Teil 3 der OSTHESSEN|NEWS-Serie

"Gastrosterben? Nicht bei uns!"- Die legendären "Drei Linden"

Anton Henning führt seit 2017 das Gasthaus, das eine Metzgerei, ein Hotel und ein Restaurant vereint. Ihm verzeihen die Gäste auch schonmal die ein oder andere Pfefferwolke aus der Küche. Was das bedeutet? Fragen Sie ihn einfach mal nach der "Pfeffergeschichte".
Fotos: Carina Jirsch

12.09.2024 / FULDA - Es gibt lange Arbeitstage, an deren Abend man sich danach sehnt, sich in seiner Lieblingsgastronomie ganz gemütlich etwas Leckeres zwischen die Kiemen zu schieben - sei es ein schönes Schnitzel oder einfach nur ein saisonaler Salat - aber schmecken muss es. Doch: Viele gastronomische Existenzen liegen seit Corona in Trümmern. Das "Gastrosterben" ist real. 2023 hat jede zehnte (!) Gastronomie in Deutschland dicht gemacht.



Vor allem seit der Corona-Pandemie ist dieses Phänomen in Erscheinung getreten und steht laut Experten gerade mal am Anfang. Es gibt allerdings auch Hoffnung, denn nicht jede Gastro ist im Abwärtstrend. OSTHESSEN|NEWS präsentiert Beispiele aus unserer Region. Heute: das Stadtgasthaus "Drei Linden" am Neuenberg (Fulda).

Seit 111 Jahren eine Institution in der Domstadt: Das Gasthaus Drei Linden am Neuenberg - oder wie wirklich jeder einfach nur sagt, "beim Henning". Warum Henning? Nun, der Name gehört zu der Familie, die dieses gut-bürgerliche Lokal mit Haute Cuisine gepaart plus Fremdenzimmern und einer eigenen Metzgerei inzwischen in der vierten Generation betreiben. Angefangen hat das ganze 1913, mit den Urgroßeltern des heutigen Inhabers, als diese das Haus samt großem Innenhof von Richard Dehler übernahmen. 1986 trat ihr Enkel Stefan Henning (64) in die Fußstapfen seiner Eltern. Heute hat Anton Henning (41), der älteste Sohn, die Leitung übernommen und führt seit 2017 das Gasthaus, das eine Metzgerei, ein Hotel und ein Restaurant vereint.

"Die Mischung aus alt und neu machts"

"In dieser Branche darf man sich nicht allein auf Tradition und Gemütlichkeit verlassen. Man muss mit kontinuierlichen kleinen Modernisierungen stets am Ball bleiben, Ideen entwickeln, investieren und diese umsetzen. Verpasst man diesen Zug einmal, ist es unmöglich, wieder aufzuholen", unterstrich der Chef O|N gegenüber. Nach der Übernahme bedeutete das für ihn, die Küche auf den neuesten Stand zu bringen und jährlich mehrere Gästezimmer zu modernisieren, bis schließlich alle 25 Zimmer renoviert waren. Die Metzgerei wurde verkleinert und mit der Rezeption im vorderen Bereich zusammengelegt. Das ehemalige "Wohnzimmer" verwandelte sich in einen neuen, größeren Gastraum, der modernisiert wurde, ohne seinen Charme zu verlieren. "Die richtige Mischung aus Alt und Neu ist entscheidend." Diesem Grundsatz blieb Anton Henning immer treu.

"Als ich die Leitung übernahm, war es eine Herausforderung, in einer so großen Küche mit vielen jungen Leuten zu arbeiten. Mittlerweile haben wir uns jedoch zu einem perfekt eingespielten Team entwickelt. Es ist eine wunderbare Mischung aus Jung und Alt, was mir enormen Spaß bereitet. Die Erfahrung der Älteren, wie beispielsweise die von Maria Wal, welche seit dem ich hier angefangen habe, schon dabei ist, verbindet sich mit den frischen Ideen der Jüngeren, die sich ebenfalls wertgeschätzt fühlen. Dadurch konnten wir die Speisekarte immer weiter unseren Wünschen anpassen. Traditionelle Gerichte sind nach wie vor vorhanden, aber auch moderne und innovative Kreationen – wir kochen alles, worauf wir Bock haben, und zwar so, dass bei einem Familienessen jeder fündig wird", so der erfahrene Koch und Metzgermeister. Personalprobleme kennt er nicht.

Corona als Gastro locker weggesteckt

Für Henning Fulda stellte die Pandemie aus gastronomischer Sicht kein großes Hindernis dar. "Zu jenem Zeitpunkt war unsere neue Küche einsatzbereit, und wir waren alle heiß darauf, zu starten. Es fühlte sich an wie beim Pokern: Man hält ein starkes Blatt in den Händen und denkt, nichts kann schiefgehen. Doch plötzlich wird der Spieltisch umgeworfen." Trotzdem hielt man zusammen. "Da die Räumlichkeiten nicht genutzt werden konnten, haben wir viel auf Bestellung zubereitet und draußen Veranstaltungen wie 'Reise um die Welt' organisiert." In mitgebrachten Thermobehältern wurden vielfältige kleine Speisen aus aller Welt serviert, um den Menschen das Gefühl einer echten Weltreise zu vermitteln. "Zudem hatten wir schon immer eine loyale Stammkundschaft mit regelmäßigen Stammtischen, die uns auch in dieser Zeit unterstützt hat. Sie schätzen eben auch unseren guten Service - da bringt unsere Oberkellnerin Astrid Seuring immer neue Ideen mit ein", berichtet der Metzgermeister. Nicht verwunderlich, dass direkt nach Corona schnell wieder Normalität einkehrte.

Ein Gasthaus. Ein Hotel. Eine Leidenschaft.

Aber fassen wir doch kurz die drei Spektren zusammen. Im Biergarten finden über 120 Gäste Platz, während im Gasthaus selbst etwa 140 Gäste bewirtet werden können. Wichtig ist, dass entweder der Biergarten oder der Innenbereich geöffnet ist, niemals jedoch beide gleichzeitig. Da ist er etwas eigen. Und dennoch wird es nie langweilig am Neuenberg. "Wir haben regelmäßige Aktionen wie Grillabende oder unser Beeftasting vom Kopf bis zum Fuß, wo viele junge aber auch ältere Gäste kommen." Das Hotel hat 25 frisch renovierte Zimmer - 40 Gäste bekommen hier ihr Frühstück an den Tisch gebracht und werden von Gastmutter Karin Henning mit Obstsalat samt Smoothie oder mit Wurstspezialitäten der Familie versorgt. Diese kommen aus der eigenen Metzgerei von Vater Stefan Henning. Schwartenmagen, Leberwurst und Blutwurst - ihre "Heilige Dreifaltigkeit".

Doch wie schafft man es, den Spagat zwischen diesen drei Spektren zu meistern? "Man muss flexibel auf die Wünsche der Gäste eingehen und dabei kreativ bleiben. Wir erhalten die Tradition und bereichern sie mit neuen Elementen. Zudem habe ich ein großartiges Team, in dem die Chemie stimmt. So kann man befreit kochen und bleibt dabei immer gut drauf. Außerdem steht mir meine Ehefrau zur Seite, die selbst eine Metzgerei führt und uns mit vielen Produkten versorgt. Wir ergänzen uns ideal und sie hat viel Verständnis für unsere Arbeit. Wenn man dann noch sieht, wie gut die eigenen Gerichte ankommen, dann überträgt sich dieses Gefühl auch auf das Kochen. Und dann, ja dann macht Gastronomie einfach nur Spaß."

Kenner der Gastroszene kommen in Fulda an den Drei Linden nicht vorbei. Mit zahlreichen Stammtischen, einer herrlichen Biergartenatmosphäre und einer gelungenen Kombination aus gemütlicher Tradition und spannender Moderne stellt es ein echtes Unikat dar. Hier treffen nicht nur Urfuldaer auf Urfuldaer, sondern auch junge Leute schätzen die Hausmannskost, sei es das berühmte Böffstöck oder eines der saisonalen und regionalen Schmankerl. Mit Hingabe, die die Familie im Blut hat, schafft es Henning vermutlich auch noch weitere 111 Jahre zu bestehen ohne auch nur einen müden Gedanken an das "Gastrosterben" zu verschwenden. (Mathias Schmidt) +++

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