Weit über 100 Bürger informieren sich
"Die Halde wird grün", aber was heißt das im Detail?
Fotos: Nina Bastian
20.10.2022 / NEUHOF -
Wie wäre Paris ohne den Eiffelturm? Ohne das beliebte Wahrzeichen der französischen Stadt würde einfach etwas fehlen. So sehen das auch die Neuhofer Bürger. Der geliebte Kaliberg soll zwar nicht verschwinden, aber er wird sich in den kommenden Jahrzehnten deutlich verändern - zumindest wenn die Pläne von K+S aufgehen. Das Unternehmen möchte die Halde abdecken und begrünen. Jetzt soll die Bürgerschaft überzeugt werden.
"Wir wollen hier keinen Dannenröder Forst"
Einzig und alleine Hubert Enders aus Neuhof durfte vor allen Anwesenden zu Wort kommen: "Ich befürworte eine Haldenabdeckung. Aber nicht so, wie sie hier auf den Plänen steht." Er fordert vor allem Kompromisse: "Wie wäre es mit der größten Photovoltaikanlage Osthessens? Wurde das schon geprüft?" Enders war jahrelang im Umwelt- und Bauausschuss der Gemeinde Neuhof tätig. "Wir möchten in Neuhof keinen Dannenröder Forst mit zahlreichen Polizisten, die Eure Arbeit bewachen", und spielte damit auf mögliche Projekt-Gegner samt Protesten an. "Wir möchten alle zusammen den besten Weg für unsere Halde finden", antwortete Werksleiter Keidel deeskalierend. Umweltschutzmaßnahme und Profit für K+S
Zur Erinnerung: Die Kaliproduktion läuft voraussichtlich noch bis zum Jahr 2035. In dieser Zeit muss die Haldenwasser-Problematik stetig geklärt werden. Mit der Begrünung der Halde und den damit verbundenen Arbeiten könne man neue Arbeitsstellen in Neuhof-Ellers schaffen sowie bestehende Stellen erhalten. Die Renaturierung laufe dann also parallel zur Produktion. "In Zukunft würden wir eine betriebliche Aktivität als Umweltschutzmaßnahme mit einer Finanzierung und einem positiven Aspekt betreiben", erklärt K+S. Man gehe zudem davon aus, dass man das Projekt mit einem finanziellen Überschuss erfolgreichen beenden wird.Naturschutzverbände hatten bereits die für die Haldenabdeckung notwendige Waldrodung im Gieseler Forst stark kritisiert. Laut K+S gebe man aber "mehr Fläche an die Natur zurück. 105 Hektar Salzoberfläche soll zur Grünfläche werden, so zumindest das Ziel". Die Neuhofer Landwirte sehen das anders: "Die Natur wird kaputt gemacht, sprich unser bewirtschaftetes Land. Auch wenn der Berg grün wird, werden wir auf der neuen Dickschicht nichts Essbares anbauen können."
"Wir wohnen seit 50 Jahren in Neuhof und kennen und lieben unseren grau-weißen Berg", sagt eine betroffene Familie gegenüber OSTHESSEN|NEWS. Sorgen machen sie sich vor allem bezüglich des Materials. "Was genau soll dann auf der Halde gelagert werden? Und wer kontrolliert das?"
Welche Flächen werden für das geplante Vorhaben benötigt?
Eins steht bereits fest: Für eine geplante Begrünung muss die Halde deutlich größer werden. Aufgrund des frühen Planungsstands könne das Unternehmen jedoch noch keine genauen Maßen angeben, "jedoch wird das Plateau voraussichtlich um zehn Meter steigen". "Benötigt werden Flächen (Kauf oder Tausch) im Haldenvorfeld für die eigentliche Haldenabdeckung, die Umlegung der Landesstraße L3206 Neuhof–Giesel, die Bereitstellungsfläche für die Materialien (RC-Patz) sowie gegebenenfalls für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen." Das Werk Neuhof-Ellers setze sich mit allen betroffenen Eigentümern und Pächtern direkt in Verbindung. Sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit Vertragsabschlüssen werden von K+S übernommen. "Wir stehen zu einem fairen Ausgleich", betont Werksleiter Keidel.Er fügt an: "Nicht alle Flächen werden gleichzeitig benötigt. Vielmehr erfolgt die Umsetzung der Haldenabdeckung abschnittsweise über mehrere Jahrzehnte. So werden die ersten Flächen bereits begrünt sein, bevor ein Großteil der weiteren für das Vorhaben erforderlichen Flächen überhaupt vorbereitet werden müssen."
Wie soll das Abdeckmaterial angeliefert werden?
Für die Abdeckung sollen an jedem Werktag etwa 4.000 Tonnen Material angeliefert werden. Dies geschehe dann zum einen per Bahn (ein Güterzug pro Tag), zum anderen per Lastwagen (circa 150 Lkw pro Tag). Laut einem Verkehrsgutachten habe man keinerlei Bedenken bezüglich des Verkehrs. "Die Lkw werden auf der gut ausgebauten Westspange, die das Kaliwerk außerhalb der geschlossenen Wohnbebauung direkt mit der Autobahn 66 verbindet, fahren."
Welche Materialien werden für die Abdeckung verwendet?
Bei den Abdeckmaterialien handelt es sich laut K+S-Experten um nicht gefährliche Abfälle zur Verwertung, die als Boden und Bauschutt zusammengefasst werden. "Der Einbau sämtlicher Materialien unterliegt strengen Auflagen und Grenzwerten." Man rechne mit 70 Prozent Bodenaushub und 30 Prozent Bauschutt. Mit welcher Staub- und Lärmbelastung ist für die Bevölkerung zu rechnen?
Im Bereich der Halde - und wenn der Wind gut steht - hören Anwohner bereits jetzt die Arbeiten an und auf der Halde. Doch mit welcher Mehrbelastung an Staub und Lärm müssen die Bürger in Zukunft rechnen? Die Arbeiten zur Abdeckung der Halde sollen immerhin an rund 220 Tagen im Jahr - wenn möglich tagsüber - erfolgen. "Potenzielle Staubimmissionen können im Baustellenbetrieb der Abdeckung, beim Betrieb des RC-Platzes und beim Transport der Abdeckmaterialien zum Einbauort auftreten. Um mögliche Lärmbelästigungen einschätzen zu können, wurden bereits sogenannte Schallprognosen für den Betrieb der Bereitstellungsfläche (RC-Platz) sowie für den Bau der Haldenabdeckung erstellt. An allen zu betrachtenden Orten, an denen jeweils der größte Einfluss zu erwarten ist, liegen die prognostizierten Geräuschpegel unterhalb der vorgeschriebenen Richtwerte. Zudem zeigt der Vergleich mit bekannten Geräuschpegeln, dass die Werte im Bereich von Radiomusik oder Fernsehen bei Zimmerlautstärke liegen." Wie ist der aktuelle Verfahrensstand und was folgt als Nächstes?
Im Juli 2022 hat das Werk Neuhof-Ellers den ersten offiziellen Verfahrensschritt unternommen und eine umfangreiche Scoping-Unterlage bei der Genehmigungsbehörde - dem Dezernat Bergaufsicht des Regierungspräsidiums Kassel - eingereicht. Pandemiebedingt erfolgte das Scoping-Verfahren als schriftliches Umlaufverfahren. Über den Zeitraum eines Jahres sollen nun alle erforderlichen Umweltuntersuchungen, insbesondere umfangreiche Bestandsaufnahmen von Pflanzen und Tieren (Kartierung) erfolgen. "Die Antragstellung soll nach derzeitiger Planung etwa Mitte 2024 erfolgen. Im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren erfolgt eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung durch Auslegung der Antragsunterlagen zur allgemeinen Einsichtnahme mit Gelegenheit zur Stellungnahme und anschließender Erörterung", erklärt Projektleiterin, Dr. Karin Möller-Glock. (Nina Bastian) +++
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