia berühmt, ja fast schon legendär. "Kreativität lag unserer Familie schon immer im Blut", erzählt Dieter Kehl (73), der 1977 das Familienerbe übernahm. Mit einem Schmunzeln erinnert er sich: "Damals, als es noch ein Kino in Tann gab, kamen die Besucher extra hierher, nur um sich eines dieser XXL-Schnitzel mitzunehmen." Was zunächst als einfache Dorfkneipe begann, wuchs mit jeder Generation weiter. Die vierte Generation, heute unter der Leitung von Sohn und Chefkoch Benjamin Kehl (42), hat das Lokal längst zu einer gehobenen Küche transformiert - ein Ort, der hohe Ansprüche an Qualität und Genuss stellt. "Corona war auch eine Kopfsache"
Corona hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Der erste Lockdown war für Kehl und sein Team vor allem eine mentale Herausforderung. Plötzlich entstanden Existenzängste und das Gefühl, in dieser überfordernden Situation alleine gelassen zu werden. Vor der Pandemie hieß es oft: "Die Gastro ist am krisensichersten!" Doch letztlich war ihre Branche die erste, die schließen musste. Nach und nach kehrte Normalität zurück, bis zum zweiten Lockdown. Für den Gastronomen war klar: "Wer selbstständig ist, muss handeln und das Heft in der Hand behalten. Also haben wir uns mental darauf eingestellt und beschlossen: Wir machen nicht zu!" Über die Wochenenden wurde weiterhin für die Stammkundschaft gekocht, oft begleitet von Blasmusik. "Positiv zu bleiben, gab sowohl den Gästen als auch uns Kraft. Es zeigte sich, dass die Menschen aus der Rhön so etwas brauchten. Bei all dem Tourismus ist es wichtig, die Zwischenmenschlichkeit und Wertschätzung, die die Region ausmachen, zu bewahren." Politik muss aufwachen
Finanziell sind die Kehls mit einem blauen Auge davongekommen. "Dank guter Entscheidungen konnten wir alle Rechnungen zahlen und am Puls der Zeit bleiben. Aus dieser Erfahrung sind wir gestärkt herausgegangen und haben viele Ideen entwickelt." Kehl betont, dass es ihnen wichtig war, alle Mitarbeiter weiterhin zu bezahlen. "Es war uns ein Anliegen, alle Mitarbeiter zu halten und den Lehrlingen etwas beizubringen. Wir sind auf unsere Leute angewiesen und brauchen jeden Einzelnen." Heute jedoch belasten sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. "In der Gastronomie herrscht eine politische Unzufriedenheit. Durch die Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf Lebensmittel und 19 Prozent auf Dienstleistungen fehlen uns pro Gast 12 Prozent an Umsatz. Das tut weh. Wir hoffen, dass die Politik aufwacht. Leistung muss sich lohnen. Wenn wir trotz Personalmangel Mitarbeiter haben, sollten wir sie für ihre Arbeit belohnen und motivieren."
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